Modellprojekt der AOK
In Schleswig-Holstein können bald Apotheker gegen Grippe impfen
Im Rahmen eines Modellprojektes dürfen mehr als 150 Apotheker Influenza-Impfstoff verabreichen. Kritik kommt von den Ärzten.
Veröffentlicht:Kiel. Mehr als 150 Apotheken in Schleswig-Holstein können ab der nächsten Grippesaison in einem Modellprojekt AOK-Versicherte gegen Grippe impfen. Die Modellregion wurde dabei so zugeschnitten, dass mehr als die Hälfte der 2,9 Millionen Einwohner eine Apotheke in ihrem Einzugsgebiet hätten.
Die Apotheker erhalten als Vergütung für die Dienstleistung der Impfung nach Auskunft des pharmazeutischen Großhändlers Gehe Pharma Handel 12,61 Euro, inklusive Zuschlag für das Modellprojekt. Gehe ist Vertragspartner der AOK.
Ziel ist es laut einer gemeinsamen Mitteilung von AOK Nordwest und Gehe, die Impfquote im Norden zu erhöhen. Laut STIKO seien derzeit nur 35 Prozent der über 60-Jährigen bundesweit gegen Influenza geimpft. Zuletzt hatte es, wie berichtet, aus mehreren Regionen Mitteilungen über noch zur Verfügung stehenden Impfstoff sowie Appelle, das Impfangebot wahrzunehmen, gegeben.
Besserer Schutz der Versicherten
Pharma-Großhändler Gehe sieht mit dem Projekt im Norden die Bedeutung der Apotheken vor Ort gestärkt. Die AOK hofft auf einen besseren Schutz ihrer rund 700.000 Versicherten im Norden. „Damit bieten wir als erste gesetzliche Krankenkasse in Schleswig-Holstein unseren Versicherten eine zusätzliche Möglichkeit, sich gegen Influenza impfen zu lassen“, sagte der AOK-Vorstandsvorsitzende Tom Ackermann.
Zur Modellregion zählen neben den größten Städten Kiel, Lübeck, und Flensburg auch Schleswig, Rendsburg und Eckernförde sowie die großen Flächenkreise Dithmarschen, Nordfriesland, Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde, Plön und Ostholstein. Diese Regionen haben gemeinsam mehr als 1,6 Millionen Einwohner.
Ärzte sehen keinen Bedarf
Kritisch bewerten ärztliche Institutionen im Norden das Modellvorhaben. Schleswig-Holsteins Ärztekammer-Präsident Professor Henrik Herrmann sieht „keinen Bedarf“ für Impfungen in den Apotheken, weil es keinen Engpass gebe. „Wir haben ausreichend ärztliche Kapazitäten insbesondere in den Praxen und über die Betriebsärzte“, sagte Herrmann der „Ärzte Zeitung“. Wichtiger, als neue Berufsgruppen für das Impfen zu schulen, sei es, über die Bedeutung des Impfens aufzuklären, so Herrmann.
KV-Chefin Dr. Monika Schliffke bezeichnete Impfungen als „originär ärztliche Aufgabe“. Sie verwies darauf, dass auch die Impfanamnese, der Ausschluss von akuten Erkrankungen und Kontraindikationen zur Impfung zählten. Ausschließlich die Durchführung einer Impfung sei – bei erreichbarer Nähe eines Arztes – delegierbar.
Schliffke warnt
„Schwerwiegende Komplikationen, die beispielsweise im Falle eines allergischen Schocks auftreten könnten, sind auch bei Grippeimpfungen nicht ausgeschlossen und bedürfen sofortiger ärztlicher Notfallmaßnahmen. All dies setzt eine entsprechende ärztliche Aus- und Weiterbildung voraus. Das hohe Qualitätsniveau bei Impfungen darf nicht auf Kosten des Patientenwohls gefährdet werden“, warnte Schliffke.
Gesetzlich möglich ist das Impfen in Apotheken durch das zum 1. März 2020 in Kraft getretene Masernschutzgesetz. Das Modellvorhaben im Norden soll sich über drei vollständige Grippesaisons erstrecken. Damit die Impfungen starten können, laufen derzeit die logistischen Vorbereitungen. Dazu gehören die Qualifizierung und die Beitrittserklärungen der Apotheker. Die Schulungen sollen ab Frühsommer stattfinden.