COVID-19-Splitter der KW 47

Infektiösität: Entscheidend sind wohl die ersten fünf Tage

Wann sind SARS-CoV-2-Infizierte besonders ansteckend? Und wie lange sollten sie in Quarantäne? Mit diesen Fragen hat sich eine Metaanalyse beschäftigt.

Anne BäurleVon Anne Bäurle und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel und Marco MrusekMarco Mrusek und Denis NößlerDenis Nößler Veröffentlicht:
Schulschließungen Ja oder Nein? Auch in Deutschland wird darüber in dieser Woche erneut diskutiert.

Ansteckungsgefahr? SARS-CoV-2 ist einer Metaanalyse zufolge im Mittel 17 Tagen in den oberen Atemwegen nachweisbar.

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Update vom 20. November

SARS-CoV-2 vermehrt sich im Gegensatz zu SARS-CoV-1 und MERS deutlich schneller im Rachenraum und erreicht dort wohl schon in der ersten fünf Tagen nach Symptombeginn die höchste Viruslast, so das Ergebnis einer Metaanalyse. Zum Vergleich: SARS-CoV-1 erreicht demnach die höchste Viruslast in den oberen Atemwegen nach 10-14 Tagen, MERS nach 7-10 Tagen. Dies könnte ein Grund für die rasche Ausbreitung des neuen Coronavirus sein, vermutet ein Team um Dr. Muge Cevik von der University of St. Andrews. SARS-CoV-2 sei zudem über einen langen Zeitraum von im Mittel 17 Tagen in den oberen Atemwegen nachweisbar, in einem Fall sogar bis zu 83 Tage nach Symptombeginn. Allerdings bedeutet das nicht, dass das Virus auch infektiös ist: Wie die Forscher schreiben, sei in keiner Untersuchung über einen Zeitraum von neun Tagen hinaus infektiöses Virus nachgewiesen worden – und das trotz hoher Virustiter. Viele Länder empfehlen derzeit, dass sich Infizierte zehn Tage lang in Quarantäne begeben sollten, was nach Ansicht von Cevik und seinen Kollegen mit ihren Ergebnissen übereinstimmt und den Zeitraum der Infektiosität voraussichtlich abdeckt. Allerdings legten die Ergebnisse auch nahe, dass wiederholte PCR-Tests zum Nachweis einer nicht mehr bestehenden Infektiösität nicht unbedingt sinnvoll seien (Lancet Microbe 2020; online 19. November).

Update vom 19. November

Positive Phase-II-Daten gibt es nun auch vom vektorbasierten Impfstoffkandidaten ChAdOx1 nCoV-19, der von der Universität Oxford entwickelt wurde. Die Vakzine ist bisher an 560 Probanden getestet worden, darunter auch 240 Personen über 70 Jahre, also an einer besonders vulnerablen Risikogruppe. Die Vakzine sei von älteren Studienteilnehmern besser vertragen worden als jüngeren, insgesamt aber sicher, berichten die Forscher. Die unerwünschten Wirkungen waren demnach mild. Auch sei nach zweimaliger Impfung eine ähnliche B- und T-Zellantwort in allen Altersgruppen (18-55 Jahre, 56-69 Jahre sowie über 70 Jahre) erreicht worden. Erste Antikörper konnten dabei bereits 14 Tage nach der ersten Impfung detektiert werden, schreibt das Team um Dr. Maheshi Ramasamy. Der Impfstoff basiert auf einem abgeschwächten Adenovirus aus Schimpansen (ChAd), das die Information für das vollständige Spike-Protein von SARS-CoV-2 enthält. Der gleiche adenovirale Vektor wird auch in Impfstoffen gegen MERS verwendet und hat sich hier ebenfalls als sicher erwiesen Lancet 2020; online 18. November

