Modellprojekt zeigt Wirkung

AOK will mehr rehabilitative Ansätze in der Pflege

Die AOK Rheinland/Hamburg fordert mehr Anreize für das Prinzip „Reha vor Pflege“. Das senke das Risiko für dauerhafte Pflege. Vorbild könne ein in zwei Mülheimer Altenheimen praktiziertes Therapiekonzept sein.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Rehabiliative Pflege, um schließlich wieder in die eigenen vier Wände zurückkehren zu können. Die AOK Rheinland-Hamburg fordert, der Gesetzgeber solle Anreize für „Reha vor Pflege“ schaffen.

Rehabiliative Pflege, um schließlich wieder in die eigenen vier Wände zurückkehren zu können. Die AOK Rheinland-Hamburg fordert, der Gesetzgeber solle Anreize für „Reha vor Pflege“ schaffen.

© scully / imageBROKER / picture alliance

Berlin. Vertreter der Krankenkassen haben strukturelle Reformen in der Pflege gefordert. Dabei sei auch der Grundsatz „Reha vor Pflege“ in den Blick zu nehmen, sagte das Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, Matthias Mohrmann, bei der Vorstellung eines Konzepts zur therapeutischen Pflege in Altenheimen am Dienstag in Berlin.

Noch immer fehle es den Kassen an Anreizen, stärker in Leistungen zur Vermeidung von dauerhafter Pflege zu investieren, so Mohrmann. „Wir tun es trotzdem, aber wir tun uns als gesetzliche Krankenversicherung insgesamt schwer damit.“

Seit Jahren ein Ärgernis

Das Zusammenspiel von Reha und Pflege ist seit Jahren ein Ärgernis. Kritisiert wird, dass Anreize falsch gesetzt sind: So würden Krankenkassen betriebswirtschaftlich wider ihre Interessen handeln, wenn sie mehr in Leistungen zur Vermeidung von Pflege, sprich Reha, investierten. Nutznießer der Investitionen wäre ja die Pflege-, nicht die Krankenkasse.

Deswegen brauche es hier eine andere Lösung, betonte Mohrmann. „Die überzeugendste Lösung ist aus meiner Sicht, die soziale Pflegeversicherung auszubauen und dort alle notwendigen Leistungen – also Pflege, Therapie und Rehabilitation – zusammenzuführen.“

Der Gesetzgeber sei aufgerufen, die rechtlichen Grundlagen für mehr Reha in der Pflege zu schaffen. Nur über neue Geldquellen für die Pflegeversicherung nachzudenken, reiche nicht. Klar sei, dass die Pflegekosten weiter stiegen. Eine höhere Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen sei zu verhindern.

„Teils widersprüchliche Anreize“

Grundsätzlich seien vorhandene Mittel gezielter einzusetzen, forderte Mohrmann. „Wir können schlechte Kosten vermeiden.“ Ganzheitlich könne eine Versorgung pflegebedürftiger Menschen nur sein, „wenn sie nicht aus verschiedenen Quellen gespeist wird, die jeweils noch eigene Regelwerke und eigene, teils widersprüchliche Anreizsysteme haben“.

„Rehabilitative Ansätze bei Pflegeheimbewohnern senken die Krankheitslast und die Kosten für das Gesundheitssystem“, pflichtete der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, Professor Michael Rapp, bei. Rapp verwies auf die Evaluation eines Konzepts zur therapeutischen Pflege, das in den Heimen der Evangelischen Altenhilfe in Mülheim an der Ruhr zur Anwendung kommt.

Dank der rehabilitativen Anteile sei das Konzept gegenüber Vergleichsheimen „kosteneffizient und effektiv“, so Rapp. Ziel müsse sein, rehabilitative Ansätze im Pflegeheim bundesweit zu implementieren. Noch immer verblieben etwa 40 Prozent der älteren Patienten in der Kurzzeitpflege nach einem Klinikaufenthalt dauerhaft im Heim.

Rückkehr ins eigene Zuhause

Kernelement des Therapiekonzepts der beiden Pflegeheime in Mülheim ist ein interdisziplinäres Konsil, dem jeder Bewohner nach Aufnahme unterzogen wird. „Wir schauen zusammen mit Ärzten, Apothekern, Pflegekräften und Therapeuten, welche Therapie für den Einzelnen die beste ist und wie diese in den Pflegealltag implementiert werden kann“, sagte Pflegedienstleiter Oskar Dierbach.

Dabei gebe der Pflegebedürftige mit seiner Tagesform die Taktung des therapeutischen Handelns vor. „Der Pflegebedürftige bestimmt, wie viel er kann und wann er kann.“ Aufgabe der Pflegekräfte sei es, zu motivieren und zu beobachten, so Dierbach.

Nahziele einer Therapie könnten die schleichende Reduktion von Sedativa und Psychopharmaka unter fachärztlicher Aufsicht, eine ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung, Mobilisation oder die Stärkung eines gesunden Tag-Nacht-Rhythmus sein, so Dierbach. Langfristiges Ziel sei es, den Senioren die Rückkehr ins eigene Zuhause zu ermöglichen.

Zu den „Hauptgewinnern“ des Konzepts gehörten auch die Pflegekräfte, betonte Dierbach. Sie machten die Erfahrung, älteren Menschen „wirklich dienen“ zu können. „Es lohnt sich, weil es Sinn stiftet und weil es Freude macht.“

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Expertenkonsensus zum B12-Mangel

© MP Studio / stock.adobe.com

Aktuelle Empfehlungen:

Expertenkonsensus zum B12-Mangel

Anzeige | Wörwag Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Abb. 1: Eszopiclon verbesserte signifikant beide polysomnographisch bestimmten primären Endpunkte: Schlaflatenz (a) und Schlafeffizienz (b)bei älteren Patienten mit chronischer primärer Insomnie (jeweils p0,05)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziet nach [20]

Behandlungsbedürftige Schlafstörungen bei älteren Menschen

Schlafstörungen können typische Altersprozesse triggern und verstärken

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: HENNIG Arzneimittel GmbH & Co. KG, Flörsheim
Mehr als Schutz für die Atemwege

© Springer Medizin Verlag GmbH

Influenza-Impfung

Mehr als Schutz für die Atemwege

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.
Prof. Dr. Sylvia Kotterba

© [M] Privat; dule964 / Fotolia; alice_photo / Fotolia

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Krankhaft müde: Welche Folgen kann das für Betroffene haben?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Jazz Pharmaceuticals Germany GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Lesetipps