Diabetes
Wie tief muss der Blutdruck sinken?
Muss der Blutdruck bei Diabetikern auf Teufel komm raus gesenkt werden? Abhängig von Alter und Begleiterkrankungen sollten individuelle Zielwerte gesetzt werden. Eine Orientierung.
Veröffentlicht:LEIPZIG. Je höher der Blutdruck, desto größer ist das kardiovaskuläre Risiko des Patienten. Allerdings ist die strenge Blutdrucksenkung nicht immer 1:1 zu übersetzen mit einem erniedrigten Risiko. Gefragt ist eine alters- und komorbiditätsgerechte Blutdrucksenkung.
So sollte bei koronarer Herzerkrankung (KHK) ein Blutdruck nicht unter 120/80 mmHg angestrebt werden, sagte Professor Ulrich Kintscher aus Berlin bei der DDG-Tagung.
Denn ab einem diastolischen Blutdruck unter 70 mmHg steigt die Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Ereignisse wieder an, besonders wenn keine revaskularisierenden Maßnahmen erfolgt sind.
Und gerade die Reduktion des kardiovaskulären Gesamtrisikos ist laut Hochdruckliga ja das Hauptziel bei der Hochdruck-Behandlung. Daher wird die Senkung auf Werte unter 140/90 mmHg empfohlen.
Bei Diabetikern wird diskutiert, ob ein Absenken des Blutdrucks auf Werte unter 130/80 mmHg tatsächlich gerechtfertigt ist. Die Analyse sämtlicher Interventionsstudien von Hypertonie-Patienten mit Diabetes mellitus offenbarte, dass Zielblutdrücke unter 130 mmHg systolisch selbst unter Studienbedingungen selten erreicht werden.
Nephroprotektive Effekte
Und die ACCORD-Studie bestätigte, dass der primäre Endpunkt aus nicht-tödlichem Herzinfarkt oder Schlaganfall und kardiovaskulär bedingtem Tod mit einer intensiven Blutdrucksenkung auf durchschnittlich 119/66 mmHg nicht verringert werden kann.
Auch in den demnächst erscheinenden neuen Leitlinien wird deshalb wohl ein Zielkorridor zwischen 130-140/80-85 mmHg beibehalten werden. "Hierbei sollte natürlich eine Substanz, die das Renin-Angiotensin-System hemmt, eingesetzt werden", so Kintscher.
Für Patienten mit Niereninsuffizienz gibt es eine allenfalls dünne Evidenzlage aus Studien. Empfohlen werden Zielblutdruckwerte von unter 130/80 mmHg. Bei gleichzeitiger Proteinurie von 1 g/Tag oder mehr sollten die Werte unter 125/75 mmHg liegen, denn die Blutdrucksenkung hat auch nephroprotektive Effekte.
Bei alten Menschen ist der Vorteil einer Blutdrucksenkung geringer als bei unter 65-jährigen, wie aus großen Metaanalysen hervorgeht. Darin gab es keinen wesentlichen Unterschied zwischen guter und ambitionierter Blutdruckeinstellung.
Jedoch neigen ältere Menschen besonders zu orthostatischen Blutdruckabfällen. Daher müsse die Blutdrucksenkung langsam erfolgen, so Kintscher.
Bis 80-jährige Patienten sollten unter 140/80 mmHg liegen, über 80-jährige unter 150 mmHg systolisch. Dabei können ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten, Kalziumantagonisten und Betablocker eingesetzt werden.