Studie
Zieht Mikroplastik schädliche Keime an?
Plastikmüll verschmutzt zunehmend die Gewässer. Die Kleinstteilchen finden aber nicht nur über Umwege wieder zum Menschen zurück, Forscher untersuchen eine weitere Gefahr.
Veröffentlicht:
Trauriges Bild: Plastikmüll im Wasser.
© Richard Carey / stock.adobe.com
WARNEMÜNDE. Eine neue Studie lässt darauf schließen, dass kleinste Kunststoffteilchen im Wasser nicht nur die Nahrungskette belasten, sondern darüber hinaus zusätzliche Gefahren durch die Besiedlung mit schädlichen Bakterien bergen. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) warnen, dass Plastikverschmutzung vor allem in nährstoffarmen Gewässern eine weitaus höhere ökologische Relevanz habe, als bisher vermutet. Speziell in solcher Umgebung werde tatsächlich die Entstehung spezieller Plastik-Bakterienpopulationen gefördert, teilten die IOW-Wissenschaftler Matthias Labrenz und Sonja Oberbeckmann mit.
Vor allem die Bakteriengattung "Sphingopyxis", die häufig eine Antibiotika-Resistenz ausbildet, hatten die Forscher im Blick. Im Klärwerk hätten sich diese Bakterien verstärkt auf Plastik angesiedelt – Kleinstkunststoff könnten also möglicherweise "Hotspot" für die Weitergabe von solch potenziell gefährlichen Resistenzen sein, warnt Oberbeckmann. In welchem Umfang, das sollen nun weitere Untersuchungen zeigen.
Vibronen-Befall ausgeschlossen
Mit der Gattung "Erythrobacter" identifizierten die Forscher weitere Bakterien, die sich vermutlich auf die Besiedlung von Plastik spezialisiert haben. Diese können giftige polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe abbauen, die sich durch menschliche Aktivitäten weltweit in der Umwelt finden. Nicht erhärtet hat sich hingegen der Verdacht, dass sich Keime wie die Wundbrand verursachende Vibrionen auf Mikroplastik anreichern könnten. Zwar seien Vibronen in den Proben gefunden worden, sagt Projektleiter Labrenz, allerdings hätten sie sich nicht auf Plastik angereichert – sogar weniger als auf natürlichen Partikeln.
Um zu klären, ob sich Biofilme auf Plastik von solchen auf natürlichen Materialien unterscheiden, hatten die Wissenschaftler Pellets aus Plastik und Holz verschiedenen Wasserbedingungen ausgesetzt: In einer nährstoffarmen, salzigen Meeresumwelt in der Ostsee über zunehmenden Süßwassereinfluss in der Warnow-Mündung bis hin zu nährstoffreichen Süßwasserbedingungen in der Unterwarnow und in einem Klärwerk. Nach zweiwöchiger Inkubation wurden die Biofilme auf den Pellets verglichen.
Kein endgültiges Fazit
An den nährstoffreichen Probestationen habe man in den Biofilmen – egal ob auf Holz oder Kunststoff – viele der "üblichen Verdächtigen" gefunden, die eine sesshafte Lebensweise auf Partikeln gegenüber dem Leben im Freiwasser bevorzugen, berichtet Oberbeckmann. An vergleichsweise nährstoffarmen Stationen dagegen hätten sich auf Mikroplastik Bakteriengemeinschaften gebildet, die sich von den natürlichen Gemeinschaften deutlich unterschieden. Ein endgültiges Fazit, ob Mikroplastik zusätzliche Gefahren durch die Besiedlung mit Bakterien birgt, können die IOW-Forscher allerdings nicht ziehen.
"Obwohl sich die Forschung seit fast 15 Jahren verstärkt mit dem Phänomen der Mikroplastik-Anreicherung in den Meeren beschäftigt, ist erstaunlich wenig darüber bekannt, welchen Einfluss die Teilchen auf Ökosysteme haben und welches Schadpotenzial tatsächlich von ihnen ausgeht", meint Mikrobiologe Labrenz.
Von diesen weniger als fünf Millimeter großen Kunststoffteilchenwerden in Meeren und Flüssen mehrere hunderttausend Teilchen pro Quadratkilometer nachgewiesen – nicht nur in der Nähe menschlicher Siedlungen, sondern auch im arktischen Eis, den Sedimenten der Tiefsee oder mitten im Pazifik. Der Kunststoffmüll zerfällt im Meer im Lauf der Zeit zu Mikroplastik, teilweise werden die Kleinstpartikel aber auch als Inhaltsstoff zahlreicher Kosmetikartikel direkt über das Abwasser der Haushalte eingeleitet. Dort werden sie zunächst von Mikroorganismen aufgenommen, die dann Fischen als Nahrung dienen, die wiederum auf dem Speiseteller der Menschen landen. Großbritannien hat deshalb als erstes Land in Europa von Juli an solche Zusätze in Kosmetika untersagt.
Die Studie
- Mit dem Projekt "MikrOMIK"
wurde erstmals systematisch untersucht, ob sich bakterielle Biofilme auf Mikroplastik von denen auf natürlichen Materialien unterscheiden und welchen Einfluss verschiedene Umweltfaktoren dabei haben.