Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus
Vorbote eines Delirs?
Viele Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen entwickeln ein Delir. Gerade nach Symptomen eines hypoaktiven Delirs muss man genau fragen. Denn die Gefahr, es zu übersehen, ist groß.
Veröffentlicht:HAMBURG. Im Terminalstadium trete ein Delir unterschiedlich häufig auf, in der Sterbephase jedoch bei 90 Prozent der Patienten, erklärte Dr. Marianne Kloke auf der DGHO-Jahrestagung 2014 in Hamburg. Sie ist Leitende Oberärztin am Zentrum für Palliativmedizin der Kliniken Essen-Mitte.
Für die Symptomkontrolle hat ein Delir enorme Bedeutung. Viele Beschwerden, die es zu behandeln gilt, werden subjektiv erfasst. Bei einem deliranten Patienten sind aber etwa Schmerzen oder Dyspnoe schlechter einschätzbar. Somit erschwere das Delir die palliative Versorgung erheblich, erläuterte Kloke.
Auch bei der Aufklärung müsse man die Auswirkungen eines Delirs berücksichtigen: Oft seien plötzlich abstraktes Denken, Auffassungsvermögen und Kurzzeitgedächtnis eingeschränkt, führte Kloke aus, dann erinnerten sich Patienten nicht mehr an schon Erklärtes.
Zu zwei Drittel hypoaktives Delir
Neben Störungen des Bewusstseins, der Aufmerksamkeit und der Kognition sind ein akuter Beginn und ein fluktuierender Verlauf charakteristisch für das Delir. Wichtig findet Kloke zudem, dass Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus als Vorläufer auftreten können.
Unterschieden werden zwei Formen: hyper- und hypoaktives Delir. Bei beiden sei der Leidensdruck gleich hoch. Zum hyperaktiven Delir gehören psychomotorische Unruhe, Aggressivität, Agitiertheit und oft auch eine deutliche psychovegetative Reaktion. In zwei Drittel der Fälle liegt aber ein hypoaktives Delir vor.
Es ist durch Apathie, geringe Kontaktaufnahme und Rückzug gekennzeichnet. Vegetative Reaktionen sind hier selten, Halluzinationen und Desorientiertheit werden erst auf Nachfrage beschrieben.
Die Gefahr sei groß, ein hypoaktives Delir zu übersehen, so Kloke. Umso wichtiger sei es, dass man sich Zeit für den Patienten nehme, genau hinschaue und nachfrage, betonte sie.
Gerade bei Tumorpatienten liegen wenig Daten zur Reversibilität eines Delirs vor. Es gebe aber Hinweise, dass es sich bei einem Drittel der Fälle auch in der letzten Lebensphase zurückbilden könnte. "Das heißt, wir müssen uns fragen: Ist die Ursachenforschung zumutbar, angemessen und hat sie Konsequenzen?" so Kloke.
Als mögliche Auslöser eines Delirs müssten zum Beispiel hirneigene Prozesse, Medikamentennebenwirkungen, metabolische Störung wie eine Hypoglykämie und Infektionen bedacht werden. "In der Terminalphase hat ein Delir mindestens drei Ursachen", sagte Kloke.
Bei der Hälfte der Patienten sei es aber einfach auf die Schwere der Erkrankung zurückzuführen. Für die An- und Zugehörigen bedeute es maximalen Stress. Deshalb appellierte Kloke, sich diesen vermehrt zuzuwenden und sie genau aufzuklären.
Häufig eingesetzt: Neuroleptika
Oft werde pharmakologisch behandelt, vor allem mit Neuroleptika. Bei den Substanzen wie etwa Haloperidol und Quetiapin gelte es, die Zeit bis zum Wirkungseintritt, die Wirkdauer, das antipsychotische Potenzial, aber auch die sedierende Komponente und unerwünschte Wirkungen zu berücksichtigen.
Opioide würden ein Delir verursachen, wenn sie nicht indiziert seien. Benzodiazepine seien besonders bei einer ausgeprägten vegetativen Begleitsymptomatik angezeigt. Aber gerade Lorazepam könne auch ein Delir auslösen.
Bedeutsame Nebenwirkungen sind anticholinerge Eigenschaften, Sedierung, orthostatische Wirkung, QT-Verlängerung und das Risiko für ein extrapyramidales Syndrom. Zudem senken fast alle Antipsychotika die Krampfschwelle.
Deshalb könne eine Kombination aus Benzodiazepinen und einem Neuroleptikum sinnvoll sein, erklärte Kloke. Prinzipiell sollten aber immer nichtpharmakologische sowie pharmakologische Therapien zum Einsatz kommen.
"Wir wissen sehr wenig zum Delir und brauchen dringend neue Ergebnisse. Vor allem müssen wir aber hinschauen", sagte Kloke.