HINTERGRUND
Zahl der Norovirus-Infektionen auf Kreuzfahrtschiffen steigt rapide
Innerhalb weniger Wochen sind auf mehreren Kreuzfahrtschiffen Hunderte von Urlaubern und Besatzungsmitgliedern an Brechdurchfällen durch Noroviren erkrankt. Betroffen sind nicht von ungefähr die größten Schiffe der Welt.
Den Anfang machte Ende November vergangenen Jahres das von der US-Kreuzfahrtgesellschaft "Royal Caribbean" betriebene weltgrößte Kreuzfahrtschiff "Freedom of the Seas". Damals erkrankten 380 Patienten an Brechdurchfällen. Keine zwei Wochen später waren auf demselben Schiff nach einem erneuten Norovirus-Ausbruch 108 Urlauber betroffen. Zuletzt traf es 276 Passagiere und 28 Besatzungsmitglieder des Luxusliners "Queen Elizabeth 2", der 2000 Urlaubern und 1000 Crew-Mitgliedern Platz bietet (die "Ärzte Zeitung" berichtete). Damit setzt sich ein Trend fort, der schon seit Jahren zu beobachten ist.
Europäische Seuchenbehörde ließ Ausbrüche untersuchen
Dass die Zahl der Norovirus-Infektionen auf Kreuzfahrtschiffen in den vergangenen Jahren rapide gestiegen ist, hatte im August 2006 bereits ein von der Europäischen Seuchenbehörde ECDC eingesetztes Expertenteam herausgefunden. Danach hat man allein in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres insgesamt 35 Ausbrüche gastrointestinaler Infektionen mit Noroviren auf insgesamt dreizehn Kreuzfahrtschiffen registriert, berichteten Marion Koopmans vom Nationalen Institut für Öffentliche Gesundheit in Bilthoven, Niederlande, und Kollegen aus England und Schweden auf der Homepage des ECDC-Mitteilungsblatts (www.eurosurveillance.org). Dabei erkrankten 1088 Menschen.
Als erste Reaktion auf solch einen Ausbruch werden in die Regel zunächst die Hygienestandards erhöht: Putzkolonnen desinfizierten das gesamte Schiff, Türgriffe, Geländer und selbst die Chips in den Spielkasinos werden mehrfach täglich abgewischt, und die Selbstbedienung am Buffet wird vorübergehend eingestellt.
Strikte Hygiene scheint das Problem nicht lösen zu können
Doch strikte Hygiene allein scheint das Problem nicht lösen zu können. Kreuzfahrtschiffe sind nämlich ideale Brutstätten für Viren aller Art, reicht doch oft schon ein einziger Infektionsherd aus, dass sich die Erreger in der Abgeschlossenheit eines Schiffs explosionsartig vermehren. So werden auch immer wieder Grippe-Epidemien und andere sich schnell ausbreitende Krankheiten auf Kreuzfahrtschiffen beobachtet.
Am häufigsten indes sind Infektionen mit Noroviren, was daran liegen mag, dass Stuhl und Erbrochenes von Erkrankten hoch-infektiös und Noroviren in der Umwelt zudem sehr stabil sind. Im Anschluss an ihre Kontrollen wiesen die Experten von der Europäischen Seuchenkontrolle im vergangenen Jahr noch auf ein weiteres Problem hin: Die virologischen Untersuchungen hatten nämlich ergeben, dass die auf den 13 Kreuzfahrtschiffen registrierten Erkrankungen durch zwei neue Varianten des GGII4-Stammes der Noroviren verursacht wurden. Auch dies könne eine Ursache für den Anstieg der Infektionen auf Kreuzfahrtschiffen sein, hieß es.
Auch in deutschen Altenheimen und Kliniken ist die Zahl der gemeldeten Brechdurchfälle durch Noro-viren in den vergangenen Monaten stark gestiegen (wir berichteten). Die Erkrankungszahlen seit November 2006 seien ähnlich hoch wie bei der heftigen Winterepidemie vor zwei Jahren, teilte das Robert-Koch-Institut auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" mit. In der Norovirus-Saison von November bis März komme es regelmäßig zu solchen Erkrankungszahlen, so das RKI. Im vergangenen Jahr sind in Deutschland insgesamt 74 445 solcher Erkrankungen an das RKI gemeldet worden.
STICHWORT
Noroviren
Noroviren sind weltweit verbreitet. 30 Prozent der nicht bakteriellen Gastroenteritiden bei Kindern und 50 Prozent derjenigen bei Erwachsenen werden durch den Erreger verursacht. Kinder unter fünf Jahre und alte Menschen über 70 Jahre erkranken besonders oft daran. Die Viren sind die häufigste Ursache von Gastroenteritis-Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen, Kliniken und Heimen und werden in den vergangenen Jahren auch verstärkt auf Kreuzfahrtschiffen als Ursache von Massen- erkrankungen identifiziert.