FDP im Bundestag

Ärztemangel ist ein „Märchen“

In Deutschland gibt es genügend Ärzte, findet die FDP im Bundestag. Und nach Auffassung der Fraktion gibt es auch ausreichend viele Medizinstudienplätze.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Professor Andrew Ullmann, Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss, sieht keinen Ärztemangel in Deutschland.

Professor Andrew Ullmann, Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss, sieht keinen Ärztemangel in Deutschland.

© Sven Hoppe / dpa

BERLIN. Vor dem Deutschen Ärztetag (28. bis 31. Mai) in Münster macht die FDP im Bundestag eine ungewöhnliche Front auf: Professor Andrew Ullmann, Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss, bezeichnet den von der Bundesärztekammer (BÄK) proklamierten Ärztemangel als „Märchen“.

In einer parlamentarischen Anfrage an die Regierung hat sich die Fraktion umfangreiches Datenmaterial aufbereiten lassen.

Ullmann, der nach wie vor an der Universitätsklinik Würzburg arbeitet, zieht dieses Fazit: „Heute haben wir so viele berufstätige Ärztinnen und Ärzte wie nie zuvor. Es sind 140.000 mehr als im Jahr 1992 und die Zahl steigt stetig.“

FDP: Zahl der Medizinstudienplätze sind ausreichend

Der FDP-Politiker widerspricht auch einem anderen Credo der BÄK, dem Ruf nach mehr Medizinstudienplätzen: Ihre Zahl sei ausreichend – im Jahr 2017 schlossen 10.426 Nachwuchs-Mediziner ihr Studium ab. „Die Länder sollten das Geld besser in die Attraktivität der ländlichen Regionen stecken“, meint er.

Noch Ende März hatte BÄK-Chef Professor Frank Ulrich Montgomery anlässlich der Veröffentlichung der neuen Ärztestatistik eine völlig andere Botschaft gesendet: „Wir zehren seit Jahren von der Substanz. Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte wächst zu langsam, um die enormen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen unser Gesundheitssystem steht.“

Sein zentrales Argument: Trotz der steigenden Zahl an Köpfen nehme die Arbeitskapazität der Ärzte in Klinik und Praxis nicht zu.

Die Arbeit indes schon: Die BÄK verweist auf wachsende Behandlungszahlen etwa in Kliniken: Zwischen 2009 und 2017 stieg die Zahl der stationären Behandlungsfälle von 17,8 auf 19,5 Millionen.

Alleinige Forderung nach mehr Ärzten greift zu kurz

Ein- und Auswanderung

  • 1941 Ärzte sind im vergangenen Jahr aus Deutschland ausgewandert, davon 1101 mit deutscher Staatsbürgerschaft. Im Jahre 2013 wanderten noch 3035 Ärzte aus.
  • Die Zahl der ausländischen Ärzte ist im Vorjahr um rund 3500 auf fast 55.000 gestiegen. Sie kommen vor allem aus Rumänien (4505), Syrien (3632) und Griechenland (3147).

Für den Chef des Sachverständigenrats, Professor Ferdinand Gerlach, greift die alleinige Forderung nach mehr Ärzten zu kurz. Es gebe ein Nebeneinander von Unter-, Über- und Fehlversorgung, zitierte Gerlach beim Medizinischen Fakultätentag 2018 in Mainz die Position der Gesundheitsweisen.

Zunächst sei ein Abbau der „eklatanten Überversorgung im stationären und ambulant-fachspezifischen Bereich erforderlich“, mahnte Gerlach.

Auffällig sei auch die im Vergleich hohe Hospitalisierungsrate in Deutschland. Erst wenn diese Strukturprobleme angegangen worden sind, könne – falls noch erforderlich – eine höhere Zahl von Medizinstudienplätzen am Ende der Reformkette stehen.

Genereller Ärztemangel "bislang nicht feststellbar"

Die Bundesregierung nimmt zu diesem Grundsatzkonflikt nicht dezidiert Stellung. Ein genereller Ärztemangel in Deutschland sei „bislang nicht feststellbar“, heißt es. Dagegen spreche das im internationalen Vergleich „überdurchschnittliche Arzt-Einwohner-Verhältnis“.

Auf mehr als einen vagen Prüfauftrag lässt sich die Regierung nicht ein. Man werde beobachten, inwieweit mehr Teilzeitarbeit, demografische Alterung und wachsende Morbidität ein höheres Versorgungsangebot erfordern. Dann würde die Regierung „frühzeitig“ reagieren.

Glaubt man Daten der OECD, steht Deutschland im Vergleich der Industrieländer nicht schlecht da: Hierzulande kommen 4,2 Ärzte auf 1000 Einwohner. Ähnliche Werte weisen nur die Schweiz, Schweden (beide 4,3) oder Norwegen (4,5) auf. Frankreich (3,1) oder die Niederlande (3,5) halten weniger Ärzte vor.

Wir haben den Beitrag aktualisiert und ergänzt am 13.05.2019 um 15:30 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Politische Märchenstunde

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 13.05.201921:08 Uhr

Ärztemangel offensichtlich in der ambulanten Versorgung!

Ich kann hier nur aus eigener Erfahrung vom offensichtlichen Ärztemangel trotz ansteigender Arztzahlen in der ambulanten Versorgung berichten:

1990 ambulant tätige Ärzte/-innen: 92.289

2018 ambulant tätige Ärzte/-innen: 157.288

Das bedeutet in 29 Jahren (Startjahr 1990 zählt mit) einen jährlichen Zuwachs von 2.241 Humanmedizinern in der gesamten ambulanten haus-, familien- und fachärztlichen Versorgung, was mit deren Ansprüchen an ihre "work-life-balance", dem demografischen Faktor, medizinischem Fortschritt, diagnostischer und therapeutischer Vielfalt bzw. gestiegenen Versorgungs-Qualitäts- und Machbarkeits-Ansprüchen zu erklären ist.

