Kernenergie

Das Dilemma zwischen Risiken und Prosperität

Das Gedenken in Japan an die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki fand wenig Beachtung in hiesigen Medien. Steht dies symbolisch für einen globalen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Kernenergie im Jahre drei nach Fukushima?

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Achtung, Radioaktivität! Gegner und Befürworter der Kernenergie streiten weiter über deren Nutzen.

Achtung, Radioaktivität! Gegner und Befürworter der Kernenergie streiten weiter über deren Nutzen.

© styleuneed/fotolia.com

Vergangene Woche fanden in Japan wieder die traditionellen Gedenkfeiern zu den Abwürfen der beiden Atombomben am 6. August 1945 über Hiroshima und drei Tage später über Nagasaki statt.

Diese stellen den bislang einzigen Einsatz von Atomwaffen in einem Krieg dar und führten maßgeblich zur Kapitulation Nippons unter Kaiser Hirohito am 15. August und damit zum Ende des Zweiten Weltkrieges auch in Asien.

Dieses Jahr allerdings fanden die Gedenkfeiern im Vergleich zu den Vorjahren wenig Anklang in den hiesigen Medien. Das ist keineswegs verwunderlich. Vier Stichworte stehen symbolisch dafür: Ebola, Gaza, Ukraine, ISIS.

Ebola contra Radioaktivität

Angesichts des Medien-Hypes um mögliche Gesundheitsgefahren für Europa, die von der westafrikanischen Ebola-Region ausgehen, der militärischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen und Teilen der Ukraine sowie dem Wüten der islamistischen Kampftruppen der ISIS finden dann ansonsten publikumsträchtige Events kaum Beachtung.

So hisste zum Beispiel Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann am 6. August an der Paulskirche erstmals die Flagge der "Mayors für Peace" (Bürgermeister für den Frieden). Die Flagge, die eine Friedenstaube zeigt, blieb dort bis zum 9. August hängen.

Kazumi Matsui, Bürgermeister von Hiroshima und Präsident von "Mayors for Peace", dankte Feldmann für dessen Bereitschaft, sich in Frankfurt für die Ächtung von Atomwaffen einzusetzen. Für seine Aktion erhielt Feldmann übrigens auch ärztlichen Beistand - von Vertretern der Vereinigung IPPNW - Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung.

Unermüdlich weisen die internationalen IPPNW-Vertreter gerade auch in diesen Tagen auf das vor drei Jahren - wieder einmal in Japan - real gewordene Bedrohungsszenario durch radioaktive Strahlung hin. Stichwort: Fukushima.

Sie haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die medizinischen Reihenuntersuchungen an Jugendlichen im Nordosten Japans im Nachgang der am 11. März 2011 durch Megabeben und Tsunami verursachten Havarie des AKW Fukushima Daiichi stärker kritisch durch Außenstehende begleitet werden.

So steht unter anderem unter Ärzten zur Debatte, ob die Atomkatastrophe Schuld trägt am gehäuften Auftreten von Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren in der Präfektur Fukushima.

Eines steht auf jeden Fall fest: Die geopolitischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass diese und ähnliche Debatten sicher bald nur in Fachkreisen geführt werden - fernab eines öffentlichen Interesses.

Denn: Das Überleben der Bevölkerung sowie deren zunehmende Prosperität - und die damit in aller Regel einhergehende politische Stabilität - genießen bei den Staatsregierungen weltweit höchste Priorität, ebenso wie die damit verbundene Energiesicherheit.

Unter dem Primat der Energiesicherheit

Unter dem Primat der Energiesicherheit hat selbst Japan eine Rolle rückwärts gemacht und den kurz nach Eintreten der Fukushima-Katastrophe propagierten Abgesang auf die Reaktoren im Land revidiert. Jetzt wird sogar über neue Meiler gesprochen - als Rückgrat für Japan. Nippon liegt damit im Trend, wie die Studie "Nuclear worldwide: Where we stand 3 years after Fukushima" der Unternehmensberatung Roland Berger zeigt.

Laut Analyse befinden sich weltweit derzeit rund 70 Reaktoren im Aufbau - die Hälfte davon in China (28 AKW) und Russland (zehn AKW). Mit sechs weiteren Anlagen folgt Indien. Bis 2020 sollen die AKW am Start sein. Alle drei Länder sind für massive Korruption sowie einen laxen Umgang der Behörden mit Sicherheitsauflagen bekannt.

So sollte auch das gegenwärtige Bemühen des neuen chinesischen Premiers Xi Jinping, Korruption in den Verwaltungen zu ahnden und mit Exekutionen für Abschreckung zu sorgen, nicht falsch als Demokratisierung verstanden werden. Wie nicht nur Insider wissen, werden hier gerade die Kader von potenziellen Rivalen gesäubert.

Übrigens stellt sich auch für erfahrene Demokratien wie die USA die Frage, wie sie in Sachen Kernenergie weitermachen sollen. In den USA zum Beispiel müssten laut Studie bis zum Jahr 2050 über 90 Prozent der Reaktoren erneuert werden, da sie dann älter als 60 wären.

Wird auch Deutschland dereinst den Atomausstieg revidieren?

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