Als erste deutsche Frau im Fach Medizin
Nopelpreisträgerin Nüsslein-Volhard: „Ich werde nur noch Pensionärin sein“
Als erste deutsche Frau erhielt Christiane Nüsslein-Volhard 1995 den Medizinnobelpreis. Nun wird die Biologin und Biochemikern 80 Jahre alt.
Veröffentlicht:Tübingen. Wie wird aus einer befruchteten Zelle ein Tier? Für die Antwort auf diese Frage erhielt die Tübinger Biologin und Biochemikerin Christiane Nüsslein-Volhard 1995 den Medizinnobelpreis - als erste deutsche Frau. Nach ihrer Forschung an den Taufliegen wechselte sie zu den Fischen und untersuchte seither mit einem Team die genetischen Grundlagen für unterschiedliche Farbmuster beim Zebrafisch. Am 20. Oktober wird Nüsslein-Volhard 80.
Sie tritt nun wissenschaftlich kürzer. „Ich kümmere mich jetzt auch um andere Sachen und ich erweitere meine Interessen auch außerhalb meiner wissenschaftlichen Tätigkeit“, sagt die Biologin, die eine Zeit lang auch Präsidentin der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte war. „Ende des Monats werde ich nur noch Pensionärin sein.“
Die Flöte wird mehr zum Einsatz kommen
Vor allem wolle sie mehr musizieren und Bücher über Geschichte lesen. „Ich spiele Flöte und ich singe“, berichtet die am 20. Oktober 1942 in Magdeburg geborene Wissenschaftlerin. Mit Reisen habe sie es nicht so. „Beruflich bin ich natürlich sehr, sehr viel gereist. Aber eigentlich mag ich es nicht. Ich hasse Kofferpacken, das muss ich ehrlich sagen.“ Am Strand unter Palmen in einer Hängematte?
„Ich kann mir nichts Langweiligeres vorstellen als das“, sagt Nüsslein-Volhard. Außerdem habe sie einen wunderbaren Garten im Tübinger Stadtteil Bebenhausen, in dem sie unter einer Trauerweide gerne sitze und nachdenke.
Der Taufliege Drosophila melanogaster verdankt Nüsslein-Volhard viel von ihrem Ruhm. Zusammen mit zwei amerikanischen Entwicklungsbiologen fand die Forscherin heraus, welche genetischen Mechanismen die frühe Entwicklung der Fliegenembryos steuern. Ihr Neffe Benjamin List wurde ebenfalls Naturwissenschaftler und 2021 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. 29 Jahre lang, bis 2014, war Nüsslein-Volhard Direktorin am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, das inzwischen Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen heißt. Sie hat dort ein Büro, in dem sie fast täglich sitzt.
Sympathien für Boris Palmer
Drei Tage nach ihrem Geburtstag steht in Tübingen eine Oberbürgermeisterwahl an. Die Bilanz von Amtsinhaber Boris Palmer könne sich sehen lassen, sagt Nüsslein-Volhard. „Ich mag den eigentlich. Er ist ein bisschen aggressiv und er verplappert sich manchmal. Das liegt aber daran, dass er einen ähnlichen Vater hat, den ich auch kannte.
Er hat auf dem Markt Gemüse verkauft und hatte eine wirkliche Schnauze. Und ich glaube, der Boris Palmer hat das ein bisschen geerbt und kann das manchmal selbst nicht so gut unterdrücken.“ Womit wir wieder bei der Genetik wären.
Der als „Remstal-Rebell“ bekannt gewordene Vater von Boris Palmer, Helmut Palmer, kämpfte lautstark gegen Obrigkeit und Behördenwillkür. „Er war aber ein bedeutender Mann, der sich wirklich unheimlich für soziale Belange eingesetzt hat und mehrmals im Kittchen war.“
Ob sie aber den bei den Grünen wegen seiner verbalen Ausreißer in Ungnade gefallenen Palmer am 23. Oktober auch wählen wird, verriet Nüsslein-Volhard nicht. „Die Lokalpolitik interessiert mich eigentlich auch nicht so besonders“, sagt die Wissenschaftlerin. (dpa)