Austretende Schadstoffe

Böser Bambusbecher?

Nachhaltig, umweltfreundlich, ein Naturprodukt: Produzenten loben ihre Bambustrinkbecher in höchsten Tönen. Anders sieht es die Stiftung Warentest.

Alexander JoppichVon Alexander Joppich Veröffentlicht:
Bambusblatt links, Bambusfaserbecher rechts: So umweltfreundlich, wie die Hersteller suggerieren, sind viele Becher nicht.

Bambusblatt links, Bambusfaserbecher rechts: So umweltfreundlich, wie die Hersteller suggerieren, sind viele Becher nicht.

© sonyachny / stock.adobe.com

BERLIN/ NEU-ISENBURG. „Lassen Sie die Finger weg von Bambusbechern“: Mit deutlichen Worten hat die Stiftung Warentest vor dem Gebrauch von Mehrwegbechern auf Bambusgrundlage gewarnt. Diese gaben im Labor die Schadstoffe Melamin und Formaldehyd in Heißgetränke ab.

Melamin kann die Niere schädigen, so das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Die Exposition mit Formaldehyd hat im Tierversuch Krebs ausgelöst, warnt die American Cancer Society. Zudem kann der Stoff die Atemwege angreifen und Hautirritationen auslösen.

Das Problem in den Bechern sind nicht die Bambusfasern, die pulverisiert als Hauptbestandteil dienen, sondern der Klebstoff, der das Pulver zusammenhält: In allen zwölf getesteten Produkten fand die Stiftung Warentest mittels FTIR-Spektroskopie Melaminharz. Der Kunststoff enthält das Melamin und Formaldehyd.

Problem mit Heißgetränken

Befüllt ein Benutzer die Becher mit Speisen oder Getränken, die mehr als 69 Grad warm sind, können die Schadstoffe austreten: In vier der zwölf Becher fanden die Tester bereits nach der dritten Befüllung mit einer heißen, dreiprozentigen Essigsäure – diese imitierte Kaffee – sehr hohe Melaminwerte; nach drei weiteren Befüllungen bei sieben.

Auch Formaldehyd ging in teils hohen Mengen in die Flüssigkeit über. Dabei verflüchtigten sich die Schadstoffe nicht: Auch nach längerer Nutzung gingen sie also in das Lebensmittel über.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hatte bereits 2011 vor einer Benutzung von Kochgeschirr aus Melaminharz gewarnt. Auch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart hatte bei der Untersuchung von 35 Bambusgeschirrprodukten die hohen abgegebenen Melamin- und Formaldehydkonzentrationen kritisiert.

Für Melaminhaltige Haushaltsgegenstände gelten gesetzliche Grenzwerte: Pro Kilogramm Lebensmittel dürfen 2,5 mg Melamin und 15 mg Formaldehyl übertreten.

Kennzeichnung bemängelt

Kritik bekommen die Hersteller auch für die Deklaration auf ihren Bechern: Bei manchen Produkten fehlte ein Warnhinweis vor Benutzung in der Mikrowelle – oder sie kaschierten die Gefahr.

Zudem bemängelt die Stiftung die Bewerbung der Becher als biologisch abbaubar, Naturprodukt oder recycelbar. Selbst industrielle Kompostieranlagen können das Material nicht zersetzen, so das Resümee: „Die Becher verrotten nicht. Sie lassen sich höchstens verbrennen“, monieren die Tester.

Die positive Bio-Deklaration gelte für Bambus als Naturprodukt, nicht aber für den mit Melaminharz verklebten Faserbecher. Bei reinen Bambusprodukten – hier erkennt man auch die natürliche Materialstruktur – sehe das folglich anders aus als bei dem Kunststoff-Bambus-Gemisch.

Was ist die Alternative?

Wollen Nutzer ihre Heißgetränke to go möglichst umweltschonend und schadstofffrei trinken, empfiehlt Stiftung Warentest, einen eigenen Mehrwegbecher mitzubringen, insbesondere einen aus Metall: Ab der 50. Verwendung sei ein wiederverwendbarer Metall- oder Plastikbecher als nachhaltig anzusehen – vorausgesetzt, man spült ihn umweltschonend in der Spülmaschine.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Aktuelle Umfrage

Patienten vertrauen offiziellen Seiten

Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Kommentare
Alexander Joppich 30.07.201915:52 Uhr

Keine Fake News

Guten Tag Herr Leinz, wie Sie richtig erkannt haben, liegt das Problem am Kunftstoff – und genau so steht es ja auch im Artikel: "Das Problem in den Bechern sind nicht die Bambusfasern, die pulverisiert als Hauptbestandteil dienen, sondern der Klebstoff, der das Pulver zusammenhält". Da alle getesteten Bambusbecher aus solchen zusammengeklebten Fasern bestanden und diese nun eben die Becher sind, die man gewöhnlich im Handel findet, ist die Überschrift richtig. Ich selbst habe noch nie einen Bambustrinkbecher aus reinem Bambus gesehen – für diesen gilt das dann natürlich nicht. Mit "Fake News" hat das aber ganz sicher nichts zu tun, wenn Stiftung Warentest sich auf die im Handel üblichen Produkte bezieht. Mit freundlichen Grüßen Alexander Joppich

Gerhard Leinz 24.07.201916:12 Uhr

Bambus "böse" ? Eindeutig Fake New.

Hängen bleibt die Schlagzeile. Kunststoffkleber hochproblematisch. Das ist die Wahrheit. Nicht der Bambus ist böse! Pfui Teufel, ein Lehrbeispiel wie
Journalisten und vielleicht auch Stiftung Warentest falsche Informationen in die Köpfe bringen.. wie auch die Verkäufer der kunstsoffverseuchten Becher den Bambus missbrauchen um Kunststoffkleber "unterzujubeln".

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Koalitionsvertrag im Pädiatrie-Check: „Man zeigte sich stets bemüht“

Lesetipps
Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?