Vertraut man der inzwischen weiter zunehmenden Zahl von 39.816 angestellten Ärzten, davon immer mehr Frauen in Teilzeitbeschäftigung, relativiert sich dieser Zuwachs auf 157.288 registrierte ambulant tätige Ärzte/-innen ganz erheblich.

Der versorgungsstatische Ärztemangel wird auch konkret und anschaulich:
Versuchen Sie einen kardiologischen, nephrologischen, neurologischen, endokrinologischen, pneumologischen oder rheumatologischen Termin bei einem GKV-Vertragsarzt in Deutschland zu bekommen? Es sei denn, sie sind Klinik-Infektiologe, heißen Prof. Dr. med. Andrew Ullmann und sind als FDP-Gesundheitspolitiker und Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss unterwegs.

Haus- und familienärztliche Allgemein- bzw. Facharzt-Medizin bedeuten mehr als nur die Praxistüren offenzuhalten:

Die Mindestzahl der Sprechstunden in vertragsärztlichen Vollzeit-Praxen für Kassenpatienten, wie mit dem Terminservice- und Versorgungs-Gesetz (TSVG) geschehen, von 20 Stunden auf 25 Stunden pro Woche erhöhen zu wollen, ist zumindest im haus- und familienärztlichen Bereich (Allgemeinmedizin, hausärztliche Internisten, Pädiater, Gynäkologen) reine Fiktion: Insbesondere in Zeiten von Influenza-Häufung und massenweisen Atemwegserkrankungen zusätzlich zur Basisversorgung bei allen Organ-, Psycho- und Systemkrankheiten beginnt und endet mit der Sprechstunde nicht die Arbeit am Patienten.

Bei Inanspruchnahme von 20-25 Stunden offizieller "Kassen-Sprechstunde" ist regelmäßig von 25-30 Stunden Inanspruchnahme auszugehen.

Die oft aufgehetzte Kommunikation über ärztliche Arbeits-Aufgaben und -Zeiten in Bundes-, Landes- und Regional-Politik, Medien, Öffentlichkeit und Sozialversicherungs-Bürokratie gipfelt z. B. in der Unterstellung, wer als niedergelassener Vertragsarzt für sich eine 50-Stunden-Woche reklamiert, solle doch gefälligst wesentlich längere offene Sprechstunden anbieten können. Dieses Ansinnen kommt zumeist von Leuten, die nicht ein einziges Mal hinter den Anmeldetresen geschaut, Mitarbeiter/-innen oder Familienangehörige befragt oder bei ihrem "Hausarzt" hospitiert haben.

Bei 20-25 Wochen-Stunden reiner Sprechstunden-Zeit, mit Vorlauf und Nachlauf also 25-30h, kommen hinzu:

1. Fahrt-/Rüstzeiten/Logistik/Organisation/Bereitschaft 5h
2. EDV-Einrichtung, Verwaltung, Datenpflege, Dokumentation, Abrechnung 5h
3. Fort- und Weiterbildung, Fachliteratur, Recherchen 5h
4. Fahrtzeiten Haus-/Heim-/Palliativ-Besuche/Notdienste/Verweilen 5h
5. Medizin-ferne Anfragen/Gutachten/Bescheinigung/Bürokratie 5h

So kommt man bei einer reinen GKV-Sprechstunden-Zeit von 20 Stunden auf die empirisch bereits mehrfach belegte durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 45 Stunden plus weitere 10 Stunden für zusätzliche, rein privatärztliche Tätigkeit bei den in der ambulanten Krankenversorgung tätigen Vertragsärztinnen und -ärzten.

Von 20 auf 25 Wochenstunden zu erhöhen, entspricht einer Steigerung um 25 Prozent: Damit läge die GKV-Wochenarbeitszeit bei gut 55 Stunden plus 10 Stunden privatärztliche Tätigkeit.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (über 30 Wochenstunden reine Sprechzeiten seit 1992 und oft zusätzliche Hausbesuchs- und Fortbildungszeiten)

P.S. Haben auch Sie von denen gehört, die ohne Termin ein

Dr. Florian Huber 13.05.201918:15 Uhr

Inkompetenz

FDP für Ärzte ab jetzt nicht mehr wählbar, täglich erlebe ich im Klinikalltag anderes. Mag schon sein, dass durch mehr Bürokratie, mehr Ärzte nötig sind, aber auch das brachte die Politik und insbesondere die von der FDP mit angestoßene Privatisierung des Gesundheitsbereiches!

Dr. med. Max Lindemann 13.05.201916:14 Uhr

"relativer" Ärztemangel

Zahlenmäßig besteht kein Ärztemangel; thematisiert wird in keiner Stellungnahme egal welcher Organisation, dass sich in den letzten ca. 30 Jahren, die Zahl der Ärztinnen, die Examen machen, fast verdoppelt hat. Der Anteil der weiblichen Medizinstudierenden hat sich - bedingt auch durch die höhere Zulassungsquote durch bessere Abiturleistungen - deutlich erhöht.
Da aber die meisten jungen Ärztinnen irgenwann Kinder kriegen, wollen bzw. können sie viele Jahre nur noch halbtags arbeiten und häufig keinen Nachtdienst im Krankenhaus machen. Hierdurch sinkt die Zahl der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Ärzte/innen erheblich. Die Folge ist ein tatsächlicher Ärztemangel!
Also müssen dringend mehr Ärzte ausgebildez werden!

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