Pflegeberufe

Platzt die Reform?

Die Unionsfraktion hat sich im Streit um die Neuordnung der Pflegeberufe festgebissen. Jetzt deutet sich ein Aufstand gegen Gesundheitsminister Gröhe an.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Die Reform der Pflegeberufe steht vor dem Scheitern. Grund sind wachsende Widerstände gegen den Kabinettsentwurf in der Unionsfraktion. Seit der Anhörung im Mai ist bei den parlamentarischen Beratungen offiziell Stillstand. Der pflegepolitische Sprecher der Unionsfraktion Erwin Rüddel (CDU) bestätigt die prekäre Lage: "Ohne einen Kompromiss droht das Aus", sagte Rüddel der "Ärzte Zeitung".

"Wir verlieren die Hauptschüler"

Die Koalition hat sich vorgenommen, die bisher getrennten Ausbildungsgänge in der Alten-, Gesundheits- und Krankenpflege zu einem einheitlichen Berufsbild mit einer generalistischen Pflegeausbildung zusammenzuführen. Rüddel warnt, wenn das Qualifikationsniveau in der Krankenpflege zum Maßstab gemacht werde, "dann verlieren wir die Hauptschüler". Schüler überwiegend mit diesem Abschluss gehen bisher in die Altenpflegeausbildung.

Die Pflegeberufereform versuche sich an der "Quadratur des Kreises", wenn man zugleich den Bedürfnissen der Krankenpflege Rechnung tragen und Hauptschülern auch künftig einen qualifizierten Abschluss möglich machen wolle. Rüddel hat daher nach eigenen Angaben federführend in der Unionsfraktion ein "2+1-Modell" entwickelt. Dieser Kompromiss sieht vor, dass alle Auszubildenden zwei Jahre lang gemeinsam lernen.

Im dritten Jahr der Ausbildung solle dann die Spezialisierung beginnen. Absolventen in der Altenpflege könnten mit Hilfe eines zusätzlichen Ausbildungsmoduls von drei bis sechs Monaten sich so qualifizieren, dass sie anschließend auch im Krankenhaus arbeiten können, schlägt Rüddel vor.

Keine Kompromiss-Signale

Kompromiss-Signale von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) habe er bisher nicht erhalten, so der pflegepolitische Sprecher. Ein geplanter "fraktionsoffener Abend" in der Union, zu dem in dieser Woche eingeladen werden sollten, sei wegen absehbar fehlender Perspektiven für eine Einigung abgesagt worden, berichtete Rüddel.

Der CDU-Politiker zeigte im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" klare Kante: Die Kosten für die Pflegeberufereform beliefen sich auf 700 Millionen Euro jährlich. Er könne es nicht verantworten, "das mit dem Geld aus der Pflegeversicherung de facto die Altenpflege abgeschafft wird". "Alle Fachpolitiker" in der Union, so Rüddel, teilten seine Einschätzung.

Der in Rheinland-Pfalz beheimatete Abgeordnete beklagt, alle Modellversuche im Vorfeld der Gesetzgebung hätten die Altenpflege-Schüler außen vor gelassen. Er plädiert daher für eine "Denkpause" und eine Vertagung der Reform auf die nächste Legislaturperiode.

Nachgedacht werde solle, ob "mit kleinem Geld" – beispielsweise durch ein Umschreiben der Curricula für die einzelnen Ausbildungsgänge – nicht der gleiche Effekt erreicht werden könnte.

Die SPD-Fraktion steht offiziell nach wie vor zu dem Reformprojekt. Tatsächlich gibt es dort auch Bestrebungen, zu Sonderlösungen etwa für die Kinderkrankenpflege zu kommen.

Die Grünen sehen sich durch den Widerstand in der Unionsfraktion in ihrer Skepsis bestätigt. Nach wie vor sei die Behauptung unbewiesen, dass ein einheitliches Berufsbild den Pflegeberuf attraktiver mache, sagte Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Die Grünen fürchten, dass durch die Reform "dringend notwendiges Wissen in der Pflege verloren geht".

Der Grünen-Vorschlag ähnelt dem "2+1-Modell" von Rüddel: Gemeinsames Lernen bestimmter Ausbildungsinhalte, anschließend Spezialisierung in einem der drei Pflege-Berufszweige.

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