Von Berlin nach Brandenburg

Der Pendler-Arzt

In Brandenburg ist der Ärztemangel an vielen Orten sehr hoch. Der Berliner Hausarzt Dr. Matthias Keilich hilft deshalb im brandenburgischen Guben zwei Mal pro Woche aus. Er weiß: Berliner und Brandenburger Patienten ticken anders.

Madlen SchäferVon Madlen Schäfer Veröffentlicht:
Dr. Matthias Keilich vor seiner Praxis in Steglitz. Zweimal die Woche praktiziert er aber in Guben.

Dr. Matthias Keilich vor seiner Praxis in Steglitz. Zweimal die Woche praktiziert er aber in Guben.

© ©mas

Berlin. Im ruhigen Berliner Stadtteil Steglitz hat der Hausarzt Dr. Matthias Keilich eine schöne lichtdurchflutete Praxis. Vom EKG über Ultraschalluntersuchungen bis hin zu Laboruntersuchungen betreut er Privatpatienten. In der Hauptstadt ist es für Patienten verhältnismäßig einfach, einen Hausarzt zu finden. Aber schon einige Kilometer außerhalb der Stadt ergibt sich ein anderes Bild. In Brandenburg sind Ärzte Mangelware, in vielen Regionen werden sie händeringend gesucht, um die medizinische Versorgung der Menschen vor Ort aufrecht erhalten zu können. Besonders betrifft dies entlegene Gebiete wie die Stadt Guben an der polnischen Grenze.

„Guben ist gemeinsam von KVBB und den Krankenkassen als Förderregion in der hausärztlichen Versorgung deklariert“, erklärt Christian Wehry, Pressesprecher der KV Brandenburg gegenüber der „Ärzte Zeitung“. Für eine bessere hausärztliche Versorgung sorgt Matthias Keilich. Zwei Mal in der Woche fährt er von Berlin ins rund 146 Kilometer entfernte Guben. Dort unterstützt der 51-Jährige die Hausarztpraxis von Dr. Ilse Schütze am Naemi-Wilke-Stift montags und donnerstags.

Die Praxis war nicht mehr in der Lage, neue Patienten aufzunehmen. Mit Keilich als zusätzlicher Arbeitskraft ist das wieder möglich. Am Montag ist er zudem einen halben Tag in der Notaufnahme des Gubener Krankenhauses im Einsatz.

Herausforderung gesucht

Der Pendler-Arzt Keilich ist ein einzigartiger Fall, heißt es bei der KV Brandenburg. „Mir ist kein anderer Arzt bekannt. Ich gehe allerdings davon aus, dass es angestellte Ärzte in MVZ und Praxen gibt, die in Berlin leben und täglich pendeln“, sagt Christian Wehry.

Ihren Anfang nahm diese besondere Geschichte vor ungefähr zwei Jahren. Keilich, der seine hausärztliche Privatpraxis in Berlin seit sechs Jahren führt, war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und hatte das Gefühl, nicht ausgelastet zu sein. „Ich hatte noch Kapazitäten frei“, sagt er.

Weil er von dem großen Bedarf an Ärzten in Brandenburg wusste, schrieb er kurzerhand die KV Brandenburg an. „Wir freuen uns über jeden Arzt, der nach Brandenburg kommt“, sagt Christian Wehry. Ein geeigneter Standort wurde in Guben gefunden, seit Juni 2019 ist Keilich dort jetzt zwei Mal die Woche tätig. Er absolviert währenddessen eine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, was laut KV eine Voraussetzung für die selbstständige Arbeit als Hausarzt in Brandenburg ist.

Für die Menschen in Guben ist sein Einsatz ein großer Gewinn. „Ich hatte mir den Ärztemangel gar nicht so gravierend vorgestellt, wie er tatsächlich ist. Das hat mich schon überrascht“, sagt Keilich. Belohnt wird er für seine Arbeit vor allem mit der Dankbarkeit seiner Patienten. „Endlich ist jemand da“, diesen Satz hört er von den Patienten immer wieder. „Viele Patienten kommen bewusst zu mir. Einige wollen auch eine Veränderung und jemanden, der vielleicht eine andere Herangehensweise hat“, erzählt er.

Herausforderung Kassen-Abrechnung

Der Hausarzt lernt in Guben aber auch Einiges dazu. „Die Patienten sind anders als in Berlin, häufig sind sie älter, und auch die Versorgung von Kassenpatienten ist anders als die von Privatpatienten“, erklärt Keilich. Aufgrund der ärztlichen Unterversorgung würden Patienten zuerst zum Hausarzt kommen, in Berlin gingen die Patienten schneller direkt zu Fachärzten oder anderen Spezialisten.

Die Behandlung von Kassenpatienten sowie die Abrechnung der für sie erbrachten Leistungen sind für Keilich manchmal eine Herausforderung. „Wenn ich mich damit beschäftigen muss, wie ich Hürden überwinden kann, anstatt Medizin zu machen, dann stimmt etwas im System nicht“, kritisiert er.

Ich hatte mir den Ärztemangel gar nicht so gravierend vorgestellt, wie er tatsächlich ist. Das hat mich schon überrascht..

Dr. Matthias Keilich, Hausarzt in Berlin und Guben

Nach Guben pendelt Keilich mit dem Zug. Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt – hin und zurück. „Das ist schon anstrengend“, sagt der Hausarzt. Doch warum nimmt er all das auf sich? „Ich habe den Anspruch an mich selbst, mich immer extrem weiterzubilden. Als Privatarzt bin ich dazu nicht verpflichtet, aber ich möchte es gerne. Ich absolviere auch sonst viele Weiterbildungen. Es ist mir wichtig, weiter dazu zu lernen und immer auf dem aktuellen Stand zu sein“, sagt Keilich.

Die fünf Stunden Zugfahrt sieht er ebenfalls als eine Art Weiterbildungszeit. „Ich nutze die Zeit sinnvoll und lese viel Fachliteratur und die Ärzte Zeitung“, sagt Keilich. Außerdem sei seine Zeit als Arzt in Guben bis Ende 2022 befristet, so lange läuft sein Vertrag.

Berlin will er nicht missen

Hausärzte, die sich in Guben niederlassen oder eine Praxis übernehmen, können einen Zuschuss von bis zu 55.000 Euro erhalten. Seine Zukunft sieht Keilich nach 2022 dennoch nicht in Guben. „Ich genieße die Ruhe und mag die Stadt, aber ich möchte auch das Angebot der Großstadt Berlin wie Kino oder Theater nicht missen“, sagt er.

Die KV Brandenburg muss also andere Ärzte für sich gewinnen, um die medizinische Versorgung der Region zu gewährleisten. Ein Ansatz: Mit MHB-Mobil soll der medizinische Nachwuchs für eine anschließende Tätigkeit im ländlichen Brandenburg, auch in Guben, gewonnen werden. Es ist eine Kooperation der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) und der KV Brandenburg. Dabei besuchen die Studierenden die Region und sprechen mit Ärzten und anderen Menschen.

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