Hamburg
Politiker und Ärzte im Norden auf einheitlicher Corona-Linie
In der Hansestadt sind sich der Erste Bürgermeister und führende Mediziner und Wissenschaftler einig: Die Coronaregeln sollen geschärft werden, ohne sie zu verschärfen.
Veröffentlicht:Hamburg. Keine Signale von Wissenschaft und Politik in Hamburg für eine schnelle Lockerung der Pandemie-Maßnahmen: Zwischen Hamburgs Erstem Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und führenden Wissenschaftlern besteht Konsens, dass die für November beschlossenen Maßnahmen nicht nur sinnvoll waren, sondern diese vorerst auch in Kraft bleiben sollten.
„Wir sind noch nicht auf sicherem Terrain“, sagte Tschentscher nach dem Gespräch mit den Wissenschaftlern. An der hochkarätigen Runde im Hamburger Rathaus hatten Virologe Professor Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut, Intensivmediziner Professor Stefan Kluge (UKE), Infektionsmedizinerin Professor Marylyn Addo (UKE), Allgemeinmediziner Professor Martin Scherer (UKE) und Dr. Pedram Emami, Präsident der Hamburger Ärztekammer, persönlich teilgenommen.
Zugeschaltet war außerdem Epidemiologe Professor Gérard Krause vom Helmholtz-Institut. Anschließend machten die Teilnehmer übereinstimmend deutlich, dass sie die von den Ministerpräsidenten der Länder abgestimmten bundesweiten Maßnahmen für richtig halten, damit die Infektionszahlen gesenkt werden können. Tschentscher dazu: „Da gibt es keine zwei Meinungen.“
Risikogruppen schützen, ohne sie zu isolieren
Wann diese Maßnahmen angepasst werden sollten, scheint weiterhin offen zu sein. Klar ist nur: Es wird schon darüber diskutiert, wie man unter dem Motto „schärfen, ohne zu verschärfen“ das Pandemiegeschehen gezielter bekämpfen kann. Wie dies gelingen kann, wurde noch nicht verraten. Hier geht es unter anderem um die Frage, wie etwa ältere und chronisch kranke Menschen wirksam geschützt werden können, ohne dass sie isoliert werden müssen.
Zu den im Rathaus besprochenen Themen zählte neben dem Management der Testungen und der im kommenden Jahr anstehenden Impfungen auch die derzeitige Versorgungssituation.
Lösungsvorschläge für Praxen
Zur ambulanten Situation: Scherer benannte drei zentrale Herausforderungen für die allgemeinmedizinischen Praxen:
Erstens: Verhindern, dass infizierte Menschen in die Praxen kommen, wo diese andere Patienten und Personal anstecken könnten.
Zweitens: Die richtige Auswahl an Patienten treffen, die ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Hier ist zu berücksichtigen, dass verschiebbare Behandlungen zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden können. Außerdem sollten nur solche COVID-19-Patienten eingewiesen werden, die ambulant nicht mehr betreut werden können.
Drittens: Das Bewusstsein unter den Patienten schaffen, dass sie mit ihren Erkrankungen weiterhin in die Praxen kommen können und so nicht Gefahr laufen, etwas zu verschleppen.
Diese Sorge betrifft auch den stationären Sektor, wie Kluge deutlich machte. Deshalb betonte er ausdrücklich: „Das Krankenhaus ist ein sicherer Ort.“ Es bestehe kein Grund, Klinikbehandlungen aus Angst vor einer Ansteckung abzulehnen – einen ähnlichen Appell gab es wie berichtet erst vor wenigen Tagen von den Hamburger Asklepios Kliniken.
Kluge versicherte auch, dass Hamburg gut mit Intensivbetten und Beatmungsplätzen ausgestattet sei. Dem Engpass Personal begegnen die Häuser mit Versetzungen von Mitarbeitern aus anderen Bereichen. Er ließ aber durchblicken, dass das Problem drückt. Hinzu kommt die starke anhaltende Belastung: „Wir sind alles etwas müde.“
Durchhalteparolen vom Bürgermeister
Dennoch gab es überwiegend optimistische Töne aus der Runde. Emami zeigte sich froh, dass die Politik den Sachverstand aus Medizin und Wissenschaft in ihre Entscheidungen einbezieht. Der Kammerpräsident verwies wie Tschentscher und Schmidt-Chanasit auf das mehrheitlich umsichtige Verhalten der Hamburger Bevölkerung, von dem auch der weitere Verlauf der Pandemie weitgehend abhänge. „Wenn die Menschen nicht mehrheitlich an einem Strang ziehen, wäre ein guter Verlauf nicht möglich“, sagte Emami.
Tschentschers Appell an die Bevölkerung klang wie eine Durchhalteparole: „Wir werden der Pandemie standhalten und Licht am Ende des Tunnels sehen.“ Wann, ist für ihn derzeit nicht zu beantworten. Konkreter wurde er bei der Frage nach einer Wiederholung der Runde. Hierzu sagte er: „Das wäre hilfreich.“