Mecklenburg-Vorpommern
In der Enquete-Kommission knirscht es gewaltig
Vom Tiger zum Bettvorleger? Eine Enquete-Kommission soll sich mit der Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern befassen. Einige haben aber wohl besonders die Zukunft ihrer eigenen Klientel im Blick.
Veröffentlicht:Schwerin. Die vom Schweriner Landtag eingesetzte Enquete-Kommission „Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern“ soll in einem halben Jahr Ergebnisse vorlegen. Zur Halbzeit zeigt sich, wie groß diese Herausforderung ist. „Ich begreife das nicht. Das bremst“, sagt ein Mitglied der Enquete Kommission, das nicht genannt werden möchte, über das Verhalten mancher Teilnehmer in diesem Gremium. Es erlebt in der Kommission, wie Mitglieder der Selbstverwaltung an ihren seit Jahrzehnten bekannten Positionen und ihren Pfründen festhalten, aber bei der Suche nach übergreifenden Lösungen nicht vorankommen.
Dabei drängt die Zeit: Am 26. Mai 2021 um 12 Uhr erwartet der Landtag Mecklenburg-Vorpommern den Bericht der Enquete-Kommission unter Vorsitz des SPD-Abgeordneten Jörg Heydorn.
Gegenläufige Interessenlage
Der Zeitplan ist eng, die Fragestellungen komplex und die Interessen der Mitglieder zum Teil gegenläufig. Neben Politikern aus den vier Landtagsfraktionen SPD, CDU, Linke und AfD sind Vertreter aus dem Gesundheitswesen dabei – unter anderem aus dem ambulanten und stationären Sektor und von Krankenkassen. Schon die Zusammensetzung lässt erwarten, dass die Sitzungen nicht immer schiedlich friedlich ablaufen. Dies bestätigen die Schreiben einzelner Mitglieder an den Vorsitzenden mit Beschwerden über das Vokabular in Äußerungen anderer Mitglieder, aber auch eine aktuelle Pressemitteilung von Ärztekammer und KV.
Die ärztlichen Organisationen wählten diesen Weg, um die Öffentlichkeit über einen Beschluss der Kommission aufzuklären, der gegen die Empfehlung der beiden Körperschaften getroffen wurde. Die Kommission empfiehlt darin, den Krankenhäusern im Nordosten rund 18 Millionen Euro für die Förderung von IT-Systemen bereitzustellen. Diese Förderung soll unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der einzelnen Häuser erfolgen. Kammer und KV stört, dass damit auch die Kliniken privater Träger Zugriff auf die Landesmittel erhalten.
Erbitterter Streit über IT-Förderung für private Klinikträger
Rund 60 Prozent der 37 Krankenhäuser im Land gehören privaten Trägern wie Helios, Asklepios, Ameos und Sana. Diese wiederum befinden sich zum Teil unter dem Dach global agierender Konzerne, die Gewinne erwirtschaften und Dividenden an Aktionäre ausschütten. Die ärztlichen Körperschaften sehen damit Geld, das sie besser in konkreten Projekten zur medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen angelegt sehen möchten, in eine falsche Richtung gelenkt. Das Geld, das jetzt vom Land kommt, könnten diese Konzerne nach Ansicht von Kammer und KV aus eigenen Mitteln investieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass es zwischen den Mitgliedern der Kommission knirscht. Insbesondere KV und Krankenhausgesellschaft vertreten unterschiedliche Auffassungen. Deren öffentliche Korrespondenz dreht sich mal um die Frage, ob nun gestuft nach Sektoren oder übergreifend beraten wird und wenn gestuft, ob erst der stationäre oder der ambulante Bereich Gegenstand der Beratungen sein soll. Ein anderes Mal setzt es Beschwerden der Krankenhausgesellschaft über die Wortwahl „blutige Entlassungen“ durch die KV – offensichtlich ist die sektorenübergreifende Versorgung eines der Themen, bei denen man am schwersten zueinander findet.
Barmer-Chef gibt Hoffnung auf konstruktive Lösungen nicht auf
Besteht überhaupt noch Hoffnung, dass die Kommission unter solchen Vorzeichen zu substanziellen Ergebnissen kommt? Henning Kutzbach, Leiter der Barmer Landesvertretung und ebenfalls Mitglied der Kommission, bleibt optimistisch. Seine Kasse hatte die Einsetzung der Enquete-Kommission angeregt. „Der Druck ist so groß, dass wir Lösungen finden müssen und werden“, glaubt Kutzbach.
Insbesondere der Mangel an Ärzten und weiteren Fachkräften, die Qualität der medizinischen Versorgung und die nicht immer funktionierende Zusammenarbeit zwischen den Sektoren betrachtet Kutzbach als wichtige Defizite in seinem Bundesland. „Wir müssen die Gesundheitsversorgung so organisieren, dass Erreichbarkeit und Qualität gewährleistet werden“, steht für ihn fest. Trotz aller Probleme und der gegenseitigen Vorwürfe hat er aus der bisherigen Arbeit schon „erste Ansätze“ mitgenommen.