Modellrechnung

210 deutsche Kliniken überflüssig?

Das Rheinisch-Westfälische Instituts für Wirtschaftsforschung legt eine Simulationsrechnung vor: Demnach könnten 210 Krankenhäuser vom Netz genommen werden, ohne dass die Versorgung darunter leide.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Nach einer Modellrechnung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) könnten 210 Krankenhäuser in Deutschland vom Netz genommen werden, ohne die Krankenversorgung dadurch spürbar zu beeinträchtigen.

Die Ausgaben für die stationäre Versorgung würden um knapp 600 Millionen Euro jährlich sinken.

Höheres Einsparvolumen

Angesichts der Gesamtausgaben im Gesundheitssystem sei das keine sehr große Summe, räumte Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit beim RWI auf dem "Gesundheitskongress des Westens 2015" ein.

Er geht aber davon aus, dass sich das Einsparvolumen mit der Zeit noch erhöht. Außerdem werde sich die Finanzlage der Krankenkassen drastisch verschlechtern. "Darauf sollte man sich rechtzeitig vorbereiten", sagte Augurzky.

Grundlage für die Simulation des RWI war die Schätzung des Instituts, dass sich zurzeit rund 240 Kliniken in erhöhter Insolvenzgefahr befinden. Darunter sind 150 kommunale Häuser. Hinzu kommen 80 freigemeinnützige und zehn private.

Nicht erfasst sind Kliniken, die zwar rote Zahlen schreiben, aber von ihren Trägern gestützt werden, erläuterte der RWI-Experte. Er geht davon aus, dass jede achte der 240 Kliniken aus Versorgungsgründen erhalten bleiben sollte.

Diese 30 Kliniken bräuchten einen Sicherstellungszuschlag. Durch die Schließung der 210 verbleibenden würden Defizite von mindestens 570 Millionen Euro vermieden, sagte er.

Positiv zu Buche schlügen auch vermiedene Investitionen von 190 Millionen Euro. Gleichzeitig fielen durch die Schließung auch Kosten an: Rund 30 nicht unmittelbar von Insolvenz bedrohte Kliniken benötigten ebenfalls einen Sicherstellungszuschlag, vor allem für die Notfallversorgung.

Hinzu kämen Kosten durch zusätzliche Rettungshelikopter.

Welche Kliniken müssen verschwinden?

Ungeklärt sei die Frage, wie genau entschieden wird, welche Krankenhäuser vom Markt gehen, sagte Augurzky. Am liebsten wäre ihm, es würde wie in anderen Märkten laufen: "Es scheidet der aus, der die Wirtschaftlichkeit oder die Qualität nicht liefern kann."

Dr. Rainer Norden vom Evangelischen Krankenhaus Bielefeld bezweifelte, dass dies funktionieren würde. "Der am ehesten gangbare Weg wären Anreize, überflüssige Kapazitäten abzustoßen."

Anreize seien gut, man dürfe aber bei der Umsetzung nicht nur auf die Freiwilligkeit setzen, sagte Dirk Ruiss, Leiter der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen des Ersatzkassenverbands vdek.

In NRW habe das Land in die Krankenhaus-Planung Qualitätsparameter eingezogen wie den Facharztstandard für die Abteilungsleitung und ihre Stellvertretung sowie die Bildung von Versorgungsverbünden in der Geriatrie. "Das wird von den Kliniken leider nicht umgesetzt", berichtete Ruiss.

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