Kurioser Forschungspreis

Ig-Nobelpreis 2023: Männer, die auf Toiletten nachdenken

Eine Toilette, die automatisch täglich Urin und Fäkalien untersucht: Diese Idee war den Initiatoren der alternativen Würdigung einen Ig-Nobelpreis wert. Auch die Nasenhaarforschung wurde belohnt. Und es gibt noch weitere Auszeichnungen für kuriose Forschungsergebnisse.

Alexander JoppichVon Alexander Joppich Veröffentlicht:
In Denkerpose auf der Toilette: Der südkoreanisch-amerikanische Forscher Seung-min Park hat den Ig-Nobelpreis 2023 in der Kategorie Public Health für die Erfindung der „Stanford-Toilette“ erhalten. Im Hintergrund ansatzweise zu sehen: eine Kopie von Auguste Rodins weltberühmter Plastik „Der Denker“.

In Denkerpose auf der Toilette: Der südkoreanisch-amerikanische Forscher Seung-min Park hat den Ig-Nobelpreis 2023 in der Kategorie Public Health für die Erfindung der „Stanford-Toilette“ erhalten. Im Hintergrund ansatzweise zu sehen: eine Kopie von Auguste Rodins weltberühmter Plastik „Der Denker“.

© Ig Nobel/Seung-Min Park/Stanford/PA Media/dpa

Wie viele Nasenhaare hat ein Mensch eigentlich jeweils in seinem rechten und linken Naris? Und kann man tote Spinnen zu Greifarmen für schweres Gewicht umfunktionieren? Bei der 33. Verleihung des Ig-Nobelpreises wurden vergangene Woche diese und andere Fragen beantwortet. Die jährliche Auszeichnung des Magazins „Annals of Improbable Research“ wurde zum vierten Mal in Folge als reine Online-Veranstaltung abgehalten – Pandemie-bedingt.

Nach der traditionellen „Welcome, welcome!“-Rede, die eben ausschließlich aus diesen beiden Wörtern besteht, erhielten Forscher in zehn Kategorien den alternativen Forschungspreis – inklusive eines Zehn-Billionen-Dollar-Scheins aus Zimbabwe (umgerechnet circa 26 Euro wert) und einer Urkunde. Die Geehrten und Laudatoren tragen traditionell meistens möglichst skurrile Kopfbedeckungen.

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Preis für eine Toilette, die Ausscheidungen untersucht

Die Auszeichnung im Bereich Public Health ging an Dr. Seung-min Park, einem Physiker und Bioingenieur, der im Fachgebiet Urologie an der Stanford-Universität arbeitet. Park hat, gemeinsam mit seinem Team, die „Stanford-Toilette“ entwickelt: Diese smarte Toilette untersucht Urin und Fäkalien eines Menschen über einen langen Zeitraum und kann so Veränderungen oder Hinweise auf Erkrankungen geben.

Ig-Nobelpreis 2023: Die Zeremonie im Stream

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Die Forscher haben das Klo hierfür mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, wie Urin-Teststreifen, einer Kamera, die den Urinfluss misst und die Farbe untersucht, oder einer Kamera, die den Stuhl analysiert. Mit einem Fingerabdrucksensor an der Spülung und – sicherheitshalber – einer Kamera, die den Anus aufnimmt, stellen die Entwickler sicher, dass verschiedene Personen die Toilette benutzen können und unterschiedliche Profile angelegt werden: Ein Anus ist so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck, so die Forscher, und die Spültaste könnte ja auch eine andere Person als der vorherige Benutzer drücken. Parks Idee ist es, eine dauerhafte Prävention mittels Untersuchungen von Urin und Stuhl in Haushalten zu etablieren. „Don’t waste your waste!“ (deutsch: Verschwendet nicht einfach eure Ausscheidungen) rief er den virtuellen Zuschauern zu.

Mysterium: Nasenhaare

In der Kategorie Medizin zeichneten die Initiatoren Forscherinnen der Universität von Kalifornien, Irvine, aus, die anhand der Untersuchung an Leichen die Verteilung menschlicher Nasenhaare analysiert haben. Der Ursprung ihrer Untersuchung lag darin, dass die Wissenschaftlerinnen sich mit Patienten mit Haarausfall beschäftigt hatten, so Dr. Natasha Mesinkovska vom Fachbereich Dermatologie. Da der Verlust von Nasenhaaren, das Risiko für Infektionen vergrößern könnte, habe das Team in der Literatur erfolglos nach deren Funktion, Aufbau und Verteilung gesucht. Da einige Patienten nur Haare in einem Nasenloch verloren hatten, fokussierte sich das Interesse der Preisträgerinnen darauf, ob dies eine Auswirkung ihrer Krankheit war oder ob es schlicht normal ist, dass Nasenhaare asymmetrisch verteilt sind.

