E-Health

"Ärzte sollten sich mit der neuen Welt arrangieren"

Die schöne neue digitale Gesundheitswelt hat Haken und Ösen. Eine Verweigerungshaltung von Ärzten in puncto E-Health bringt allerdings nichts - im Gegenteil, sie sollten die Regeln bestimmen. Das war der Tenor einer Diskussionsveranstaltung auf dem Hauptstadtkongress.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Weist auf Fördermöglichkeiten für E-Health-Investitionen hin: Holger Rostek (links) von der KV Brandenburg.

Weist auf Fördermöglichkeiten für E-Health-Investitionen hin: Holger Rostek (links) von der KV Brandenburg.

© Daniel Vogt

BERLIN. Der Gesetzgeber macht Tempo. Die große Koalition will das Gesundheitswesen aus dem analogen Zeitalter herausholen und in ein digitales Zeitalter führen.

Ärzte mahnen zur Besonnenheit. E-Health und Telemedizin, die gesamte Digitalisierung des Gesundheitswesens dürften nicht zum Selbstzweck verkommen, betonten Praktiker des Medizinbetriebs am Mittwoch beim Hauptstadtkongress.

Ärzte sollten beim Aufbau der digitalen Gesundheitswelt die Hüte aufbehalten und sich die Regeln nicht von der Industrie aufzwingen lassen. Projekte, die von Nicht-Ärzten angeschoben würden, würden in der Praxis scheitern, lautete die Prognose.

"Die Industrie muss Anwendungen für den Arzt und für die Patienten entwickeln, nicht aus Technikverliebtheit heraus", sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, Dr. Hans-Joachim Helming zum Auftakt der Veranstaltung "Das neue E-Health-Gesetz: Fluch oder Segen für die Arztpraxis?"

Gute IT ist leicht zu erkennen

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Helming fand eine einfache Formel als Antwort auf diese Frage. Unterstütze eine IT-Anwendung den Workflow in der Praxis, sei sie gut. Bremse sie die Arzt-Patienten-Beziehung aus, weil der Arzt mit Programm und Bildschirm kämpfen müsse anstatt sich um den ihm gegenübersitzenden Patienten zu kümmern, sei sie schlecht.

Eine Verweigerungshaltung der Ärzte nütze nicht, sagte Helming. Sie sollten die Potenziale nutzen und die Scheuklappen ablegen.Während die Ärzte über Sicherheitsstandards stritten, finde im wirklichen Leben die digitale Revolution statt.

Dabei schere es die meisten Menschen schon heute nicht, wenn sie ihre Daten den immer zahlreicher werdenden Gesundheits-Apps anvertrauten, ein Markt übrigens, um den sich die Ärzte viel zu wenig kümmerten und ihn weitgehend der Industrie überlasse.

Die Ärzte sollten sich also mit der neuen Welt arrangieren. Voraussetzung sei allerdings, es werde ein Mehrwert für Ärzte und Patienten sichtbar und die Anwendungen seien intuitiv nutzbar, so Helming.

In die gleiche Kerbe hieb der Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Kristian Meinck. Das Optimierungspotenzial liege in der Überbrückung der Sektorengrenzen. "Definiert man die Prozesse übergreifend und leitet dann daraus die elektronische Lösung ab, nützt das den Patienten", sagte Meinck.

Der Facharzt forderte Unterstützung der Politik bei der für die Digitalisierung zwingend notwendige Standardisierung zahlreicher Prozesse ein. Dazu gehöre auch eine semantische Vereinheitlichung.

Das grassierende "Kauderwelsch" sei nach wie vor eine Fehlerquelle. Es zu beseitigen, fehle den Berufsverbänden der Mumm. Hier sei die Politik gefordert.

Fördermöglichkeiten beim E-Arztbrief

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Helge Reichert, Allgemeinarzt in Templin, machte auf fehlende Voraussetzungen für die weitere Vernetzung von Ärzten, Apothekern und Pflegediensten , zum Beispiel in Arztnetzen, aufmerksam. So sei es schwer, alle Akteure dazu zu bringen, einheitliche Datenbanken, zum Beispiel für Arzneimittel, zu verwenden.

Holger Rostek von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg wies auf die Fördermöglichkeiten für Ärzte hin, die sich jetzt für einen Einstieg in den papierlosen Arztbrief-Verkehr entschieden. Die KVBB werde ihren Mitgliedern noch bis Ende des Jahres den Umstieg kostenlos ermöglichen.

Dafür werde ein sicherer E-Mail-Dienst für Arztbriefe in die Arztpraxissysteme eingebaut. Die strukturierten Arztbriefe seien zudem in der Lage, ihre Daten in den workflow der Praxen und perspektivisch auch der Kliniken einzuspeisen.

Manche Krankenhäuser haben sich bereits auf den Weg gemacht, "papierlos" zu werden. Dazu gehört das Ernst-Bergmann-Klinikum in Potsdam. Dort seien die Patientenakten bereits an jedem Terminal verfügbar, sagte der IT-Verantwortliche des Klinikums, Tim Steckel.

 Wirtschaftliche Potenziale steckten in der Zeitersparnis bei der Dokumentation mit Textbausteinen. Doppeldokumentationen könnten mit der internen Vernetzung minimiert werden.

Der Wermutstropfen: Im Moment gehe die Kommunikation mit den zuweisenden Ärzten einseitig von der Klinik aus. In der Zukunft sollten zu beiderseitigem Vorteil mehr Kanäle zwischen Zuweisern und Kliniken geöffnet werden, sagte Steckel.

So könnten sich beide Seiten bei Aufnahme und Entlassung von Patienten gegenseitig unterstützen, nicht zuletzt beim Terminmanagement.

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