Mehnert-Kolumne
Unblutige Glukosemessung - ein Quantensprung
Überwältigend positive Erfahrungen machen Typ-1-Diabetiker mit der kontinuierlichen Glukosemessung, wie eine Umfrage zeigt. Die blutigen Selbstmessungen lassen dich dadurch deutlich reduzieren.
Veröffentlicht:Prof. Hellmut Mehnert
Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.
Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.
Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.
NEU-ISENBURG. Überwältigend positive Erfahrungen machen Typ-1-Diabetiker mit der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM). Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen britischen Umfrage, in der 50 erwachsene Patienten und 50 Eltern von zuckerkranken Kindern befragt worden sind.
Die meisten hatten dabei die CGM-Systeme zusammen mit einer Insulinpumpe über knapp zwei Jahre genutzt (Diab Care 2014, online 31. Dezember). Mit der kontinuierlichen Messung lassen sich vor allem auch Hypoglykämien vermeiden.
Die CGM-Geräte geben einen Warnton ab, wenn sich eine Unterzuckerung anbahnt. Besonders bei kleinen Kindern und nachts kann eine solche Kontrolle von großem Nutzen sein.
Die Patienten schätzen darüber hinaus, dass sich die üblichen blutigen Blutzuckerselbstmessungen verringern lassen.
In der Umfrage berichten die Patienten zudem, dass sich durch die CGM die Stoffwechselkontrolle verbessert und Sport sowie Ernährung besser gesteuert werden können.
Insgesamt sei ihre Lebensqualität gestiegen. Besonders gewürdigt wurde auch die Kombination mit speziellen Pumpen, die bei drohenden Hypoglykämien die Abgabe von Insulin stoppen.
Hierdurch wurden nach den Angaben die Häufigkeit von Unterzuckerungen und die Angst vor nächtlichen Ereignissen deutlich reduziert.
Flash-Glukosemesssystem
Wegen des hohen Preises werden die CGM-Systeme in Deutschland in der Regel nicht von den Krankenkassen bezahlt und daher nur selten genutzt.
Großer Nachfrage erfreut sich bei uns jetzt aber eine abgespeckte Version zur kontinuierlichen Messung: das Ende 2014 eingeführte Flash-Glukosemesssystem FreeStyle® Libre.
Hiermit wird Patienten besonders das ständige Stechen in den Finger erspart. Ein Sensor, der am Oberarm unter einem Wasser-abstoßenden Pflaster getragen wird, misst den Blutzucker bis zu zwei Wochen lang. Das System arbeitet sogar unter der Dusche.
Nach 14 Tagen ist ein neuer Sensor anzubringen. Die Glukose wird in Minutenintervallen in der Gewebsflüssigkeit gemessen und die Werte werden gespeichert.
Es ist keine herkömmliche Blutzuckerselbstmessung zur Kalibrierung erforderlich, wie sie bei konventionellen CGM-Sensoren zweimal täglich nötig ist.
Das System ist bisher nur für erwachsene Diabetiker zugelassen und für die intensivierte Insulin- oder Insulinpumpentherapie konzipiert.
Langfristiger Verlauf
Im Gegensatz zu den CGM-Systemen kommuniziert der Sensor bei der Flash-Glukosemessung nicht mit Insulinpumpen und gibt auch keine Hypoglykämiewarnung ab.
Die ermittelten Trends der Glukosewerte liefern aber wichtige Informationen, etwa um eine sich anbahnende Unterzuckerung erkennen zu können (zum Beispiel vor Antritt einer Autofahrt).
Die Daten werden in einem Lesegerät bis zu drei Monate gespeichert, wodurch sich der langfristige Blutzucker-Verlauf ermitteln lässt. Ärzte und Patienten lassen sich auch sogenannte Ambulante Glukose-Profile (AGP) erstellen.
Mit einer Auswertungssoftware wird dabei der typische Tagesverlauf der Blutzuckerwerte dargestellt. Patienten können so besser beraten und geschult werden.
Bei der Flash-Glukosemessung ist es ratsam, in den ersten zwei Tagen herkömmliche Blutzuckermessungen zur Kontrolle vorzunehmen, da - manchmal und nur hier - gelegentliche Abweichungen vom aktuellen Profil auftreten könnten.
Das System wird bisher in der Regel nicht von den Krankenkassen erstattet. Nach Angaben des Anbieters Abbott kostet ein Starterset mit einem Lesegerät und zwei Sensoren 169,90 Euro; weitere Sensoren im Jahresabonnement belaufen sich auf 54,90 Euro pro Stück.