Ärzte nicht begeistert
Flüchtlingsgesetz bleibt umstritten
Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung die medizinische Versorgung von Flüchtlingen verbessern. Der 61-seitige Entwurf sorgt für intensive Diskussionen auf dem Bund-Länder-Gipfel. Ärzteorganisationen sind von den Plänen nicht sonderlich begeistert.
Veröffentlicht:BERLIN. Beim Bund-Länder-Gipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag nach Berlin eingeladen hatte, war der Entwurf des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes Basis intensiver Diskussionen.
Auf 61 Seiten legt der Gesetzentwurf, der voraussichtlich im Oktober das parlamentarische Verfahren durchlaufen soll, dar, wie Aufnahme und Asylverfahren künftig effektiver gestaltet werden können.
Nach Feststellung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) fehlen derzeit bundesweit abgestimmte Vorgehensweisen für die Eingangsuntersuchungen und den Anspruch auf medizinische Leistungen. Die von der Regierung vorgelegten Änderungsvorschläge ließen Regelungen in dieser Hinsicht vermissen.
Aus Sicht der KBV werden aufgrund der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen erhöhte Finanzaufwendungen der Sozialbehörden notwendig sein.
Diese Belastungen durch zusätzliche Arbeit der Ärzte müssten in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung berücksichtigt werden.
Das würde bedeuten, dass der erst vor wenigen Tagen erfolgte Honorarabschluss mit dem GKV-Spitzenverband nachverhandelt werden müsste - allerdings auf einer derzeit überhaupt nicht kalkulierbaren Mengen- und Morbiditätsentwicklung.
Kritik kommt von Psychotherapeuten
Die Bundespsychotherapeutenkammer kritisiert, dass Flüchtlinge auch nach den geplanten Änderungen keinen Anspruch auf angemessene Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen haben.
Derzeit würden psychische Erkrankungen von Sozialbehörden als nicht akut behandlungsbedürftig beurteilt, so Dr. Dietrich Munz, Präsident der Psychotherapeutenkammer.
Er fordert, bei der geplanten Änderung der Zulassungsverordnung neben den Vertragsärzten auch Vertragspsychotherapeuten einzubeziehen.
"Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sind flexible Regelungen gefordert, die es möglich machen, dass vor Ort auf einen zunehmenden spezifischen Behandlungsbedarf mit bedarfsgerechten und entsprechend der konkreten zeitlichen Anforderungen mit befristeten Zulassungen reagiert werden kann", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme.
"Nicht-Ärzte dürfen nicht ärztlich tätig sein"
Die Absicht, Ärzten unter den Flüchtlingen auch ohne Qualifikationsnachweis eine begrenzte Berufsausübung zu ermöglichen, sehen die Kammern Rheinland-Pfalz und Westfalen-Lippe skeptisch.
"Nicht-Ärzte dürfen nicht ärztlich tätig werden", fordert Ärztekammer-Präsident Dr. Theodor Windhorst. "Das muss sichergestellt sein."
Er warnt vor einem "Schnellschuss": Auch in der derzeitigen angespannten Lage dürfe es keine Zwei-Klassen-Medizin geben.
Die bestehenden Regelungen wären für die Eingliederung ausländischer Ärzte ins deutsche Gesundheitswesen ausreichend, so Windhorst.
Weniger kritisch steht er dem Vorschlag der Bundesärztekammer gegenüber, Flüchtlinge mit nachgewiesener ärztlicher Ausbildung in Flüchtlingseinrichtungen als medizinische Dolmetscher oder "Ärztehelfer" einzusetzen. Die Bundesärztekammer wollte sich noch nicht dazu äußern.
Der geplanten Einführung einer speziellen Gesundheitskarte für Flüchtlinge steht der GKV-Spitzenverband aufgeschlossen gegenüber.
Voraussetzung sei, dass die GKV-Solidargemeinschaft dadurch nicht belastet werde. Die GKV könne hier als Dienstleister tätig werden. Notwendig sei aber eine einheitliche medizinische Versorgung von Asylbewerbern. (aze/HL)