100. Todestag
Wilhelm Conrad Röntgens Strahlen: Revolution für Diagnostik, Inspiration für Künstler
Der Zufall spielte mit, als Wilhelm Conrad Röntgen Ende des 19. Jahrhunderts die Röntgenstrahlung entdeckte. Auch 100 Jahre nach seinem Tod sind die Möglichkeiten der Technik noch im Fluss – auch für künstlerisch tätige Ärzte.
Veröffentlicht:Feste Körper mit Hilfe von Röntgenstrahlen transparent machen, seien es menschliche Körperteile, Strukturen von Gebäuden, Mumien aus uralter Zeit – oder Schokolade und Blumen: Die nach ihm benannten Strahlen entdeckte der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen 1895 in seinem Labor in Würzburg. Der Todestag Röntgens jährt sich am 10. Februar zum 100. Mal.
Das Foto von den Handknochen seiner Frau Anna Bertha mitsamt Ring – sichtbar gemacht durch Röntgenstrahlen – ist ein Meilenstein für ganz unterschiedliche Zweige der Wissenschaft. Röntgenstrahlen werden seitdem in der Medizin ganz selbstverständlich für die Diagnostik genutzt, sie finden aber auch in vielen anderen Bereichen Verwendung, zum Beispiel in der Erforschung des Weltalls oder auch molekularer Strukturen.
Der erste Nobelpreis für Physik ging an Röntgen
Die Entdeckung vor mehr als 127 Jahren in Würzburg führte zu einem gänzlich neuen Zweig der Medizin: der Radiologie. Ungezählten Menschen hat das Verfahren bisher geholfen. Röntgen erhielt 1901 den ersten Nobelpreis für Physik. „Wir haben eine zerstörungsfreie Einsicht in Strukturen“, erklärt Thorsten Bley, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Würzburg. „Das kann bei einer Mumie sein, das kann auch bei einem technischen Gerät sein. Da kann dann geguckt werden, ob die Verbindungen intakt sind, ob die Metalllegierung dicht ist und keine Risse aufweist.“
Heute ist die Aufnahme eines Röntgenbildes meist Routine in der medizinischen Diagnostik, die Strahlendosis ist aktuell viel geringer als früher – medizinischer Fortschritt. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz werden derzeit in Deutschland schätzungsweise 130 Millionen Röntgenuntersuchungen pro Jahr durchgeführt.
Schatten von Handknochen auf dem Schirm
Röntgen – geboren am 27. März 1845 in Lennep, heute ein Stadtteil Remscheids, gestorben am 10. Februar 1923 in München – entdeckte die Strahlen zufällig, spätabends am 8. November 1895. Der Wissenschaftler experimentierte in Würzburg mit elektrischen Entladungen in einer nahezu luftleer gepumpten Glasröhre (Kathodenröhre).
Sein Laboratorium war dabei fast dunkel. Nur die allgemein bekannten und mit bloßem Auge sichtbaren Leuchterscheinungen in der Röhre erhellten den Raum schwach. Röntgen umhüllte die Röhre mit schwarzem Karton. Und beobachtete, dass sich ein entfernt stehender Leuchtschirm aufhellte.
Mehr noch: Als er seine Hand irgendwann später – er verbrachte etwa sechs Wochen nahezu Tag und Nacht im Labor – zwischen Röhre und Leuchtschirm hielt, sah Röntgen auf dem Schirm den Schatten seiner Handknochen. So ungefähr soll es sich zugetragen haben an jenem Tag, wie das Röntgen-Kuratorium Würzburg zusammengetragen hat.
Immer präzisere Einblicke
Röntgenstrahlen haben seither viele Bereiche der Forschung revolutioniert. Weiterentwicklungen für die medizinische Diagnostik sind längst Standard – in Computertomografen (CT) werden damit Menschen schichtweise durchleuchtet. Neueste Entwicklung in diesem Bereich ist der photonenzählende Computertomograf, berichtet Bley.
Dieser liefert noch mehr Information und ermöglicht präzisere Diagnosen. „Das ist phänomenal. Ich bin jedes Mal erneut von der Präzision begeistert, wenn ich diese Bilder sehe.“ Bley arbeitet nach eigenen Angaben in Würzburg mit einem der ersten 20 dieser Geräte, die weltweit installiert wurden.
Ein ganz neuer Blick auf Vollmilch-Nuss
Doch nicht nur in der Wissenschaft spielen Röntgenstrahlen eine Rolle. Nicht zuletzt nutzen kundige Radiologen die Technik, um künstlerisch tätig zu sein. „Mit einem Schuss Röntgenstrahlung“ hat beispielsweise der in Bruchsal niedergelassene Radiologe und Physiker Dr. Julian Köpke die Konstellation von vier Tafeln Schokolade „Vollmilch-Nuss“ abgelichtet. Selbst Qualitätsmanagement für Schokoladen-Hersteller wäre damit möglich, überlegt Köpke im Gespräch mit der Ärzte Zeitung: zum Beispiel dazu, ob die Nüsse gleichmäßig in der Tafel verteilt sind.
Köpke nutzt auch die Technik des „Fusion Imaging“ – Röntgenstrahlen plus Fotografie –, um Blumen transparent abzubilden und so ihre Schönheit anders als gewohnt ans Licht zu bringen. Fusion Imaging wurde und wird auch in der Astronomie und in der diagnostischen Radiologie verwendet. Durch das digitale Röntgen und die digitale Fotografie haben sich ganz neue Möglichkeiten ergeben. (mit dpa-Material)