Ergebnis: Durchschnittlich hatten die Untersuchten im linken Naris 120 Haare und im rechten 112, wobei die Diskrepanz nicht signifikant war. Zudem befand sich der überwiegende Teil der Haare weit vorne an der Öffnung und der Großteil der Haare befand sich innerhalb des ersten Zentimeters eines Nasenlochs. Daraus schließen die Studienautoren, hierunter auch ein Mann, dass Nasenhaare tatsächlich zum Schutz vor Fremdkörpern dienen: Das Abfangen direkt am Eingang der Nasenöffnung sei der effektivste Weg, Partikel an dem Eindringen in den Körper zu hindern.

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Thinking outside of the box

Die Nasenhaarforschung illustriert gut, worum es den Machern des Ig-Nobelpreises geht: „Forschung, die Menschen zuerst zum Lachen bringt – und dann zum Nachdenken“, so das offizielle Motto. Auch, wenn sich die Gebiete anfangs abstrus anhören mögen, liegen dahinter ernsthafte Forschungsfragen, wie ein größeres Infektionsrisiko bei Menschen ohne Nasenhaare oder die regelmäßige Stuhluntersuchung auf der heimischen Toilette. Flankiert wird die Ernsthaftigkeit der Veranstaltung dadurch, dass die Laudatoren stets tatsächliche Nobelpreisträger sind.

Forscher will das Komitee dazu anregen, über den Tellerrand zu schauen und sich nicht in gewohnte Denkmuster pressen zu lassen, um auf kreative Ansätze zu kommen. Außerdem wollen die Initiatoren um einen Harvard-Absolventen, den Mathematiker Marc Abrahams, dass Forschungsergebnisse stärker in die öffentliche Wahrnehmung gelangen. Hierfür wird die Gala immer wieder durch ein spezielles Format unterbrochen: Sogenannte „24/7-Lectures“ zwingen Wissenschaftler ihre Forschung auf den Punkt zu bringen.

Die Referenten müssen hierbei ihr Forschungsfeld in 24 Sekunden im wissenschaftlichen Jargon erklären und dann in sieben Wörtern zusammenfassen, so dass jeder es versteht. So resümierte Chemie-Professor Andrea Sella (University College London) sein Interessengebiet „Mittlere Dichte von amorphem Eis“ mit den Worten „Ultrakaltes, zerstoßenes Eis schwimmt und sinkt niemals“.

Welche Publikationen wurden noch ausgezeichnet?

Weitere Preise wurden verliehen. In der Kategorie...

  • Chemie und Geologie für die Beantwortung der Fragen, warum Geologen gerne an Steinen lecken,
  • Literatur für Forschung darüber, warum sich Wörter seltsam anhören, wenn man sie sehr oft hintereinander hört,
  • Maschinenbau dafür, dass Forscher tote Spinnen als effektives Greifwerkzeug für schwere Lasten verwenden konnten,
  • Kommunikation bekamen Wissenschaftler den Preis für die Analyse der Hirnaktivität von Experten im Rückwärtssprechen,
  • Ernährung für die Erfindung von Essstäbchen und Strohhalmen, die durch elektrische Ansteuerung den Geschmack von Lebensmitteln verändern können,
  • Bildung wurden Autoren einer Arbeit ausgezeichnet, die untersucht haben, inwiefern sich Langeweile von Schülern und Lehrern gegenseitig im Unterricht beeinflussen,
  • Psychologie bekamen Forschende die Ehrung für eine Studie darüber, wie viele Menschen in die Luft schauen, wenn sie andere Menschen in die Luft starren sehen und im Bereich
  • Physik für Erkenntnisse darüber, inwiefern Sardellen durch sexuelle Aktivität die Zusammensetzung von Meereswasser verändern.

Das Ende der Verleihung bildete Marc Abrahams traditionelle Schlussformel, die auf das Wortspiel „ig-nobel“ (zu Deutsch: unwürdig, schändlich) hinweist: „Wenn Sie dieses Jahr keinen Preis gewonnen haben – und mehr noch: Wenn sie dieses Jahr einen gewonnen haben –, mehr Erfolg im nächsten Jahr!“

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