Vor Bundestagswahl

AOK kritisiert Spahn hart und nimmt Extrabudgetierung aufs Korn

„Aktionismus“ und „One-Man-Show“: Der AOK-Bundesverband übt harsche Kritik an der Politik von Gesundheitsminister Jens Spahn. Die Vertragsärzte will der Kassenverband wieder stärker unter dem Budgetdeckel sehen.

Von Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein Sparschwein wird zerschlagen - Münzen und Scherben fliegen.

Das Sparschwein der Kassen musste unter der aktuellen Regierung leiden.

© twinsterphoto / stock.adobe.com

Berlin. Vertreter des AOK-Bundesverbandes haben die Vorstellung eines Positionspapiers zur Bundestagswahl am Dienstag für eine Generalabrechnung mit der Politik von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) genutzt.

Das kostenträchtige Gesetzesfeuerwerk, das Spahn abgebrannt habe, sei „Aktionismus pur“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der AOK für die Arbeitgeberseite, Dr. Volker Hansen. Nachhaltige Strukturreformen im Gesundheitswesen seien dagegen nicht einmal mit der Lupe auszumachen. Dies gelte für die Reform der Krankenhauslandschaft ebenso wie für die der Pflegeversicherung. Zudem habe die Regierung acht Milliarden Euro aus den Reserven der Kassen zur Finanzierung herangezogen. Nun seien alle Puffer verbraucht. „Wir brauchen ein Ende der Spahn‘schen One-Man-Show, der Konzeptionslosigkeit und der Durchwurschtelei zu Lasten aller“, forderte Hansen.

Folge: Milliardendefizite der GKV

Die Folgen seien Defizite von jeweils 17 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung im laufenden und kommenden Jahr. Dazu addiere sich ein Minus von 3,5 Milliarden Euro in der gesetzlichen Pflegeversicherung in 2022. Gebraucht werde nun ein durchdachtes Sanierungs- und Stabilisierungskonzept für die gesetzliche Krankenversicherung. Die Kassen wollten dafür keine höheren Bundeszuschüsse, sondern eine klare Kostenverteilung zwischen Beitrags- und Steuerzahler. Die Kassen beanspruchten zudem die Handlungs- und Beitragsautonomie zurück.

Wir brauchen ein Ende der Spahn‘schen One-Man-Show, der Konzeptionslosigkeit und der Durchwurschtelei zu Lasten aller.

Dr. Volker Hansen Aufsichtsratsvorsitzende der AOK für die Arbeitgeberseite

In seinen am Dienstag vorgestellten Positionen fordert der AOK-Verband eine Neuvergabe des Sicherstellungsauftrages. Der solle in den Ländern auf jeweils neu zu schaffende Gremien übergehen. Darin sollten die Vertragsärzte, die Krankenhäuser, die Kassen und die Länder konkrete Versorgungsbedarfe vor Ort formulieren. Die Stimmenverteilung solle analog zu der im Gemeinsamen Bundesausschuss paritätisch zwischen Leistungserbringern und Kassen erfolgen. Die Länder sollten die Rolle der Unparteiischen Mitglieder einnehmen.

Beharrungskräfte im Blick

Die Beharrungskräfte des Systems hat der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands im Blick. Ihm sei klar, dass die Sicherstellung der KVen und die Krankenhausplanung der Länder nicht mit einem Schlag aus der Welt zu schaffen seien, sagte Martin Litsch. Mit den vorgeschlagenen „Drei-plus-eins-Gremien“ werde jedoch ein Rahmen für an den regionalen Bedarf angepasste Versorgungsmodelle wie zum Beispiel Interprofessionelle Gesundheitszentren geschaffen. Die damit einhergehende Transformation der Versorgungsstrukturen, sprich eine sektorenunabhängige Weiterentwicklung der Versorgungsaufträge, könne aus den verschiedenen Strukturfonds finanziert werden, schlagen die AOKen vor.

Für die Versorgung der Patienten durch niedergelassene Ärzte schwebt dem AOK-Bundesverband eine Vergütungssystematik vor, die jede Leistung gleichermaßen vergütet, aber einheitlichen Mengen- und Budgetierungsmaßnahmen unterliegt.

Deshalb sollten die 2019 eingeführten extrabudgetären TSVG-Leistungen zurück unter den Budgetdeckel, heißt es in dem Positionspapier. Die Ausbudgetierung habe kaum Versorgungsverbesserungen erreicht.

Die AOK will mehr Kontrolle. Die Abrechnungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung bei allen Leistungserbringern in der ambulanten Versorgung solle wieder stärker gewichtet werden. Zudem solle der Einheitliche Bewertungsmaßstab stärker betriebswirtschaftlich kalkuliert werden.

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