Verlagerungspläne ans UKSH
Demo fürs Marien-Krankenhaus Lübeck: „Wir sind hier und wir bleiben hier!“
Einer Demonstration für den Erhalt des Marien-Krankenhauses in der Lübecker Innenstadt schließen sich 850 Menschen an – darunter viele Ärzte. Sie fürchten eine faktische Schließung, 40 Belegärzte wären betroffen.
Veröffentlicht:Lübeck. Aufmerksamkeit erzeugen, öffentlichen Druck aufbauen, etablierte Strukturen nicht kurzfristig zerstören lassen: Diese Hoffnungen setzt HNO-Arzt Dr. Ralf Katzbach in die Demonstration, die in wenigen Minuten vor dem Eingang des Marien-Krankenhauses in Lübeck starten soll. Mehrere hundert Menschen haben sich dem Aufruf der SPD und der Grünen in Lübeck sowie der Belegschaft des Krankenhauses angeschlossen. Sie sind friedlich, aber laut und entschlossen.
Es ist Sonnabend um 12 Uhr mittags. Ärzte, die zu dieser Zeit keinen Dienst haben, genießen jetzt eigentlich ihre Freizeit. Heute sind sie alarmiert, weil das Erzbistum Hamburg als Träger mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) über einen Verkauf der Anteile und eine schon zur Jahresmitte geplante Verlagerung des Klinikstandortes verhandelt.
Das würde nicht nur die Klinikleistungen aus der Innenstadt auf das UKSH-Gelände an der Südgrenze der Hansestadt verlagern. Die Gegner dieser Pläne sehen darin faktisch eine Schließung des Belegkrankenhauses am traditionellen Standort „Parade“ in der Innenstadt.
Protest zum Erhalt des Marien-Krankenhauses Lübeck
Am 21. Januar protestierten nach Polizeiangaben rund 850 Menschen in Lübeck für den Erhalt des Marien-Krankenhauses.
40 Belegärzte wären betroffen
HNO-Arzt Katzbach ist einer dieser Gegner. Er zählt formell nicht zur Belegschaft, ist aber direkt betroffen: Er ist einer der rund 40 niedergelassenen Belegärzte, die im Marien-Krankenhaus ihre Patienten operieren. Und einer von denen, die nur wenige Schritte entfernt im „Medizinischen Zentrum am Marien-Krankenhaus“ niedergelassen sind und damit einem von einer Kaufhauskette verlassenen Gebäude wieder Leben eingehaucht haben.
Auch sein Kollege Dr. Henning Frenzel betont dieses Konzept der praxisnahen Versorgung in der Innenstadt. „Wir schätzen das Angebot des UKSH, aber es steht konträr zur Innenstadt-Versorgung“, sagt er der Ärzte Zeitung. Er verweist darauf, dass die belegärztliche Versorgung bei Bundespolitikern gerade als Vorbild stärker in den Fokus gerät – was in Lübeck schon seit Jahrzehnten funktioniere und nun in Gefahr gerate.
Diskussion um Übernahme
Lübecker Belegärzte sehen sich vor „vollendete Tatsachen gestellt"
Die KV Kreisstelle unterstützt den Innenstadt-Standort
Mit ihnen sympathisieren auch andere, nicht im Marien-Krankenhaus operierende niedergelassene Ärzte. Dr. Andreas Bobrowski etwa. Der Laborarzt und Chef der KV-Kreisstelle und sein schon gewählter Nachfolger, Hausarzt Dr. Christian Butt aus Travemünde, marschieren mit den Menschen vom Krankenhaus bis zum Rathaus.
Auch sie haben erst vor wenigen Tagen aus der Presse erfahren, dass das Krankenhaus verlagert werden soll. „Wir werden alles dafür tun, damit dieses Krankenhaus bestehen bleibt“, sagt Bobrowski. Das Marien-Krankenhaus mit seinen zahlreichen Belegarzt-Praxen sei schließlich der „medizinische Hot-Spot der Innenstadt“. Butt macht skeptisch, dass bei einer Übertragung der Gesellschafteranteile die Stellung des UKSH immer stärker wird: „Besser ist es, wenn die Bevölkerung die Wahl zwischen mehreren Anbietern behält.“
Belegärzte, Butt und Bobrowski sind nur Einzelbeispiele für zahlreiche Menschen, die im Lübecker Gesundheitswesen arbeiten und am Samstag mitmarschieren. Insgesamt zählt die Polizei 850 Demonstrierende, die Veranstalter-Schätzung reicht bis 1500.
Anästhesist Michael Schneider, Ärztlicher Direktor des Marien-Krankenhauses, ist vor allem die Haltung der Menschen wichtig: „Wir wollen unbequem sein.“ Und er betont immer wieder, dass das Marien-Krankenhaus offen und arbeitsfähig ist und weiterhin jeden Patienten versorgt: „Wir sind hier und wir bleiben hier.“
Ärzte verschieben die Rente, damit es weitergeht
Offenbar wollen die Ärzte verhindern, dass weniger gut informierte Patienten sich schon jetzt nach Alternativen umschauen und damit die Probleme verschärfen. Gynäkologin Dr. Miriam Krohne steigt bei der Ankunft vor dem Rathaus auf eine Leiter und verdeutlicht deshalb über die Lautsprecher an die versammelte Menge: „Der Kreißsaal ist geöffnet! Wir behandeln weiter!“
Der an diesem Tag gezeigte Schulterschluss zwischen Patienten, Ärzten und Mitarbeitenden des Krankenhauses macht ihr Mut, dass es doch weitergehen könnte in der Innenstadt, an der „Parade“. Ein weiteres Zeichen: Mehrere gynäkologische Kollegen, die eigentlich in Rente gehen wollten, machen vorerst weiter. Probleme, Nachfolger zu finden, ist eines der Argumente für die Verlagerung.
Landtag beschäftigt sich mit dem Thema
Die Lübecker SPD-Landtagsabgeordnete Sophia Schiebe unterstützt die Protestler. Auch sie versichert, „alles“ dafür tun zu wollen, damit das Marien-Krankenhaus seinen Standort behält. Schiebe ruft dazu auf, die nächsten Sitzungen des Sozialausschusses im Landtag zu diesem Thema zu besuchen – die nächste schon am kommenden Mittwoch, 25. Januar in Kiel. „Zeigen Sie uns Politikern, dass es so nicht weitergeht“, ruft sie in die Menge.
Nach rund 90 Minuten geht die Kundgebung zu Ende. Katzbach ist überwältigt von der Resonanz und dem Zuspruch. Neben der Demo haben die Initiatoren in kürzester Zeit eine Petition mit mehr als 36.000 Unterschriften gestartet, eine Website geschaltet, tausende Flyer und Aufkleber erstellt und verteilt. Er und viele Mitstreiter sind an diesem Tag ein wenig optimistischer geworden, dass das Marien-Krankenhaus am Standort „Parade“ bestehen bleibt.