Alternativer Forschungspreis
Ig-Nobelpreis 2024: Placebo, Plastikpflanzen – und betrunkene Würmer
Beim Ig-Nobelpreis werden traditionell die schrägsten Forschungsergebnisse gewürdigt: Bei der 34. Verleihung ging es um Forscher, die Katzen auf Kühe stellten, und Deutsche, die Placebos mit Schmerz kombinierten.
Veröffentlicht:Cambridge, USA. Kennen Sie als Arzt diese Situation? Nach einer Impfung erzählen Patienten Ihnen zufrieden, dass sie im Laufe des Tages einen leichten Druckschmerz an der Einstichstelle verspürt haben – oder zeigen sich unzufrieden darüber, dass sie nicht die kleinste Nebenwirkung spüren: Hat die Impfung überhaupt gewirkt? Eine alte Volksweisheit proklamiert analog: Nur Hustensaft, der bitter schmeckt, wirkt. Der Ig-Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an Autoren einer Studie, die diesem Glauben mehr Nachdruck verleihen: Laut den Forschern wirkt ein Placebo besser, wenn es leicht schmerzvolle Nebenwirkungen auslöst – selbst dann, wenn Probanden über den Placebo-Einsatz aufgeklärt werden.
Das Team aus Deutschland, Belgien und der Schweiz behauptete, die Teilnehmer erhielten ein Nasenspray mit Fentanyl, bevor ihr Organismus unter leichten Hitzeschmerz gesetzt wurde. Tatsächlich bekamen sie jedoch ein Spray, das entweder eine inerte Salzlösung enthielt oder eines, dass mit Capsaicin versetzt war; letzteres führte zu einem milden Brennen in der Nase. Im Anschluss wurden die Teilnehmer wiederum zufällig aufgeteilt: Eine Gruppe wurde in dem Glauben gelassen, dass sie Fentanyl erhielt, die andere wurde aufgeklärt, dass dieser Wirkstoff nicht verabreicht wurde. In beiden Phasen untersuchten die Forscher die Hirne der Probanden im MRT. Ergebnis: Die Capsaicin-Gruppe empfand weniger Schmerz als die, die keine Nebenwirkungen verspürte. Bei der Bildgebung mittels MRT sahen die Forscher, dass schmerzregulierende Bereiche in der Großhirnrinde und im periaquäduktalen Grau das Schmerzempfinden heruntersetzten, wenn die Testpersonen Nebenwirkungen bemerkten.
In der Kategorie Anatomie zeichneten die Initiatoren am Donnerstagabend (Ortszeit) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Wissenschaftler aus Frankreich und der Schweiz aus, die untersucht haben, in welche Richtung Haarwirbel bei Menschen auf der Nord- beziehungsweise Südhalbkugel mehrheitlich ausgerichtet sind. Weitere Auszeichnungen gingen unter anderem an:
- James Liao für seine Erkenntnisse über das erfolgreiche Schwimmverhalten von toten Forellen („Das Wasser schwimmt den Fisch!“),
- Studienautoren, die herausfanden, dass viele Säugetiere durch ihren Anus atmen können,
- die Analyse, welcher Effekt Angst auf das Verhalten von Kühen hat. Die Geehrten hatten Katzen auf den Rücken der Tiere platziert und erstere dann durch das Explodieren von Papiertüten in Panik versetzt. Die Katzen sollten die Kühe so erschrecken, um herauszufinden, ob letztere dadurch unwillkürlich Milch ausgeben. Nach einigen Versuchsläufen entfernten die Forscher die Katzen: Das Knallen der Tüten reichte aus, um die Kühe zu erschrecken.
- Wissenschaftler aus Frankreich und den Niederlanden, die mittels Chromatographie betrunkene und nüchterne Würmer separieren konnten,
- ein Team, welches theoretisch und in 350.757 Versuchen nachwies, dass eine Münze eher auf der Seite landet, auf der sie vor dem Wurf bereits lag und
- zwei Forscher, die Beweise dafür fanden, dass Pflanzen auch künstliche Blumen in ihrer Umgebung imitieren.
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Was steckt hinter dem Ig-Nobelpreis?
Der alternative Forschungspreis wird seit 1991 jährlich vergeben. Hinter der Verleihung steht die Organisation „Improbable Research“, die ein Magazin herausgibt, in denen bizarr erscheinende Forschungen veröffentlicht werden („The Annuals of Improbable Research“). Laut Beschreibung auf der offiziellen Webseite sollen die Ig-Nobelpreise „überraschende Erkenntnisse würdigen, die Menschen zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen“. Die Initiatoren wollen das Ungewöhnliche feiern und forscherische Kreativität belohnen – und Menschen für Wissenschaft, Medizin und Technologie begeistern. Gerade jüngere Forscher sollen dadurch animiert werden, nicht in gewohnten Bahnen zu denken, sondern zu kreativen Ansätzen ermutigt werden.
Dass die Ig-Nobelpreise keine stereotypischen Wissenschaftspreise sind, erkennen Zuschauer an einigen der ungewöhnlichen Traditionen: So haben die Preisträger genau eine Minute Zeit für die Dankesrede. Überziehen sie ihre Redezeit, kommt ein achtjähriges Mädchen namens Miss Sweetie Poo auf die Bühne und wiederholt ununterbrochen den Satz „Bitte hör auf, ich langweile mich“.
Das Ende der Verleihung bildete Moderator Marc Abrahams traditionelle Schlussformel, die auf das Wortspiel „ig-nobel“ (zu Deutsch: unwürdig, schändlich) hinweist: „Wenn Sie dieses Jahr keinen Preis gewonnen haben – und mehr noch: Wenn sie dieses Jahr einen gewonnen haben –, mehr Erfolg im nächsten Jahr!“