Weltumsegelung

Befreiung von MS auf hoher See

Patienten mit Multipler Sklerose vertrauen oftmals nicht auf ihre eigenen Kräfte. Der Arzt und passionierte Segler Mikkel Anthonisen aus Dänemark will das ändern - und nimmt Betroffene mit auf eine Weltumseglung auf der "Oceans of Hope".

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Das dänische Segel-Schiff "Oceans of Hope" nimmt von Kopenhagen aus Kurs auf die Weltmeere.

Das dänische Segel-Schiff "Oceans of Hope" nimmt von Kopenhagen aus Kurs auf die Weltmeere.

© onEdition

KIEL. Kieler Woche 2014: 3,5 Millionen Menschen staunen über Prachtsegler wie die Gorch Fock und die Krusenstern und bewundern eine Windjammerparade, der Hunderte von Seglern auf der Kieler Förde hinaus auf die Ostsee folgen. Mitten unter ihnen die "Oceans of Hope".

In Kopenhagen hat Skipper Mikkel Anthonisen die Leinen gelöst, Kiel ist sein erster Hafen auf einer Route, die ihn im Laufe der nächsten Monate 33.000 Seemeilen durch die ganze Welt und insgesamt dreimal über den Atlantik führen wird.

Das haben andere vor ihm zwar auch schon geschafft. Das Besondere an der "Oceans of Hope": Die vierköpfige Crew wird mit MS-Patienten verstärkt, die in jedem Hafen an Bord kommen können und das Schiff auch in jedem Hafen wieder verlassen können.

Anthonisen selbst ist nicht nur Segler, sondern Arzt und Psychotherapeut und MS-Spezialist an der Kopenhagener Universitätsklinik. Seit Jahren arbeitet der 47-Jährige täglich mit MS-Patienten - und segelt nun mit ihnen um die Welt.

Tour über Amsterdam und Lissabon

In Kopenhagen waren acht dänische Patienten mit Anthonisen gestartet, von denen fünf von Kiel aus wieder nach Hause gereist sind. Im einzigen deutschen Hafen auf der Route stießen vier neue Patienten dazu. Der Wechsel wird in Häfen wie Amsterdam, La Rochelle, Portsmouth oder Lissabon weitergehen.

Die Patienten lernen das Projekt über die von Anthonisen gegründete Sailing Sclerosis Foundation kennen. Das internationale Projekt will dazu beitragen, dass MS-Patienten, die Interesse am Segeln haben, Netzwerke in der ganzen Welt aufbauen.

Das Leben auf der Jacht bietet dazu beste Gelegenheit. Anthonisen hofft, dass die Patienten dabei "die geistige Freiheit entdecken oder wiederentdecken, die das Segeln bringt." Und er setzt darauf, dass die Aufenthalte in den Anlaufhäfen dazu beitragen, dass MS-Patienten dieser Region bei den örtlichen Segelorganisationen mitmachen.

An Bord haben die Patienten zwar die Erkrankung gemeinsam, es sind aber bunt zusammengestellte Teams. Ein pensionierter Pastor ist genauso dabei wie ein Zahnchirurg. Eine fünffache Mutter, ein Bäcker und eine Grafikerin. "Wenn wir die Segel setzen, bleibt die Multiple Sklerose an Land", sagt einer von ihnen.

Dabei achtet der Arzt darauf, dass jeder nach seinen individuellen Fähigkeiten und nach seinen persönlichen Bedürfnissen eingesetzt wird. Segelerfahrung ist auf der 20 Meter langen Jacht zwar von Vorteil, aber angesichts der erfahrenen Proficrew nicht unbedingt erforderlich.

Deutsche Patienten wurden für die von Biogen Idec unterstützte Segeltour bislang noch nicht rekrutiert, sind aber willkommen und können sich über die Website des Projektes bewerben. Wer Berührungsängste hat oder sich das Leben an Bord womöglich nicht zutraut, sollte sich die Geschichte von Paul anhören: Der frühere Schmied kam im vergangenen Jahr als Patient zu Anthonisen.

Seine Arbeit musste er krankheitsbedingt aufgeben, er verfiel zunehmend in Depressionen. Nebenbei erfuhr der Arzt, dass sein Patient früher gern gesegelt sei. Paul traute sich das nicht mehr zu, Anthonisen überredete ihn, sich einfach mal wieder im Hafen umzusehen. "Dann war es nur noch ein kleiner Schritt aufs Boot", so Anthonisen.

Die Komfortzone verlassen

Die acht Patienten an Bord haben ihre Komfortzone, wie Anthonisen sagt, verlassen und den Wunsch, Außergewöhnliches zu leisten. Sie wollen vorgefasste Meinungen über MS-Kranke infrage stellen und andere Erkrankte ermutigen, dasselbe zu tun.

Plätze sind noch frei - auch für die Atlantiküberquerungen nehmen die Organisatoren gerne noch Bewerbungen entgegen. Der Reiz ist hoch: Zwei Mal bietet sich die Gelegenheit, den Äquator zu überqueren, zu den Anlaufhäfen zählen Städte wie Boston und Melbourne.

Die Route führt an der amerikanischen Küste entlang, durch die Karibik, den Panama-Kanal, an den Galapagos-Inseln vorbei. Das Kap der Guten Hoffnung und Brasilien werden angesegelt. Zurück in Europa steuert die "Oceans of Hope" Häfen in Spanien und Italien an.

Die Rückkehr ist für den November 2015 in Kopenhagen geplant. Ob der Termin eingehalten werden kann, was die Besatzung unterwegs erlebt und wer dann an Bord sein wird, das steht heute noch nicht fest und kann von den MS-Patienten auch aus Deutschland mit beeinflusst werden.

Der Auftakt zeigt aber, dass das Projekt in den Anlaufhäfen auf Interesse stößt und damit dazu beiträgt, das Ziel des Sponsors zu erreichen. Boudewijn van Bochove, Geschäftsführer der Biogen Idec, hofft nämlich, dass die "Oceans of Hope" Menschen mit MS die gleichen Möglichkeiten eröffnet wie Gesunden: "Wir sind überzeugt, dass die Botschaft des Projekts Tausende MS-Patienten auf der ganzen Welt stärken und motivieren wird."

Informationen und Bewerbung unter: www.sailingsclerosis.com

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Silouetten von Menschen in unterschiedlichen Farben.

© tydeline / stock.adobe.com

SAID, SIDD, SIRD, MOD und MARD

Das steckt hinter den fünf neuen Diabetes-Subtypen

Organ wird bei OP entnommen

© horizont21 / stock.adobe.com

Vom Opt-in zum Opt-out

Studie: Widerspruchslösung erhöht Organspende-Zahlen nicht