Online-Kampagne
Kasse wirbt mit Pornodarstellerin für Hodenkrebs-Vorsorge
Sex sells? Mit Anspielungen auf Pornografie und einer Darstellerin aus dieser Branche wirbt die Techniker für das Selbstabtasten der Hoden zur Krebs-Prävention. Nicht alle finden die Kampagne gut.
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Ausschnitt aus dem Video-Clip der TK zur Hodenkrebsfrüherkennung mit Porno-Darstellerin Anny Aurora.
© Techniker Krankenkasse / Screenshot: https://www.youtube.com/watch?v=rhmU5K7vVuU
Hamburg/Neu-Isenburg. Eine junge Frau steht unter der Dusche; es klingelt. „Ich komme“, sagt sie, während die Dame nur mit einem Handtuch bekleidet zur Tür geht. Ein Mann steht vor der Tür: „Ich bin der neue Nachbar“, stellt er sich vor, ohne seinen Namen zu nennen. Die ebenfalls namenlose Frau bittet ihn herein, zieht sich eine knappe Shorts und ein Oberteil mit weitem Ausschnitt an und setzt sich zu dem Mann auf das Sofa. Die Beiden küssen sich und sie öffnet seine Hose... Es erscheint ein Ladebalken im Video, als sei die Internetverbindung abgebrochen, und kurz darauf der Schriftzug „Die Techniker Krankenkasse präsentiert: Der Handjob gegen Hodenkrebs“.
Update vom 28.02.2022: Das Video ist mittlerweile bei Youtube nicht mehr zu sehen; die Einsichtsrechte wurden auf privat gestellt. Es sei eine zeitlich begrenzte Aktion zur Hodenkrebsprävention gewesen, teilt die TK auf Anfrage mit.
Es geht um Vorsorge
Zu sehen ist im Youtube-Clip die Pornodarstellerin Anny Aurora. Sie präsentiert im zweiten Teil des Videos eine Anleitung zur Selbstuntersuchung der Hoden, mithilfe eines Hodenmodells. Laut TK sei die Aufklärung von medizinischen Fachleuten erstellt worden. Konkret seien die Inhalte „bei uns im Haus mit Fachärzten eingehend geprüft und abgestimmt“ worden, teilt die Techniker auf Anfrage mit. Nach der Demonstration der Eigenabtastung am Modell listet der Clip acht Punkte auf, auf die Männer im Bezug auf Hodenkrebs achten sollten.
Ärzte kommen am Ende des Videos vor: Wer bei sich beim Abtasten eine Auffälligkeit gefunden hat oder sich die Selbstuntersuchung nicht zutraue, solle sich an einen Urologen wenden.
Darf eine Kasse mit einer Pornodarstellerin werben?
Erwartungsgemäßg zieht die Aktion Aufmerksamkeit auf sich und löst die unterschiedlichsten Reaktionen aus. Manche User in den sozialen Medien loben den ungewöhnlichen Ansatz, der Gruppen anspricht, die ansonsten nicht mit Hodenkrebs-Prävention erreicht werden können. FDP-Politiker Konstantin Kuhle würde der TK am liebsten die Verantwortung für die Werbekampagne zur Corona-Impfung anvertrauen: „Good Job“, twitterte der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion.
Statt in borniert-spießiger Weise über die erfolgreiche Hodenkrebs-Aufklärung der Techniker Krankenkasse zu schimpfen, sollten wir denen gleich die ganze Verantwortung für die Werbung zur Corona-Impfung übertragen! Good Job @DieTechniker https://t.co/YJCcFlDyqT
— Konstantin Kuhle (@KonstantinKuhle) February 3, 2022
Andere Menschen sehen die Aktion nicht als witzig an und interpretieren sie als sexistisch: „Ungewöhnliche Ansätze für mehr Aufmerksamkeit für (unterschätze) Krankheiten und Prävention gibt es auch ohne Sexismus und Porno-Bilder!“, schreibt beispielsweise „schreibsarah“ bei Instagram zu einem TK-Post.
Techniker steht zur Aktion
Mit der ungewöhnlichen Kampage „Der life-saving Handjob“ hat die Techniker Krankenkasse (TK) „bewusst einen ungewöhnlichen Ansatz gewählt“, schreibt sie auf ihrem Instagram-Kanal. Sexismus lehne man vehement ab und sei für Gleichstellung und Diversität. Man habe die Aufklärung bewusst in einen pornografischen Umfeld gesetzt, um Aufmerksamkeit zu schaffen und insbesondere jüngere Männer zu erreichen: „Aufklärung muss dort stattfinden, wo sie die Menschen erreicht“, rechtfertigt Deutschlands größte Krankenkasse die Internet-Kampagne.
Die Kasse sei nicht überrascht von der Bandbreite der Reaktionen, so die TK auf Anfrage der Ärzte Zeitung. Nach wie vor stehe man zu dem Clip, der vom Marketingteam gemeinsam mit einer Werbeagentur erstellt worden sei. In Zukunft könne die TK sich auch weitere ungewöhnliche Kampagnen zu anderen Themen vorstellen, schreibt die Krankenkasse unserer Zeitung gegenüber. Wie viel die Kampagne gekostet hat, möchte sie dagegen nicht äußern.