Diabetes-Strategie
Adipositas-Therapie auf Kassenkosten ist auf dem Weg
Trotz eines Bundestagsbeschlusses bleibt der Einsatz der Koalition gegen Übergewicht und Diabetes in der Kritik. Der Status von Adipositas wird neu diskutiert.
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Mehr als die Hälfte der erwachsenen Bundesbürger ist übergewichtig bis adipös. Nun soll Adipositas in Deutschland als Krankheit anerkannt werden.
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Berlin. Täglich erkranken rund 1000 Menschen in Deutschland an Diabetes Typ 2. Das Robert Koch-Institut rechnet mit 12,4 Millionen Betroffenen im Jahr 2040. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen ist übergewichtig bis adipös. Das geht aus der RKI-Studie zur Gesundheit Erwachsener (DEGS) hervor.
Jetzt haben sich die Fraktionen von Union und SPD am Freitag nach jahrelangem politischen Gerangel darauf verständigt, eine Nationale Diabetesstrategie aufs Gleis zu setzen.
Adipositas-Gesetz fehlt noch
Diese enthalte auch die „Anerkennung von Adipositas als Krankheit durch den Deutschen Bundestag“, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß im Anschluss an den Beschluss. Anders als in den meisten europäischen Ländern und bei der Weltgesundheitsorganisation gelte Adipositas hierzulande nicht als Krankheit.
Das wirke sich auf die Versorgung aus. Es mangele an einer facharztübergreifenden, professionellen, ambulanten Behandlung, an Schulungsprogrammen für Betroffene und auch an Verständnis für deren Situation, soKrauß. Der GBA solle nun prüfen, ob Adipositas an sich zu Lasten der Kassen leitliniengerecht behandelt werden können soll.
Als „wichtigen politischen Durchbruch mit Signalwirkung an den Gemeinsamen Bundesausschuss“ bezeichnete Professorin Martina de Zwaan, Präsidentin der Deutschen Adipositas-Gesellschaft den Beschluss zur Nationalen Diabetes-Strategie. Es sei höchste Zeit, dass die Adipositas in den Fokus gesundheitspolitischer Entscheider gerate, insbesondere da die Diabetes-Strategie langfristig in eine ressortübergreifende Strategie für Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland überführt werden solle, so de Zwaan weiter. Die Strategie selbst könne die Kassen nicht verpflichten, Geld für Adipositastherapie auszugeben. Dafür fehle noch ein Gesetz.
Forderung nach Zuckerreduktion
Auch nach dem Beschluss des Bundestages bei Enthaltung aller Fraktionen der Opposition gehen die Auseinandersetzungen dazu weiter. „Es muss Schluss sein mit so genannten Kinderlebensmitteln, die vor allem eins sind, nämlich süß“, sagte die ernährungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Ursula Schulte. Die Hersteller gesüßter Getränke müssten zur Halbierung des Zuckergehaltes verpflichtet werden, wie dies Ärzte und Krankenkassen empfählen, sagte Schulte.
Einigen konnte sich die Koalition lediglich auf das Ziel einer freiwilligen Verringerung des Zuckergehalts um 15 Prozent bis zum Jahr 2025.
DDG: „Nur der erste Aufschlag“
„Die Lebensmittelindustrie muss hier mehr in die Verantwortung genommen werden, denn ihre Produkte tragen ganz wesentlich zu gesundem oder ungesundem Essverhalten bei“, erklärte die Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft Barbara Bitzer. „Es kann sich bei der Nationalen Diabetesstrategie nur um einen ersten Aufschlag handeln, nun müssen den Willensbekundungen auch Taten folgen“, sagte DDG-Präsidentin Professor Monika Kellerer
In der Strategie fehlten Zeithorizonte, bis wann die vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden sollten und Angaben zur konkreten Finanzierung dieser Maßnahmen, beklagten Vertreter von DiabetesDE.
„Besonders effektive verhältnispräventive Maßnahmen auf Bevölkerungsebene wie die Reduzierung des Zuckergehalts in Limonaden und Tees sowie Werbeeinschränkungen für Produkte mit Kinderoptik blieben weiterhin vernachlässigt, so Nicole Mattig-Fabian, Geschäftsführerin von diabetesDE.
Positiv: Ausbau der Telemedizin
Trotz aller „ehrenwerten Bemühungen“ sei die Diabetesstrategie“nur ein Spatz in der Hand, ein Spatz mit Kinderkrankheiten“, sagt sie. Dabei enthalten die acht Kernpunkte der Nationalen Präventionsstrategie laut diabetesDE viel Notwendiges. Positiv zu werten seien vor allem endlich ressortübergreifende Ansätze zur Diabetesprävention, ebenso wie die Verbesserung und Weiterentwicklung von medizinischen Curricula, der Disease Management Programme und der sektorübergreifenden Versorgung.
DiabetesDE begrüßt zudem, dass die Nationale Strategie einen weiteren Ausbau der Telemedizin in der Diabetesversorgung vorsieht. „Die Notwendigkeit ist in den letzten Monaten, in denen die Menschen mit Diabetes nicht ihre analogen Schulungs- und Beratungsgespräche in den Praxen wahrnehmen konnten, mehr als offensichtlich geworden. Diabetes ist ein Paradebeispiel für die Vorteile von Digitalisierung“, erklärt Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE. (Mitarbeit reh)