Besonders bei Älteren

Warum es vor einem Gewitter mehr Atemwegsnotfälle gibt

Am Tag vor einem Gewitter häufen sich Atemwegsnotfälle bei älteren Menschen, insbesondere bei Asthma- und COPD-Patienten, stellen US-Forscher fest. Ihre Untersuchung zeigt: Das Phänomen unterscheidet sich von dem bekannten Gewitter-Asthma.

Von Dr. Beate Schumacher Veröffentlicht:
Für den Zeitraum drei Tage vor bis drei Tage nach einem Gewitter berechneten die Forscher 5,3 zusätzliche respiratorische Notfälle pro eine Million Senioren.

Für den Zeitraum drei Tage vor bis drei Tage nach einem Gewitter berechneten die Forscher 5,3 zusätzliche respiratorische Notfälle pro eine Million Senioren.

© Patrick Pleul / dpa / picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

Frage: Gibt es bei Gewittern mehr Atemwegsnotfälle bei älteren Menschen?

Antwort: Am Tag vor einem Gewitter suchen signifikant mehr über 65-Jährige wegen Atemwegsproblemen eine Notfallambulanz auf.

Bedeutung: Schwere Gewitter können ältere Menschen, vor allem solche mit Asthma und COPD, zusätzlich belasten.

Einschränkung: Retrospektive Auswertung von Krankenakten und Wetterdaten.

Eugene. Mit steigenden Temperaturen hat in den letzten Jahren die Heftigkeit von Gewittern zugenommen. Wissenschaftler aus den USA warnen nun, dass die atmosphärischen Veränderungen bei solchen Unwettern bei anfälligen Personen zu einer Zunahme von medizinischen Notfällen führen können.

Ihren Erkenntnissen zufolge werden kurz vor einem Gewitter überdurchschnittlich viele ältere Menschen mit Atemwegsproblemen in Notfallambulanzen behandelt (JAMA Intern Med 2020; online 10. August).

Die Forscher um Dr. Eric Zou von der University of Oregon in Eugene haben über eine Zeit von 14 Jahren die atemwegsbedingten Konsultationen von Notaufnahmen von mehr als 46 Millionen US-Amerikanern im Alter über 65 Jahren ausgewertet. In dem Zeitraum waren über 820.000 schwere Gewitter über die USA hinweggezogen.

Mehr Notfallambulanzkontakte einen Tag vor Gewitter

Jeweils am Tag vor einem solchen Ereignis war in der betroffenen Region ein Peak von Atemwegsnotfällen festzustellen. Im Vergleich zum Ausgangsniveau erhöhte sich die Zahl der Notfallambulanzkontakte im Mittel um 1,8 pro eine Million Personen. Bei den Patienten mit Asthma (rund 10 Prozent der Kohorte) beziehungsweise COPD (rund 25 Prozent) kamen 6,3 beziehungsweise 6,4 Fälle hinzu, bei den an Asthma und COPD Erkrankten (7 Prozent) 9,4 Extrafälle, jeweils pro eine Million Personen.

Das entsprach Risikozunahmen von 1,1–1,2 Prozent. Betrachtete man die drei Tage vor und nach einem Gewitter kam man insgesamt auf 5,3 zusätzliche respiratorische Notfälle pro eine Million Senioren; bei den vorerkrankten Patienten erhöhten sich die Zahlen um 22,6, 22,4 und 33,8 pro eine Million.

Der beobachtete Zusammenhang zwischen Wetterlage und dem Aufsuchen von Notfallambulanzen war spezifisch für Atemwegserkrankungen. Die Zahl der Kontakte wegen Sepsis oder Lungenembolie nahm im Umfeld von Gewittern nachweislich nicht zu.

Mehr Feinstaub in der Luft

Vor dem Ausbruch der Unwetter wurde ein Anstieg der Lufttemperatur und der Feinstaubkonzentration registriert; beide Werte gingen am Tag des Gewitters wieder zurück. Die Belastung mit Pollen, Stickstoff- und Schwefeldioxid, Ozon und Kohlenmonoxid blieb dagegen bis zum Gewitter unverändert und nahm danach ab.

Die Forscher vermuten daher, dass Gewitter-assoziierte Atemwegserkrankungen bei Älteren „vor allem durch den vorausgehenden Anstieg von Feinstaubkonzentration und Temperatur verursacht werden“.

Kein allergisches Gewitter-Asthma

Damit unterscheiden sich die von ihnen beschriebenen Notfälle vom schon länger bekannten Gewitter-Asthma. Dabei handelt es sich um allergisches Asthma, das direkt nach Gewittern auftritt. Es wird darauf zurückgeführt, dass Pollen in Windböen aufgewirbelt und durch den Regen wieder heruntergedrückt wird.

Der Regen scheint außerdem dafür zu sorgen, dass Pollenkörner osmotisch bedingt aufplatzen und kleine besonders allergene Partikel freigesetzt werden.

In der US-Analyse scheint das Thunderstorm-Asthma keine wesentliche Rolle zu spielen. Laut Zou und Kollegen könnte dies aber auch daran liegen, dass in der Studie nur über 65-Jährige berücksichtigt wurden.

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