SARS-CoV-2

Heidelberger Chef-Pathologe fordert mehr Obduktionen von Geimpften

Um die Wirkung von Impfstoffen besser zu verstehen, müssten viel mehr Leichen obduziert werden, so der Heidelberger Chef-Pathologe Peter Schirmacher. Brisant: Er geht von einer beträchtlichen Dunkelziffer an Impftoten aus – erntet dafür aber deutlichen Widerspruch.

Von Nico Pointner Veröffentlicht:
Peter Schirmacher, Geschäftsführender Direktor des Pathologischen Instituts am Universitätsklinikum Heidelberg, im Eingangslabor der Pathologie.  Schirmacher fordert mehr Obduktionen von Menschen, die im Zusammenhang mit Corona-Impfungen gestorben sind.

Peter Schirmacher, Geschäftsführender Direktor des Pathologischen Instituts am Universitätsklinikum Heidelberg, im Eingangslabor der Pathologie. Schirmacher fordert mehr Obduktionen von Menschen, die im Zusammenhang mit Corona-Impfungen gestorben sind.

© Uli Deck / dpa / picture alliance

Stuttgart/Heidelberg. Der Chef-Pathologe der Uni Heidelberg, Peter Schirmacher, drängt zu viel mehr Obduktionen von Geimpften. Neben Corona-Toten müssten auch die Leichname von Menschen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung sterben, häufiger untersucht werden, sagte Schirmacher der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.

Der Direktor des Pathologischen Instituts in Heidelberg warnt gar vor einer hohen Dunkelziffer an Impftoten und beklagt: Von den meisten Patienten, die nach und möglicherweise an einer Impfung sterben, bekämen die Pathologen gar nichts mit. Allerdings widersprechen ihm in dem Punkt andere Wissenschaftler ebenso wie die Ständige Impfkommission (STIKO) und das Paul-Ehrlich-Institut.

Bislang über 200 Obduktionen durchgeführt

Seit einem Jahr werden an den Unikliniken im Südwesten Corona-Tote obduziert, um die Erkrankung besser zu verstehen. Das Land unterstützt die COVID-19-Obduktionsforschung der Universitätspathologien mit rund 1,8 Millionen Euro. Schirmacher leitet das Autopsie-Projekt. Die Erkenntnisse von bislang mehr als 200 Obduktionen hätten unter anderem zu einer besseren Behandlung und Beatmung von COVID-Erkrankten geführt, sagt er. „Die hier gewonnen Erkenntnisse helfen also dabei, Erkrankte nun besser und erfolgreicher behandeln zu können und Leben zu retten“, sagt auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Schirmacher, seit 2012 Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, hofft, dass die Förderung nächstes Jahr fortgesetzt wird.

Problem: Geimpfte sterben meist nicht unter klinischer Beobachtung

Der Mediziner will nun verstärkt seltenen, schweren Nebenwirkungen des Impfens – etwa Hirnvenenthrombosen oder Autoimmunerkrankungen – auf den Grund gehen. Das Problem aus seiner Sicht: Geimpfte sterben meist nicht unter klinischer Beobachtung. „Der leichenschauende Arzt stellt keinen Kontext mit der Impfung her und bescheinigt einen natürlichen Tod und der Patient wird beerdigt“, berichtet Schirmacher. „Oder er bescheinigt eine unklare Todesart und die Staatsanwaltschaft sieht kein Fremdverschulden und gibt die Leiche zur Bestattung frei.“

In Baden-Württemberg arbeiteten die Pathologen daher mit Staatsanwaltschaften, der Polizei und niedergelassenen Ärzten zusammen, berichtet Schirmacher. Mehr als 40 Menschen habe man bereits obduziert, die binnen zwei Wochen nach einer Impfung gestorben sind.

Schirmacher geht davon aus, dass 30 bis 40 Prozent davon an der Impfung gestorben sind. Die Häufigkeit tödlicher Impffolgen wird aus seiner Sicht unterschätzt – eine politisch brisante Aussage in Zeiten, in denen die Impfkampagne an Fahrt verliert, die Delta-Variante sich rasant ausbreitet und Einschränkungen von Nicht-Geimpften diskutiert werden.

PEI: Aussage nicht nachvollziehbar

Schirmacher erhält denn auch deutlichen Widerspruch von anderen Wissenschaftlern. Die Aussagen, man wisse derzeit zu wenig über Nebenwirkungen und die Gefahren des Impfens würden unterschätzt, seien nicht nachvollziehbar, teilte das Paul-Ehrlich-Institut mit. Insbesondere für schwerwiegende Reaktionen, zu denen auch gehört, wenn ein Mensch nach einer Impfung stirbt, bestehe eine Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz. „Ich kenne keine Daten, die hier eine begründbare Aussage zulassen und gehe nicht von einer Dunkelziffer auf“, sagte der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens.

Für die Annahme einer hohen Dunkelziffer von Impfkomplikationen oder gar Todesfällen bestehe kein Anlass, betonte auch der Immunologe Christian Bogdan von der Uniklinik Erlangen. „Auch kann von einer Vernachlässigung möglicher Gefahren von COVID-19-Impfstoffen nicht die Rede sein.“ Gerade die letzten Wochen und Monate hätten gezeigt, dass das Surveillance-System gut funktioniere. So sei in Deutschland sehr frühzeitig das seltene Auftreten von Hirnvenenthrombosen nach einer Impfung mit AstraZeneca (1-2 Fälle auf 100.000 Impfungen) als Komplikation erkannt worden, sagt Bogdan.

Er wolle keine Panik verbreiten und sei keinesfalls ein Impfgegner, sagt Schirmacher, der sich selbst nach eigenen Angaben gegen Corona impfen ließ. Die Impfung sei ein wesentlicher Bestandteil im Kampf gegen das Virus, stellt er klar. Aber man müsse die medizinischen Gründe für eine Impfung individuell abwägen.

Pathologen-Verband: Hausärzte sensibilisieren

Auch der Bundesverband Deutscher Pathologen dringt auf mehr Obduktionen von Geimpften. Nur so könnten Zusammenhänge zwischen Todesfällen und Impfungen ausgeschlossen oder nachgewiesen werden, sagt Johannes Friemann, der Leiter der Arbeitsgruppe Obduktion in dem Verband. Allerdings wird aus seiner Sicht noch zu wenig obduziert, um von einer Dunkelziffer zu sprechen. „Man weiß noch gar nichts.“ Hausärzte und Gesundheitsämter müssten sensibilisiert werden. Die Länder müssten die Gesundheitsämter anweisen, vor Ort Obduktionen anzuordnen. Das hatte der Pathologen-Bundesverband bereits im März in einem Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert. Er blieb unbeantwortet, sagt Friemann. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Aufarbeitung

Sachsen setzt Enquete-Kommission zu Corona ein

Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025