Leukämie
Wenn Spenderzellen Empfänger angreifen
Stammzellspenden haben bisweilen gefürchtete Nebenwirkungen. Warum das so ist und wie sich die auslösenden Mechanismen zum Vorteil der Patienten nutzen lassen, wird jetzt in einem Projekt erforscht.
Veröffentlicht:WÜRZBURG (eb). Für Patienten mit Leukämie ist eine Stammzellspende oft die letzte Rettung. Weil ihr eigenes Immunsystem Amok läuft, wird es durch Bestrahlung und Chemotherapie zerstört.
Aus den Spenderzellen entwickelt sich im Normalfall ein neues, funktionstüchtiges Abwehrsystem.
Bei einigen Patienten treten jedoch kurz nach der Spende gravierende Nebenwirkungen auf: Die transplantierten Immunzellen des Spenders stufen die Organe des Patienten als "körperfremd" ein und bekämpfen sie in der Folge.
Im schlimmsten Fall kommt es zur akuten Graft-versus-Host-Disease" (aGvHD). Kurioserweise ist eine abgeschwächte Version dieser Komplikation sogar erwünscht.
Dann kann man nämlich davon ausgehen, dass die Spenderzellen Leukämiezellen, die die Kombination aus Chemotherapie und Bestrahlung überlebt haben, zerstören und somit das Risiko verringern, dass sich bei dem Patienten erneut ein Tumor bildet ("Graft-versus-Leukämie" (GvL), "Graft-versus-Tumor" (GvT)-Reaktion).
Zweijähriges Forschungsprojekt
"Bei der Suche nach dem therapeutischen Fenster zwischen Schutz- und Schadenswirkung der gespendeten Immunzellen kommen wir ins Spiel", wird Dr. Friederike Berberich-Siebelt, Arbeitsgruppenleiterin in der Abteilung "Molekulare Pathologie" am Pathologischen Institut der Universität Würzburg, in einer Mitteilung der Universität zitiert.
Gemeinsam mit dem Post-Doc Dr. Martin Väth wird sie in den kommenden zwei Jahren die molekularen Grundlagen dieser Vorgänge im Immunsystem erforschen. Finanziert wird das Projekt von der Sander-Stiftung mit 155.000 Euro.
Im Fokus dieses Forschungsprojekts steht eine spezielle Familie von Transkriptionsfaktoren - die sogenannten NFAT-Transkriptionsfaktoren. Fünf gibt es von ihnen; von dreien ist bekannt, dass sie eine zentrale Rolle dabei spielen, wenn bestimmte Zellen des Immunsystems aktiv werden, sich teilen oder absterben.
Manche Details ihrer Arbeitsweise liegen jedoch noch im Dunkeln. Insbesondere inwieweit die einzelnen Familienmitglieder individuelle Funktionen ausüben, ist unzureichend erforscht.
"Wenn es uns gelingt, die molekularen Mechanismen dieser Transkriptionsfaktoren genauer zu verstehen, sollte es möglich sein, die klinischen Behandlungsmöglichkeiten einer Graft-versus-Host-Disease zu verbessern und gleichzeitig den erwünschten Graft-versus-Leukämie-Effekt beizubehalten", so Väth.
Substanzen gegen NFAT-Faktoren
Das ist der Traum der Wissenschaftler: Einen Ansatz zu finden, der es ermöglicht, "die protektive Funktion zu erhalten und die schädigende auszuschalten", so Väth. Die schädigende auszuschalten: Das ist heute schon möglich.
Mit Immunsuppressiva, die auch die NFAT-Faktoren lahmlegen, kann man eingreifen, wenn eine beginnende Graft-versus-Host-Disease diagnostiziert wird.
Und wenn die nicht wirken, bleibt ihnen als letztes Mittel ein Zytostatikum, das auch in der Chemotherapie zum Einsatz kommt. "Diese Mittel wirken aber viel zu breit und haben zu viele Nebenwirkungen", sagt Friederike Berberich-Siebelt.
In den kommenden zwei Jahren wollen die beiden Forscher deshalb untersuchen, welche Aufgaben die diversen Transkriptionsfaktoren in verschiedenen Zellen des Immunsystems übernehmen - und das nicht nur am Beispiel einer Krebsart, sondern an unterschiedlichen Varianten von Leukämien und Lymphomen.
Zusätzlich wollen sie verschiedene Substanzen, die gezielt auf einzelne NFAT-Faktoren wirken, auf ihre Eignung als Therapeutikum testen. "Wir haben zwei Kandidaten in der engeren Wahl, die wir ausprobieren werden", so Väth.