Acht Monate nach überstandener COVID-19 haben Rekonvaleszenten immer noch genug Abwehrzellen, um eine erneute SARS-CoV-2-Infektion abzuwehren. Das berichten Forscher vom La Jolla Institute of Immunology in Kalifornien in einem Preprint-Paper. Die von ihnen beobachtete sehr langsame Abnahme solcher Immunzellen im Blut legt zudem nahe, dass diese für sehr lange Zeit im Körper persistieren könnten. Für die Studie wurden Blutproben von 185 Rekonvaleszenten im Alter von 19 bis 81 analysiert. Die meisten hatten milde Symptome gehabt. Im Fokus standen 38 Probanden mit mehreren Proben über viele Monate. Daraus isoliert wurden außer spezifischen Antikörpern auch B-Zellen (Gedächtniszellen) sowie CD4+- und CD8+-T-Zellen. Ergebnis: Die Antikörpertiter nahmen nach sechs bis acht Monaten in moderatem Maße ab. Die T-Zell-Titer gingen nur langsam zurück, die B-Zellen nahmen sogar zu. „Wir wissen nicht, ob wir uns über Reinfektionen Sorgen machen müssen. Belege einer solchen dauerhaften und robusten Immunreaktion sind aber ermutigend“, kommentiert der Virologe Dr. Jeffrey Shaman von der Columbia University in der „New York Times“ die Befunde (bioRxiv 2020; online 16. November).

Update vom 18. November

Der chinesische Totimpfstoffkandidat „CoronaVac“ ist Phase 1/2-Studiendaten zufolge sicher und immunogen – wenn auch nicht in dem Maße wie eine natürliche Infektion. Die Vakzine wurde an über 700 Probanden zwischen 18 und 59 Jahren geprüft. Der primäre Sicherheitsendpunkt war das Auftreten schwerer unerwünschter Wirkungen bis zu Tag 28 nach Impfung. Die Inzidenz an Nebenwirkungen war in den Gruppen mit niedrig- oder hochdosierter Impfung (3 beziehungsweise 6 μg) ähnlich, was darauf hindeuten könnte, dass keine dosisbezogenen Sicherheitsbedenken bestehen. Die meisten unerwünschten Wirkungen waren mild und verschwanden innerhalb von 48 Stunden, am häufigsten berichteten die Teilnehmer von Schmerzen an der Injektionsstelle. Nur bei einem Probanden traten eine akute Hypersensitivität und Urtikaria auf, der Teilnehmer hatte die höhere Impfdosis erhalten. Der primäre Immunogenitätsendpunkt war die Serokonversion, dieser wurde sowohl mit der geringeren, 3 μg-Dosis als auch der 6 μg-Dosis erreicht. Allerdings scheint der Impfstoff keine so hohe Immunantwort zu induzieren wie eine SARS-CoV-2-Infektion: Bei Rekonvaleszenten lagen die Antikörpertiter deutlich höher, berichtet das Team um Yanjun Zhang vom Zhejiang Provincial Center for Disease Control and Prevention in Hangzhou. Dennoch seien sowohl beim Impfschema 0-14 als auch beim Impfschema 0-28 relativ schnell Antikörper gebildet worden. Das Impfschema 0-14 könnte sich daher auch als Notfallbehandlung eignen (Lancet Inf Dis 2020; online 17. November).

Die Empfehlung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Inzidenz von SARS-CoV-2-Infektionen, so das Ergebnis einer randomisiert kontrollierten Studie aus Dänemark. Die Autoren betonen allerdings, dies sei wegen mehrerer Limitierungen auch zu erwarten gewesen. So sei die Inzidenz im Studienzeitraum generell niedrig gewesen, zudem hätten die Probanden eine unterschiedliche Adhärenz gezeigt. Der Hälfte der rund 6000 Studienteilnehmer war empfohlen worden, während der drei Stunden, die sie täglich mindestens im Freien verbrachten, eine Maske zu tragen, der anderen Hälfte nicht. Nach einem Monat wurden sie nach einem positiven Antikörper- oder PCR-Test oder einer klinischen COVID-19-Diagnose befragt. Nur etwa 4800 nahmen bis zum Ende an der Studie teil. Die Inzidenz lag nach vier Wochen in der Gruppe, denen das Tragen einer Maske empfohlen worden war, bei 1,8 Prozent. In der Kontrollgruppe lag sie bei 2,1 Prozent – kein signifikanter Unterschied. Die Untersuchung verdeutlicht allerdings eindrücklich, von wie vielen, sehr variablen Faktoren Studien zur Wirkung von nicht-pharmazeutischen Interventionen (NPI) bei der Pandemiebekämpfung abhängen (Ann Intern Med, online 18. November).

