Gesundheitsberufe
Arbeitskraft wird Mangelware
Akademisierung versus niedrigschwelliger Zugang? Das Pflegeberufsgesetz ist blockiert. Derweil geraten weitere Gesundheitsberufe in die Diskussion.
Veröffentlicht:BERLIN. Der mittelfristig drohende Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen treibt die Politik auf allen Ebenen um. Am Freitag hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, das Pflegeberufsgesetz noch vor den Wahlen zu einem Abschluss zu bringen.
Nicht nur der Pflege könnte in einigen Jahren das Personal ausgehen. Auch in anderen Gesundheitsberufen wird es eng. Schon heute stellt die Bundesagentur für Arbeit einen Mangel an Physiotherapeuten fest. Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linken hin eingeräumt. In dem Papier, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt, zitiert Arbeitsstaatssekretärin Anette Kramme Forschungsergebnisse, laut denen ab dem Jahr 2023 der Fachkräftemangel statistisch relevant wird. Im Jahr 2027 würden demnach bereits mehr als 70.000 Fachkräfte in diesen Berufen fehlen.
Als Erfolg wertet die Regierung in diesem Zusammenhang die Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive, mit der seit 2013 erfolgreich mehr als 17 000 Frauen und Männer zu Altenpflegern umgeschult wurden (Abbrecherquote 25 Prozent). Sie wurden über die volle Ausbildungszeit von drei Jahren dabei finanziell unterstützt. In anderen Gesundheitsberufen will die Regierung die Förderung bei höchstens zwei Jahren belassen.
Bei der Abgeordneten der Linken Birgit Wöllert ruft das Unverständnis hervor. Es sei bedauerlich, dass die Regierung nicht endlich angesichts des festgestellten Fachkräftemangels zum Beispiel bei den Physiotherapeuten neue Wege in der Finanzierung der Umschulung gehe, sagte sie der "Ärzte Zeitung".
Staatssekretärin Kramme verweist darauf, dass die Regierung Berufe wie die Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie und natürlich auch die Pflege grundständig akademisieren und auf diese Weise attraktiver machen wolle.
Bei der Pflege läuft das derzeit aber nicht rund. Seit einem Jahr ist das Pflegeberufegesetz im Bundestag blockiert. Grund sind Bedenken in der Unionsfraktion, die Anforderungen die mit der Generalistik steigenden Anforderungen könnten den Hauptschülern das Interesse verleiden, sich für die Altenpflege zu interessieren. Inzwischen scheint es, als sei kaum noch zu vermeiden, dass sich der Koalitionsausschuss der Blockade annimmt. Dies kann allerdings frühestens in der heute beginnenden Sitzungswoche der Fall sein. Als möglicher Beratungstermin wird allerdings auch der 7. März genannt.
Eine Lösung scheint dringend geboten. Im Jahr 2035 könnten schon bis zu 270 000 Fachkräfte in den Pflegeberufen fehlen, rechnete das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) erst am vergangenen Donnerstag vor.
Konkret mit der Situation der Krankenpflege hat sich das SPD nahe Böckler-Institut auseinandergesetzt. Derzeit fehlten bereits 70 000 Pflegekräfte in den Kliniken. In Deutschland müsste sich eine Schwester im Schnitt um 13 Patienten kümmern, in den Niederlanden nur um sieben.