Demenzkranke

1250 lokale Anlaufstellen geplant

Eine gemeinsame Agenda für Menschen mit Demenz haben Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Familienministerin Manuela Schwesig vorgestellt. Ausgebaut werden soll die Hilfe vor Ort.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Demenz-Erkrankungen belasten die Betroffenen und ihre Familien. Lokale Anlaufstellen sollen helfen.

Demenz-Erkrankungen belasten die Betroffenen und ihre Familien. Lokale Anlaufstellen sollen helfen.

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BERLIN. Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden heute an einer Demenz. Weitere 300.000 Patienten kommen jedes Jahr hinzu.

Mit der Agenda "Gemeinsam für Menschen mit Demenz" will die Bundesregierung regeln, wie die verschiedenen Interessengruppen und Organisationen künftig zusammenarbeiten müssen, um Betroffene und deren Familien besser zu versorgen.

Die konkreten Handlungsfelder waren unter Vorsitz von Gesundheits- und Familienministerium sowie der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet worden.

Außer den kommunalen Spitzenverbänden und Fachgesellschaften gehörten auch die Partner der Selbstverwaltung aus Pflege und Gesundheit zu der Arbeitsgruppe.

Pflegegesetz als Teil der Agenda

Hermann Gröhe (CDU) verwies bei der offiziellen Unterzeichnung am Montag in Berlin auf das Pflegestärkungsgesetz als Teil der Initiative. Das Gesetz, dessen erste Stufe beschlossen ist, sieht unter anderem vor, verschiedene Pflegeformen - Kurzzeit-, Verhinderungs- sowie Tages- und Nachtpflege - zu kombinieren.

Erstmals sollen auch Demenz-Kranke und ihre Angehörigen Zugang zu diesen Leistungen erhalten. Er betonte, dass es einer "gemeinsamen Kraftanstrengung aus allen Bereichen unserer Gesellschaft" bedarf, um Demenz-Kranken beizustehen.

Neben einer guten medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie Rehabilitationsmaßnahmen gehörten dazu der kompetente Umgang mit Demenzkranken in Arztpraxen, Krankenhäusern oder Bürgerämtern.

Die zentralen Bausteine der jetzt beschlossenen Demenzstrategie sind zusätzliche Anlaufstellen. Künftig sollen 1250 lokale Hilfeeinrichtungen Demenzkranke und ihre Familien unterstützen.

In die Zahl eingerechnet sind 450 Mehrgenerationenhäuser sowie 300 Anlaufstellen für ältere Menschen im Quartier. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) verwies ebenso darauf, dass das "Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf" Teil der Agenda ist.

Der Entwurf, der derzeit in der Verbändeanhörung ist, sieht vor, kurz- und längerfristige berufliche Auszeiten bei Lohnfortzahlung zu ermöglichen. "Die Familien erhalten so mehr Zeit, um die Doppelbelastung zu bewältigen", sagte Schwesig."

Heike von Lützau-Hohlbein Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft lobte, dass die Agenda vom Leitbild der Inklusion geprägt sei. "Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Demenz stehen im Vordergrund der vereinbarten Maßnahmen."

Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), freut sich über ein "wichtiges Etappenziel" und kündigte an, die Pflegeeinrichtungen "mit Vertragsmustern zur Verbesserung der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung auszustatten".

Für den Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hingegen ist es ein "buntes Paket mit Absichtserklärungen". Es sei nach wie vor unklar, wie viel Geld deutschlandweit in die Hand genommen werden soll und wann es bei den demenzkranken Menschen ankomme.

Die Betroffenen brauchten keine neuen Strategiepapiere, sie benötigten praktische Hilfe.

"Lebensorte" für gefahrloses "Ausleben"

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) betonte unterdessen in München, dass Menschen mit Demenz eine Betreuung brauchten, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sei. Es seien Lösungen für alle Lebensbereiche nötig. Die bayerische Landesregierung habe im vorigen Jahr eine eigene Demenzstrategie veröffentlicht.

Huml: "Wir haben in Bayern neue Wohnformen für Menschen mit Demenz geschaffen. Zudem gibt es stundenweise Betreuungsangebote, mit denen Angehörige von Menschen mit Demenz entlastet werden."

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne), erklärte, dass Menschen mit Demenz "in die Mitte der Gesellschaft" gehörten. Unter einer Ausgrenzung würden nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihre Angehörigen leiden.

"Wir müssen lernen, auch Verhaltensweisen zu akzeptieren, die vielleicht nicht unserer Norm entsprechen, aber Menschen mit dieser Krankheit in die Ruhe bringen und sie zufrieden machen", sagte Steffens.

Neben einer andern gesellschaftlichen Haltung seien dazu "Lebensorte" nötig, die auf die Bedürfnisse dieser Menschen eingerichtet sind und ihnen dieses "Ausleben" weitgehend gefahrlos ermöglichen.

Hilde Mattheis, pflegepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, mahnte unterdessen, dass Pflegebedürftige Zuwendung brauchten und nicht Medikamenten-Cocktails. Sie forderte die Arzneimittelvergabe an Pflegebedürftige und vor allem an Demenzkranke auf den Prüfstand zu stellen.

Zahlreiche Studien weisen, so Mattheis, sehr hohe Verordnungsraten von sedierenden und beruhigenden Medikamenten an Pflegebedürftige aus.

Ob diese Verordnungen tatsächlich immer eine therapeutische Indikation haben, müsse von den behandelnden Ärzten sehr genau geprüft werden. Hierfür sei eine hohe Sensibilisierung innerhalb der Ärzteschaft notwendig.

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