HINTERGRUND
Fußball-Profis laufen heute zwar nicht mehr als früher, aber das Tempo der Spielaktionen hat zugenommen
Der Fußball ist nicht mehr das, was er einmal war: Wer heute die Berufslaufbahn eines Fußballers wählt, der kann zwar mehr Geld verdienen als je zuvor. Er muß aber auch rein körperlich sehr viel mehr leisten als frühere Fußballergenerationen.
Nicht daß Fußballer heute pro Spiel mehr laufen müssen als früher: "Die Laufbelastung ist in den letzten Jahren mit etwa acht bis zwölf Kilometern pro Spiel relativ gleich geblieben", hat der Vorsitzende der medizinischen Kommission des Deutschen Fußballbundes (DFB), Professor Heinrich Heß, beobachtet.
Was sich jedoch verändert habe, sei das Tempo der Spielaktionen. "In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der kurzen Sprints um zirka dreißig Prozent zugenommen", betonte Heß auf dem 123. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin. 160 Sprints absolviere ein Fußballprofi heute durchschnittlich pro Spiel.
70 bis 80 Spiele pro Jahr - Verletzungen häufen sich
Das ist natürlich nicht die einzige Veränderung. Vor allem im Spitzenfußball hat auch die Zahl der Spiele kräftig zugelegt. Internationale Fußball-Ligen fordern ihren Tribut: "Viele Spieler absolvieren mittlerweile pro Jahr siebzig bis achtzig Spiele. Das ist zu viel", so Heß. Verletzungen häufen sich am Ende der Halbzeiten, vor der Winterpause und am Saisonende.
Entlastungskonzepte wie die Rotationslösung, bei der Positionen doppelt besetzt werden, greifen nicht, weil die meisten Teams sich das nicht leisten können. "Das gibt auch oft Ärger mit den Spielern, die natürlich alle spielen wollen", unterstrich Heß im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Wie sich der Übergang vom semiprofessionellen in den professionellen Fußball medizinisch auswirkt, konnte Dr. Christian Schmidt von der Orthopädischen Klinik der Universität Aachen am Beispiel der Einführung der A-Junioren-Bundesliga im Jahr 2003 demonstrieren. Er berichtete darüber auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) in München.
In den Spielzeiten 2003/2004 und 2004/2005, in denen die A-Junioren von Alemannia Aachen in der neu geschaffenen Junioren-Bundesliga spielten, näherte sich ihre Verletzungshäufigkeit der in der Profimannschaft von Alemannia Aachen schlagartig an. Vor allem Zerrungen, Verhärtungen, Prellungen und Tendopathien der Muskulatur waren häufig. Sie machten ein Drittel aller Probleme aus.
Ein weiteres Viertel entfiel auf Distorsionsverletzungen am oberen Sprunggelenk. "Profiähnliche Anforderungen erfordern eine entsprechende ärztliche und physiotherapeutische Versorgung", so Schmidts Fazit aus seiner Untersuchung.
Abgesehen von einer angemessenen Akutversorgung richten sich die Anstrengungen der Sportmediziner darauf, Verletzungen zu verhindern, indem gezielt Präventionsprogramme initiiert werden. Eines davon ist das Programm Fußball Interdisziplinär. Es wurde vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn mit Unterstützung des DFB ins Leben gerufen und soll Knie- und Sprunggelenksverletzungen verhindern. Dafür wurde ein sensomotorisches Trainingsprogramm entwickelt, das auf eine aktive Stabilisierung der Gelenke zielt.
Kern des Programms sind Bewegungsübungen auf einer instabilen Unterlage. Zum Einsatz kommt dabei das Soccer Balance Pad, eine weiche, mehrere Zentimeter dicke Matte etwas kleiner als ein Fußabstreifer. Auf dieser Matte schreiben die Spieler Achten mit dem Fuß. Sie springen oder stehen auf einem Bein und balancieren Bälle alleine oder mit einem Partner. Die Übungen können dort gemacht werden, wo das Training stattfindet, also in der Halle oder auf dem Rasen. Sie nehmen nur wenig Zeit in Anspruch und sind rasch erlernbar.
Spezielles Trainingsprogramm reduziert Zahl der Verletzungen
Mannschaften, die an dem Programm bisher teilnehmen, berichten von positiven Erfahrungen. So sei von den Trainern bei Borussia Mönchengladbach eine Verbesserung der Knie- und Sprunggelenksstabilität beobachtet worden, sagte Dr. Peter Stehle vom Bundesinstitut in Bonn auf der Münchener GOTS-Tagung. Auch eine Verringerung der Häufigkeit und der Dauer von Verletzungen wurde zu Protokoll gegeben. Das Programm komme zudem gut bei den Spielern an, unter anderem, weil es einfach zu handhaben sei und zu einem für die Spieler spürbaren Kraftzuwachs führe.
"Wenn solche Programme Erfolg haben sollen, dann müssen die Übungen ins Training integrierbar sein und möglichst mit dem Ball erfolgen", unterstreicht auch Heß. Das scheint bei Soccer Balance zu funktionieren: "Die Spieler entwickeln richtig Ehrgeiz, die Übungen gut zu machen."
Messungen bei Spielern, die auf einer Unterlage stehen, welche überraschend gekippt wird, zeigen eine Verbesserung der Reaktionszeiten. Erste statistische Auswertungen, bei denen dann auch Angaben zu einer (erhofften) Verringerung der Verletzungshäufigkeit gemacht werden können, sollen ab Ende des Jahres vorgelegt werden.
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