Bislang nicht geübte Einsatzlage

Ärger um Katastrophenschutz: Übung in Berlin abgebrochen

Müssen Katastrophenschutzübungen auch unangekündigt funktionieren, damit sie ehrliche Ergebnisse liefern? Ein Berliner Bezirk testet den Ernstfall und erlebt einige Schwierigkeiten – die bis zum Abbruch der Übung führen.

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Berlin. Eine unangekündigte Katastrophenschutzübung in Berlin hat Schwächen beim spontanen Einsatz von Hilfsorganisationen deutlich gemacht. Nach mehrstündigen Verspätungen in der Reaktion auf einen angenommenen Chemieunfall mit Dutzenden Toten wurde der Praxistest schließlich abgebrochen.

Es habe Schwierigkeiten gegeben, freiwillig organisierte Dienste ausreichend zu mobilisieren, sagten Behördenvertreter, die den vorher geheim gehaltenen Ablauf beobachteten, der Deutschen Presse-Agentur. Der Übungsleiter Philipp Cachée erklärte, es seien Probleme deutlich geworden, aber auch Erkenntnisse gewonnen worden.

Angenommene Einsatzlage: Massenanfall an Verstorbenen

Mit der bislang so nicht geübten Einsatzlage stellen die Behörden am Samstag die Handlungsfähigkeit bei einem Szenario „Massenanfall an Verstorbenen“ auf den Prüfstand. In dem Übungsszenario waren Helfer mit der Herausforderung konfrontiert, dass es bei einem chemischen Unfall knapp 70 Betroffene gibt, von denen am Ende mehr als die Hälfte stirbt. Geplant war, dass in der Folge auch Technik zur Dekontamination sowie die Aufbewahrung von Leichen in großer Zahl getestet wird.

Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichtsmedizin, Bestattungsunternehmen, das Gesundheitsamt, die Landespolizei und die Bundeswehr waren als Beobachter vor Ort oder hätten im weiteren Verlauf der Übung eine Rolle spielen sollen.

Streit um die Retter: Ist üben eine Pflicht?

Wer nicht in der engeren Übungszone erschien, waren die alarmierten Retter. Die Übung stand am Rande eines Eklats wegen Streitigkeiten, bei denen es um die Verfügbarkeit von Kräften ging, die später in anderen Einsätzen – darunter die Betreuung eines Fußballspiels der zweiten Bundesliga – gebunden waren.

Dabei war alles vorbereitet, um eine möglichst lebensnahe Übung zu gewährleisten. Vor und in dem Gebäude einer Hochschule in Friedrichsfelde lagen Freiwillige, die Opfer darstellen sollten. Sie hatten zuvor Aufgabenzettel erhalten, mit Vorgaben zum weiteren zeitlichen Ablauf, ihren vermeintlichen Symptomen und dem Zeitpunkt eines angenommenen Todes. Die Darsteller standen wegen der langen Wartezeit von etwa drei Stunden schließlich mehrfach auf, um sich dann wieder in Position zu bringen.

Übung ohne Vorbild

„So ein Szenario ist in den letzten Jahrzehnten in der ganzen Bundesrepublik noch nirgends beübt worden“, hatte Cachée, der Katastrophen- und Zivilschutzbeauftragte des Bezirksamts Berlin-Lichtenberg, zum Auftakt der Übung gesagt. Das Berliner Katastrophenschutzgesetz schreibt den Bezirken jährliche Übungen vor, um „die unverzügliche Einsatzbereitschaft ihrer Einsatzkräfte sowie das Zusammenwirken mit anderen Katastrophenschutzbehörden und den Mitwirkenden im Katastrophenschutz zu erproben“.

Als Beobachter beteiligte Sicherheitsbehörden erklärten, wenn Kräfte wie die Berufsfeuerwehr, Polizei oder auch die Bundeswehr in Amtshilfe getestet würden, sei ein ganz anderes Ergebnis und kurzfristige Reaktion auf eine Lage zu erwarten. Darauf war allerdings bewusst verzichtet worden, um den sogenannten Grundschutz in Berlin nicht zu beschränken und weil eine Abstützung auf Freiwilligenorganisationen in großen Lagen getestet werden sollte.

Klimakrisen und Konflikte: Es soll mehr und realistisch geübt werden

Wegen der veränderten Sicherheitslage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, aber auch nach Unwetterkatastrophen wie dem Hochwasser der Ahr haben Polizei, Rettungsdienste und die Bundeswehr Konzepte für eine engere, abgestimmte Zusammenarbeit erarbeitet. Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wurde ein Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz von Bund und Ländern eingerichtet.

Um den Katastrophenschutz kümmern sich in Deutschland die Länder. Für den Schutz der Bevölkerung im Kriegs- oder Spannungsfall ist der Bund zuständig. Allerdings können die Länder bei schweren Unwettern oder anderen Katastrophen Unterstützung vom Bund anfordern, etwa durch die Bundeswehr oder die Bundespolizei.

Um die Alarmierung der Bevölkerung im Krisenfall zu üben, gibt es einmal im Jahr einen bundesweiten Warntag, bei dem das BBK den Probealarm auslöst, der dann Handys schrillen lässt und in einigen Regionen auch von Sirenengeheul begleitet wird. Von der bundesweiten Übung „Lükex“, die das Bundesamt regelmäßig abhält, bekommt die Bevölkerung allerdings praktisch nichts mit. Denn hier üben die Katastrophenschützer und Behördenmitarbeiter lediglich, wer im Ernstfall was wie organisieren muss – etwa bei einem Cyberangriff oder im Falle einer Pandemie. (dpa)

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