Austretende Schadstoffe
Böser Bambusbecher?
Nachhaltig, umweltfreundlich, ein Naturprodukt: Produzenten loben ihre Bambustrinkbecher in höchsten Tönen. Anders sieht es die Stiftung Warentest.
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Bambusblatt links, Bambusfaserbecher rechts: So umweltfreundlich, wie die Hersteller suggerieren, sind viele Becher nicht.
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BERLIN/ NEU-ISENBURG. „Lassen Sie die Finger weg von Bambusbechern“: Mit deutlichen Worten hat die Stiftung Warentest vor dem Gebrauch von Mehrwegbechern auf Bambusgrundlage gewarnt. Diese gaben im Labor die Schadstoffe Melamin und Formaldehyd in Heißgetränke ab.
Melamin kann die Niere schädigen, so das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Die Exposition mit Formaldehyd hat im Tierversuch Krebs ausgelöst, warnt die American Cancer Society. Zudem kann der Stoff die Atemwege angreifen und Hautirritationen auslösen.
Das Problem in den Bechern sind nicht die Bambusfasern, die pulverisiert als Hauptbestandteil dienen, sondern der Klebstoff, der das Pulver zusammenhält: In allen zwölf getesteten Produkten fand die Stiftung Warentest mittels FTIR-Spektroskopie Melaminharz. Der Kunststoff enthält das Melamin und Formaldehyd.
Problem mit Heißgetränken
Befüllt ein Benutzer die Becher mit Speisen oder Getränken, die mehr als 69 Grad warm sind, können die Schadstoffe austreten: In vier der zwölf Becher fanden die Tester bereits nach der dritten Befüllung mit einer heißen, dreiprozentigen Essigsäure – diese imitierte Kaffee – sehr hohe Melaminwerte; nach drei weiteren Befüllungen bei sieben.
Auch Formaldehyd ging in teils hohen Mengen in die Flüssigkeit über. Dabei verflüchtigten sich die Schadstoffe nicht: Auch nach längerer Nutzung gingen sie also in das Lebensmittel über.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hatte bereits 2011 vor einer Benutzung von Kochgeschirr aus Melaminharz gewarnt. Auch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart hatte bei der Untersuchung von 35 Bambusgeschirrprodukten die hohen abgegebenen Melamin- und Formaldehydkonzentrationen kritisiert.
Für Melaminhaltige Haushaltsgegenstände gelten gesetzliche Grenzwerte: Pro Kilogramm Lebensmittel dürfen 2,5 mg Melamin und 15 mg Formaldehyl übertreten.
Kennzeichnung bemängelt
Kritik bekommen die Hersteller auch für die Deklaration auf ihren Bechern: Bei manchen Produkten fehlte ein Warnhinweis vor Benutzung in der Mikrowelle – oder sie kaschierten die Gefahr.
Zudem bemängelt die Stiftung die Bewerbung der Becher als biologisch abbaubar, Naturprodukt oder recycelbar. Selbst industrielle Kompostieranlagen können das Material nicht zersetzen, so das Resümee: „Die Becher verrotten nicht. Sie lassen sich höchstens verbrennen“, monieren die Tester.
Die positive Bio-Deklaration gelte für Bambus als Naturprodukt, nicht aber für den mit Melaminharz verklebten Faserbecher. Bei reinen Bambusprodukten – hier erkennt man auch die natürliche Materialstruktur – sehe das folglich anders aus als bei dem Kunststoff-Bambus-Gemisch.
Was ist die Alternative?
Wollen Nutzer ihre Heißgetränke to go möglichst umweltschonend und schadstofffrei trinken, empfiehlt Stiftung Warentest, einen eigenen Mehrwegbecher mitzubringen, insbesondere einen aus Metall: Ab der 50. Verwendung sei ein wiederverwendbarer Metall- oder Plastikbecher als nachhaltig anzusehen – vorausgesetzt, man spült ihn umweltschonend in der Spülmaschine.