Landeskabinett vertagt offenbar Beratung

Wann wagt Baden-Württemberg neuen Versuch für die Pflegekammer 2.0?

Der Neustart für die Gründung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg verzögert sich. Der Landespflegerat sieht im angekündigten Gesetzentwurf hohe Hürden angelegt.

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Eine Teilnehmerin wirbt auf einer Demonstration in Berlin im Mai 2018 für bessere Arbeitsbedingungen und für Pflegekammern.

Eine Teilnehmerin wirbt auf einer Demonstration in Berlin im Mai 2018 für bessere Arbeitsbedingungen und für Pflegekammern.

© Gregor Fischer/picture alliance

Stuttgart. Der Landespflegerat (LPR) Baden-Württemberg wartet mit Spannung auf den Gesetzentwurf, mit dem ein Neuanlauf für die Etablierung einer Pflegekammer gewagt werden soll.

Die Beratung des eigentlich für diese Woche angekündigten Entwurfs im Landeskabinett ist offenbar nochmals verschoben worden, hieß es am Montagabend bei einem Pressegespräch des LPR. Wann das Kabinett die Vorlage nun auf den Tisch bekommen soll, hat das Sozialministerium bis Dienstagmittag auf Anfrage der Ärzte Zeitung nicht mitgeteilt.

Unklar ist, ob damit der „sportliche Zeitplan“ ins Wanken geraten könnte, sagte die stellvertretende LPR-Vorsitzende Barbara Driescher. Nach derzeitigem Stand sei die Lesung des Gesetzes im Landtag ab Januar 2023 vorgesehen. Bereits im Juni könnte der Gründungsausschuss für die spätere Pflegekammer seine Arbeit aufnehmen.

Doch die Hürden für die eigentliche Kammergründung sind nach Angaben der LPR-Vorsitzenden Susanne Scheck sehr hochgelegt. So müssten sich 60 Prozent der registrieren Pflegekräfte für diesen Schritt aussprechen, heißt es mutmaßlich im Gesetzentwurf, der noch nicht veröffentlicht ist.

„Das kam überraschend“, sagt Scheck. Der Landespflegerat habe eigentlich mit einem nötigen Quorum von 51 Prozent gerechnet. Hinzu komme, dass diese Vorgabe in nur 18 Monaten erreicht werden müsse.

In NRW entsteht die zweite Pflegekammer bundesweit

Dies gilt wegen der aufwändigen Vorbereitungen als sehr ambitioniert, machte Scheck klar. Bei dem vergleichbaren Gründungsprozess in Nordrhein-Westfalen sei erst nach zwei Jahren eine Zustimmung von 50 Prozent erreicht worden. Dort sollen im Oktober die registrierten Pflegekräfte ihr erstes Kammerparlament wählen. Das wäre nach Rheinland-Pfalz aktuell die zweite Landespflegekammer.

Erfahrungen aus anderen Bundesländern legten nahe, dass allein die Vorbereitungen wie etwa das Aufsetzen einer Software für den Registrierungsprozess drei bis vier Monate in Anspruch nehmen können. Auch die Mobilisierung der Pflegekräfte für das Thema gilt als Kärrnerarbeit. So seien in Nordrhein-Westfalen die Beschäftigten insgesamt vier Mal angeschrieben worden. „Die Pflege ist apolitisch. Die Pflegenden sind mit anderen Dingen beschäftigt“, sagte Scheck zur Begründung.

Das hohe Quorum verdanke sich der grün-schwarzen Koalitionsarithmetik im Südwesten, hieß es beim Pressegespräch. Die 60-Prozent-Marke sei ein Zugeständnis der Grünen an die Union gewesen, da die CDU ursprünglich der Kammergründung eine erneute Befragung der Pflegebeschäftigten vorschalten wollte. Das habe nun verhindert werden können, erläuterte Scheck.

„Jetzt ist Mut von Politikern gefragt“

Sorgen macht dem LPR, dass die Kammergründung auf Basis eines einfachen Gesetzes erfolgen soll. Ein Gesetz, so fürchtet der stellvertretende LPR-Vorsitzende Oliver Hommel, das im Falle großer Probleme bei der Kammergründung notfalls auch wieder von der Koalition gekippt werden könnte.

Beim ersten – gescheiterten – Anlauf hatte Grün-Schwarz dagegen eine Änderung des Heilberufegesetzes vorgesehen. Ein komplexeres Vorhaben, bei dem auch alle anderen Heilberufe zuvor angehört werden mussten, aber eben nach Ansicht des LPR auch ein geeigneterer Ort, um die Kammer gesetzlich zu verankern.

Beim ersten Anlauf, der schließlich vom Sozialministerium abgeblasen wurde, seien die Pflegeverbände vom Widerstand gegen die Kammergründung etwas blauäugig überrascht worden, lässt Barbara Driescher erkennen: „Wir wurden zu spät informiert, dass die Hütte brennt.“ Auch beim zweiten Versuch hätten Pflegeverbände erst heftigen Druck auf die Landesregierung ausüben müssen, um das Vorhaben zu reaktivieren – obwohl das Ziel einer Kammer im grün-schwarzen Koalitionsvertrag verankert ist.

Jetzt sei der „Mut von Politikern“ gefragt, für das Vorhaben Flagge zu zeigen – auch angesichts des zu erwartenden Widerstands. „Die Zeit ist reif“, so LPR-Vorsitzende Scheck. (fst)

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