Update vom 17. November

SARS-CoV-2 kann einer kleinen Studie zufolge auch die Muskelfasern des Zwerchfells infizieren und hier eine für COVID-19 typische und schwere Fibrosierung auslösen. Für ihre Studie hatten sich Wissenschaftler das Diaphragma von 26 COVID-19-Gestorbenen genauer angesehen und mit denen von acht gestorbenen Intensivpatienten verglichen, die nachweislich nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren, aber ebenfalls mechanisch beatmet werden mussten. 92,3 Prozent der COVID-19-Patienten mussten beatmet werden, im Mittel über zwölf Tage. Auch die Vergleichsgruppe war über einen ähnlich langen Zeitraum hospitalisiert und beatmet worden. Das Team um Dr. Zhonghua Shi vom Uniklinikum Amsterdam konnte bei vier COVID-19-Patienten (15,4 Prozent) RNA des neuen Coronavirus im Diaphragma detektieren. Bei diesen Patienten hatte die Infektion offenbar zu einer Veränderung der zellulären Abläufe geführt, so waren Signalwege angeschaltet, die zu einer Fibrosierung führen. Dementsprechend war das Epimysium und Perimysium der Muskelfaserzellen des Zwerchfells doppelt so stark fibrosiert wie das Zwerchfell von Patienten der Kontrollgruppe (JAMA Intern Med, online 16. November).

Mit den Folgen der Corona-Pandemie auf junge Erwachsene zwischen 18 und 35 haben sich US-Forscher beschäftigt. Demnach berichteten 80 Prozent von rund 1000 anonym Befragten über depressive Symptome, 61 Prozent von moderaten bis schweren Angstzuständen. Die Studie zeigt dabei auch, dass dies mit Konsum von Alkohol und Drogen assoziiert ist: 80 Prozent gaben an, Alkohol zu trinken, 30 Prozent davon sogar in bedenklichen Mengen. Auch „Binge Drinking“ gaben relativ viele der jungen Erwachsenen an, fast jeder Zweite hatte sich im Monat vor der Befragung wenigstens einmal derart betrunken. 22 Prozent der Teilnehmer nahmen Drogen, jeder Dritte berichtete dabei sogar von schwerem Drogenkonsum. Dies könne über die Pandemie hinausdauernde Folgen für eine ganze künftige Generation haben, warnen die Forscher der Universität Miami und raten dringend zu Präventions- und Interventionsmaßnahmen (J Psychoactive Drugs, online 28. Oktober).

Update vom 16. November

Schulschließungen in den USA könnten 5,53 Millionen Lebensjahre gekostet haben. Ergebnisse einer entsprechenden Modellrechnung von US-Wissenschaftlern basieren auf der Annahme, dass durch die verlorenen Unterrichtsstunden ein geringerer Bildungsstand zu erwarten ist, der wiederum mit einer geringeren Lebenserwartung der Schüler zusammenhängen könnte. In den USA waren 24,2 Millionen Kinder zwischen fünf und elf Jahren von den ersten Schulschließungen betroffen, berichten die Forscher um Dr. Dimitri Christakis von der University of Washington in Seattle. Im Mittel sei der Schulunterricht für 54 Tage ausgefallen. Bei jedem Schüler soll sich die Lebenserwartung dadurch um 0,31 Lebensjahre verringert haben, bei jeder Schülerin um 0,21 Jahre. Zum Vergleich: Laut US-Seuchenbehörde CDC gab es bis Ende Mai in den USA 88.241 COVID-19-Tote. Den dadurch erlittenen Verlust an Lebensjahren beziffern die Wissenschaftler auf 1,5 Millionen Lebensjahre. Mögliche kompensatorische Effekte, etwa ein Nachholen des Unterrichts, beinhaltet das Modell von Christakis et al. nicht (JAMA Netw Open 2020; online 12. November).

Mehr als jeder zweite COVID-19-Patient leidet einer kleinen Studie zufolge nach Genesung an Fatigue. 128 Erkrankte befragte das irische Team um Dr. Liam Townsend zehn Wochen nach ihrer Genesung mittels Chalder Fatigue Scale (CFQ-11). Die Hälfte von ihnen war zuvor hospitalisiert worden, darunter auch Patienten, die eine mechanische Beatmung benötigten und auf einer Intensivstation versorgt wurden. 52,3 Prozent der 128 COVID-19-Patienten berichteten nach ihrer Genesung von Fatigue – und zwar unabhängig von der Schwere der Erkrankung. Fast jeder Dritte konnte noch nicht wieder arbeiten. Das Auftreten des Symptoms war zudem nicht mit der Konzentration inflammatorischer Marker im Blut der Patienten assoziiert. Etwas häufiger betroffen waren Frauen und Menschen, die bereits zuvor unter Depressionen und/oder Angstzuständen gelitten hatten (PLoS One 2020; online 9. November).

Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier.

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