BioNTech oder Moderna als Booster?

Die Spahnsche Corona-Impfstoff-Rechnung

Die geplante Kontingentierung von Comirnaty® schlägt hohe Wellen in der Ärzteschaft und der Bevölkerung. Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn gibt den Ärzte-Versteher – und präsentiert eine Impfstoff-Rechnung.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versuchte auf einer Pressekonferenz am Montag Druck aus der Diskussion über die Deckelung der BioNTech-Lieferungen an Praxen zu nehmen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versuchte auf einer Pressekonferenz am Montag Druck aus der Diskussion über die Deckelung der BioNTech-Lieferungen an Praxen zu nehmen.

© Michael Kappeler/dpa

Berlin. Booster-Impfungen und Impfpflicht treiben Ärzte und Bürger um. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich am Montag zu beiden Themen geäußert. Wissenschaftler haben sich zudem für die Kreuzimpfung mit mRNA-Impfstoffen ausgesprochen. Die Vertragsärzte laufen gegen die geplante Begrenzung ihrer Bestellungen auf 30 Impfdosen Comirnaty® ab kommender Woche Sturm.

Er wisse sehr wohl, dass ein eventueller Austausch einer geplanten Impfung mit Comirnaty® von BioNTech gegen Spikevax® von Moderna „Stress in den Praxen“ bedeuten könne, sagte der Minister am Montag bei einem erst am Sonntagabend kurzfristig anberaumten Termin in der Bundespressekonferenz.

KVWL spricht von „unsinniger Last“

Von einer „eklatanten Fehleinschätzung“ sprach der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe am Montag. Eine „Bestellgrenze“ von rund 30 Impfstoffdosen in der Woche bedeute eine „weitere unsinnige Last auf den Schultern der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte“, sagte Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL.

Am Wochenende hatte sich unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit massiver Kritik an Spahns geplanter Deckelung zu Wort gemeldet. Der Impfstoff, mit dem die meisten Patienten grundimmunisiert worden seien, nämlich Comirnaty, werde kontingentiert, hatte der KBV-Vorstand geäußert. Zudem warnten die Kassenärzte davor, den entstehenden Beratungsbedarf zu unterschätzen.

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Spahn gibt den Ärzte-Versteher

„Ich verstehe den Ärger der Ärzte“, sagte Spahn. Ein Austausch greife in die Praxisabläufe ein. Zudem sei es an den Ärzten, ihre Patienten davon zu überzeugen, dass es mit Comirnaty® und Spikevax® zwei gleichwertige Impfstoffe gebe. Und davon gebe es bis Ende Dezember genug, betonte Spahn. Allein an diesem Montag würden sechs Millionen Dosen Comirnaty® auf den Weg in die Praxen und Impfzentren gebracht.

Zusammen mit den noch nicht verimpften Dosen aus zurückliegenden Lieferungen, ständen somit alleine in dieser Woche zwischen acht und neun Millionen Dosen dieses Impfstoffes zur Verfügung. „Das ist nicht in vier Tagen weg“, sagte der Minister in Richtung der Vertragsärzte.

Wissenschaftler plädieren für Kreuzimpfung

Abgesehen von den nach Schätzungen des Ministeriums noch vorhandenen Dosen könnten die Ärzte ab dem 29. November demnach bis Ende des Jahres mit gut 24 Millionen Dosen Comirnaty® rechnen. Dazu kämen rund 26 Millionen Dosen Spikevax®. Im Januar seien weitere Lieferungen avisiert. Zudem könne das Moderna-Produkt praktisch unbegrenzt ausgegeben werden.

Mitgebracht hatte Spahn den Präsidenten des Paul Ehrlich-Instituts Professor Klaus Cichutek und Professor Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe für Infektionsimmunologie und Impfstoff-Forschung der Berliner Charité. Cichutek bescheinigte beiden Impfstoffen eine „besonders hohe Wirksamkeit und wenig Nebenwirkungen“. Beide seien für Booster-Impfungen gut geeignet. Die Impflinge wiesen im Anschluss mehr Antikörper auf.

Es gebe einen „herausragenden Nutzen“ der dritten Impfung, betonte Sander. „Ein Drei-Dosis-Impfschema wird damit wahrscheinlich“, sagte der Berliner Wissenschaftler. Dafür sei es „eigentlich egal“, welcher mRNA-Impfstoff für das Boostern letztendlich gewählt werde. Bei der Grippeimpfung frage auch keiner nach dem Hersteller des Impfstoffs.

Impfpflicht bleibt umstritten

Noch-Gesundheitsminister Spahn hat sich erneut gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Er stehe einem solchen Vorhaben „skeptisch“ gegenüber, sagte Spahn am Montag. Gleichwohl werde sein Ministerium ein Gesetz für die Impfpflicht von Beschäftigten in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen entwerfen, wenn eine parlamentarische Mehrheit von SPD, Grünen und FDP dies wünsche. „Am Ende dieses Winters wird wahrscheinlich jeder Bürger geimpft, genesen oder gestorben sein“, sagte Spahn.

Die sehr ansteckende Delta-Variante von SARS-CoV-2 bedeute, dass sich praktisch jeder ohne Impfschutz infizieren werde. Eine Impfpflicht werde die Welle nicht brechen, die nun durch Deutschland laufen werde. Das könne nur entschiedenes staatliches Handeln mit massiven Kontaktbeschränkungen.

Über eine Immunität über Infektion könne man nun wirklich nicht mehr diskutieren, hielt Leif Erik Sander dagegen. Er sprach sich für eine zumindest „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ aus. Laufen lassen belaste das Gesundheitssystem zu stark.

Pflegerat: Es braucht klare Gesetzgebung zur Impfpflicht

Der Deutsche Pflegerat (DPR) hat unterdessen dementiert, sich für die Kündigung ungeimpfter Mitarbeiter in Heimen auszusprechen. DPR-Präsidentin Christine Vogeler habe im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vielmehr gesagt, dass Einrichtungen gar keine andere Wahl hätten, als sich von diesen Mitarbeitenden zu trennen, wenn der Gesetzgeber fordere, dass nur Geimpfte und Genesene in Pflegeheimen arbeiten dürften.

In einer Mitteilung betont der DPR, dass das Impfen gegen das Coronavirus gesamtgesellschaftlich beantwortet werden müsse und nicht auf eine Berufsgruppe wie die Profession Pflege bezogen werden könne. Es bedürfe daher einer klaren, einheitlichen Gesetzgebung zur Impfpflicht.

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