Schule in Corona-Zeiten

Fernunterricht bedeutet Stress und Chance

Anfangs war Stress: Als nach Weihnachten der Fernunterricht wieder losgehen sollte, brach erst mal die Lernplattform Moodle zusammen. Jetzt ist Stabilität eingekehrt. Und eine gewisse Aufbruchstimmung.

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Ein 13 Jahre alter Schüler aus Baden-Württemberg arbeitet an einem iPad mit der Lernplattform Moodle.

Ein 13 Jahre alter Schüler aus Baden-Württemberg arbeitet an einem iPad mit der Lernplattform Moodle.

© Uli Deck/dpa

Karlsruhe. Für den 13 Jahre alten Gymnasiasten aus Karlsruhe fängt der Tag im Schul-Lockdown so an: Morgens Laptop anschalten und auf der Webseite seiner Schule auf den Link gehen, der zur Lernplattform Moodle führt. Diese wird vom Land Baden-Württemberg bereitgestellt.

Ein Klick auf die Klasse des 13-Jährigen und es öffnen sich die verschiedenen Kurse oder Fächer, die für die Woche anliegen. Darin haben die Lehrer hinterlegt, welche Aufgaben sie an diesem Tag erledigt haben möchten.

Gewisse Routine hat sich eingestellt

„Auf einem Kalender ist notiert, wann wir welche Konferenz haben und wann wir was abgeben müssen“, sagt er. Moodle funktioniere inzwischen gut, eine gewisse Routine habe sich eingestellt. „Im Vergleich zur ersten Welle komme ich besser zurecht.“ Chats mit den Lehrern sind möglich.

Täglich gibt es zudem über das Konferenz-Tool BigBlueButton die Möglichkeit, dass Lehrer und Schüler sich sehen und hören. Ab und zu hakt es und die Verbindung wird schlechter – je nach dem, wie viele Schüler gleichzeitig teilnehmen. „Im Vergleich zur Situation im März läuft der Fernunterricht an den Schulen im Januar sehr gut“, resümiert Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU).

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600 Pilotschulen nutzen BigBlueButton

Einen Moodle-Zugang über Landesserver haben nach Angaben des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) alle rund 4500 Schulen in Baden-Württemberg. Aktiv genutzt wird die Plattform nach Angaben aus dem Kultusministerium von etwa 2500 Schulen. „Mittlerweile verwenden etwa 440.000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte Moodle täglich“, sagt ein Sprecher.

Rund 600 Pilotschulen waren Mitte vergangenen Jahres nach Angaben des Landesmedienzentrums (LMZ) zudem mit BigBlueButton ausgerüstet. Zu Beginn der zweiten Schulwoche nach Weihnachten waren bereits bis zu 152.000 Nutzer auf diesem Video-Tool aktiv gewesen – laufend kämen weitere Schulen hinzu, berichtet der Ministeriumssprecher.

Vielfältige Lernplattformen

Bundesweit betrachtet fördert praktisch jedes Bundesland andere Lernplattformen. Sie heißen Mebis, MS Teams, Logineo, LearnSax oder Iserv. In Baden-Württemberg kommt bald Itslearning als Alternative zu Moodle hinzu. Die meisten Länder schreiben keine bestimmte Lernplattform vor. Die Schulen im Südwesten, die Moodle nicht über das Land nutzen, sind also nicht unbedingt ohne digitale Lösung – sie sind auf anderen Lernplattformen unterwegs.

Welche Schulen dabei welche Systeme nutzen, ist laut Ministerium nicht erfasst, da es keine Rückmeldepflicht gebe. „Schulen können Moodle auch in einer eigenen Installation auf eigenen Servern nutzen oder andere Lernmanagementsysteme wie zum Beispiel Ilias. Darüber hinaus nutzen einige Schulen auch kommerzielle Lösungen wie zum Beispiel IServ“, so der Sprecher.

Nach Einschätzung des Digital-Experten Oliver Hintzen vom Landesverband Bildung und Erziehung dürfte es nicht mehr allzu viele Schulen geben, die gar keine digitale Lernplattform verwenden.

Der deutsche Datenschutz hat bei jedem Ding Bauchschmerzen. Das ist geradezu affig.

Jörg Schumacher, Leiter des Stadtmedienzentrums Karlsruhe

Ob die Vielfalt Chaos oder Chancen bedeutet, wird unterschiedlich gesehen. Bund und Länder etwa hatten beim Bildungsgipfel den Aufbau einer nationalen Plattform beschlossen, um den Flickenteppich digitaler Lösungen ein Ende zu setzen. „Wir als Verband haben uns für Nicht-Vereinheitlichung ausgesprochen“, sagt VBE-Experte Hintzen. „Es ist besser, wenn Schulen die Wahl haben.“

Hindernis für die Vielfalt ist aus Sicht von Jörg Schumacher, Leiter des Stadtmedienzentrums Karlsruhe (SMZ), nicht selten der Datenschutz. „Der deutsche Datenschutz hat bei jedem Ding Bauchschmerzen“, sagt er. „Das ist geradezu affig.“

Er argumentiert zudem mit Leidenschaft dafür, dass Schulen sich nun völlig neu denken und die durch Corona so stark wie nie ins Blickfeld gerückte Digitalisierung auch zu einer anderen Art des Unterrichts nutzen. „Katastrophen wie diese Pandemie bewirken immer Veränderung.“

„Digitalisierung verschlafen“

Noch aber hapert es an Grundsätzlichem, das ist ja Gegenstand uralter Klagelieder. Es fängt bei mangelnden Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrer und schlechten Personalschlüsseln an und endet spätestens bei bis heute vielerorts leistungsschwachen Datenleitungen.

„Seit 15 Jahren wird Digitalisierung verschlafen durch die Städte und Gemeinden“, sagt Hintzen. Dafür aber könne das Kultusministerium nichts. Es fehlten allerdings Konzepte, wie es jetzt insgesamt weitergehe und bereits erreichte Standards gehalten werden könnten.

Jenseits der Technik übrigens, so sagt es zumindest die Mutter des Karlsruher Schülers, ist genau wie beim Präsenzunterricht auch beim Fernunterricht das Gelingen vom Engagement der Lehrer abhängig. „Es gibt tolle Lehrer, die auf Moodle sehr viel anbieten und sich sehr kümmern“, sagt sie.

Und dann gebe es eben auch solche, die sich nicht besonders viel Mühe geben – weder beim Unterricht von Nahem vor den Schulschließungen noch nun beim Unterricht aus der Ferne. (dpa)

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