Versorgung auf dem Land
Glawe: „Man kann der Videosprechstunde nicht entgehen“
Um die Versorgung im ländlichen Raum zu sichern, bieten digitale Anwendungen großes Potenzial, ist Harry Glawe (CDU) überzeugt. Der Landesgesundheitsminister findet, das Ärzte sich dem nicht verschließen dürfen.
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Nationaler Gesundheitskongress: Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) (l-r), Jeremy Issacharoff, Botschafter Israels, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), und Marek Zygmunt, Tagungspräsident. Bernd Wüstneck/dpa
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Rostock. Viel Fläche, weite Wege und Ärztemangel: Kein Bundesland scheint sich für Modellprojekte zur künftigen ländlichen Versorgung besser zu eignen als Mecklenburg-Vorpommern. Beim 16. Nationalen Gesundheitswirtschaftskongress herrschte zwischen Politikern und Gesundheitsökonomen Einigkeit, dass Modellprojekte im Nordosten richtig angesiedelt sind.
Landesgesundheitsminister Harry Glawe (CDU) ließ auch keinen Zweifel daran, dass in solchen Modellen digitale Anwendungen erprobt werden müssen. Nicht sicher ist der Minister allerdings, ob die Ärzteschaft auf breiter Front von solchen Anwendungen überzeugt werden kann.
„Mecklenburg-Vorpommern hat ideale Voraussetzungen zur Erprobung solcher Modelle“, warb Glawe beim Kongress für sein Bundesland – um gleich danach an zwei Entwicklungen zu erinnern, die sich als Seitenhiebe an die Ärzteschaft verstehen lassen.
Kammer hat lange gezögert
Glawe verwies zunächst auf das lange – und inzwischen entschiedene – Ringen um das sogenannte Fernbehandlungsverbot. Die Ärztekammer in Mecklenburg-Vorpommern hatte diese Frage sorgfältig diskutiert und die Möglichkeiten, die der Deutsche Ärztetag schon 2018 eingeräumt hatte, mit Änderung der Berufsordnung auf Landesebene später als viele andere Bundesländer eröffnet. Zwischenzeitlich hatte die Landesregierung damals –wie berichtet – sogar versucht, Druck auf die Kammer auszuüben.
Die Videosprechstunde, die mit Beginn der Pandemie einen Boom erlebt, scheint nach Glawes Geschmack in seinem Bundesland noch nicht so verbreitet zu sein, wie er sich dies wünscht. Ohne Zahlen zu nennen, gab Glawe zu verstehen, dass mehr Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern Videosprechstunden anbieten sollten. „Nicht alle Ärzte sind auf Videosprechstunden eingestellt“, sagte Glawe und mahnte zugleich, sich dieser Form der Patientenkommunikation nicht zu verschließen: „Man kann dem nicht entgehen.“
„Fahrplan für die Zukunft“ ohne Ärztebeteiligung
Als anschließend Politiker über die „Fahrpläne für die Zukunft der Gesundheitsversorgung“ diskutierten, waren keine Ärzte mit von der Partie. Die Politiker der Schweriner Landtagsparteien beschäftigten sich unter anderem mit Fragen der Finanzierung, ohne auf mögliche neue Modellprojekte einzugehen. Auswirkungen der gestiegenen Schulden auf das Gesundheitswesen befürchten aber Politiker unabhängig von der Parteizugehörigkeit.
SPD-Politiker Jörg Heydorn etwa sagte: „Irgendwie muss das Geld wieder zusammengesammelt werden.“ Gesundheitsökonom Professor Boris Augurzky erwartet, dass diese Frage kurzfristig auf die politische Agenda kommen wird: „Wir werden 2022 auch darüber reden müssen, wie wir das System effizienter machen“, sagte er beim Kongress. Das in der Pandemie geöffnete „Füllhorn“ werde so nicht weiter geöffnet bleiben, prophezeite Augurzky.
Torsten Koplin, Gesundheitspolitiker von den Linken, sieht dennoch Spielraum. „Was politisch gewollt ist, wird auch bezahlt“, ist er überzeugt. Was aus Sicht seiner Partei politisch gewollt ist, würde ein Umdenken bei allen Akteuren im Gesundheitssystem erfordern: „Eine völlige Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung in Clustern mit eigenen Budgets.“ Konkreter wurde es beim Kongress aus Zeitmangel nicht. Dies wird sich mit der Diskussion über die jetzt vorgelegten Vorschläge der Enquete-Kommission „Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern“ ändern.
Glawe zumindest ist überzeugt, dass sein Bundesland mit Modellprojekten wichtige Impulse für die künftige Versorgung setzen wird: „Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir wichtige Veränderungen im SGB V bewirken können.“ Als Beleg führe er das Modellprojekt zu Schwester Agnes an.