Kommentar – Wahlrecht für betreute Menschen

Grundrechte vs. Bürokratie

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:

Heute könnte ein guter Tag werden für alle Menschen, die einen Betreuer haben, etwa weil sie eine geistige Behinderung haben oder eine schwere psychiatrische Erkrankung.

Und es könnte ein guter Tag für Europa werden. Denn noch am Abend dürfte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden, ob Betreute an der Europawahl Ende Mai teilnehmen dürfen.

An bundesweiten Wahlen teilnehmen, dem demokratischsten Akt des Souveräns, durften diese rund 80.000 Menschen jahrelang nicht. Im Januar haben die Verfassungsrichter diesen Ausschluss kassiert: grundgesetzwidrig! Die Große Koalition will den Betreuten nun das Wahlrecht einräumen, allerdings erst ab Juli. Die Begründung: Eine Änderung so kurz vor einer Wahl würde in die Vorbereitungen dafür eingreifen.

Diese Chuzpe muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Verfassungswidriges Recht wird einstweilen prolongiert, weil man einen bürokratischen Akt scheut?! Das ist ein irritierender Umgang mit unseren Verfassungsrechten, und das in dem Jahr, in dem wir den 70. Geburtstag unseres Grundgesetzes feiern.

Die Karlsruher Richter könnten heute ein starkes Signal aussenden – dass die Gleichbehandlung von Menschen mit oder ohne Behinderung etwa Unbedingtes ist, und dass die anstehende Europawahl wichtig genug ist, ihnen ihr Wahlrecht jetzt schon einzuräumen.

Lesen Sie dazu auch: Entscheidung voraus: Dürfen geistig Behinderte an Wahlen teilnehmen?

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Aktuelle Umfrage

Patienten vertrauen offiziellen Seiten

Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Kommentare
Dr. Detlef Bunk 16.04.201909:56 Uhr

größte Bedenken

Wer je mit geistig Behinderten und schwer psychisch Kranken gearbeitet hat, weis um das exorbitant hohe Risiko der offenen und versteckten Manipulation der Betreuten durch die Betreuer und die Institution. Die Versorgungsgeschichte ist voll von Skandalen. Hier sind größte Bedenken angebracht, wenn man unsere Demokratie weiterhin ernst nehmen will.
Es müsste mindestens das 4-Augen-Prinzip für die Beurteilung gelten, ob der Wille des geistig oder seelisch Beeinträchtigen Menschen weitgehend aus eigener Überzeugung entstanden ist.

Dr. Detlef Bunk
Dipl. Psych. PP, KJP
Essen

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Fallbericht

Schäden an der Netzhaut nach dem Haarefärben

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung

Lesetipps
Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?