Pflegekräfte

Auf vielen Stationen gibt es „kulturelle Konflikte“

Sprachprobleme und unterschiedliche Ausbildungen erschweren oft die Zusammenarbeit zwischen den in Deutschland ausgebildeten Pflegekräften und ihren aus dem Ausland zugewanderten Kollegen.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:

Bei der Zusammenarbeit zwischen in Deutschland ausgebildeten Pflegekräften und aus dem Ausland zugewandertem Pflegepersonal gibt es häufig Spannungen. Das geht aus der von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie „Betriebliche Integration von Pflegekräften aus dem Ausland“ hervor.

Demnach herrscht oft große Unzufriedenheit wegen der unterschiedlichen Ausbildungen und der Arbeitsteilung zwischen medizinischem Personal, Pflege- und Hilfskräften. Häufig würden diese Probleme stereotyp mit „kulturellen Unterschieden“ erklärt.

Wie die Zusammenarbeit in den Kliniken funktioniert haben die Wissenschaftler in über 60 ausführlichen Interviews erkundet. Dabei wurden Pflegekräfte, die nach 2008 nach Deutschland gekommen sind ebenso befragt wie einheimische Fachkräfte und Vorgesetzte. Hinzu kamen Interviews mit Arbeitgebervertretern, Vermittlern und Migrationsexperten.

Arbeiten „unter Wert“

Gezeigt haben sich große Differenzen bei der Ausbildung, dem beruflichen Selbstverständnis und der gewohnten Arbeitsorganisation. In vielen Herkunftsländern werden Pflegekräfte an Hochschulen ausgebildet. Eine hochqualifizierte schulisch-betriebliche Ausbildung wie sie in Deutschland üblich ist, kennen die meisten nicht.

Gleichzeitig übernehmen Pflegekräfte zum Beispiel in Südeuropa tendenziell mehr Management- sowie Behandlungsaufgaben. Diese wiederum sind in Deutschland Ärzten vorbehalten.

Viele ausländische Pflegefachkräfte waren in ihren Heimatländern nicht für die Grundpflege zuständig und mussten die Patienten auch nicht bei der Körperpflege oder beim Essen unterstützen. Dafür sind mehr noch als in Deutschland spezielle Servicekräfte zuständig oder gar Angehörige.

Eine ganze Reihe der befragten ausländischen Pflegekräfte hätten das Gefühl, „unter Wert“ arbeiten zu müssen, so die Autoren. Sie fühlten sich von Informationen ausgeschlossen und von Vorgesetzten schlechter behandelt. Deutsch als Arbeitssprache werde als „Hierarchisierungsmittel“ eingesetzt. Dadurch würden sie in eine Außenseiterposition gedrängt.

Konfliktlöser sind gefragt

Die in Deutschland ausgebildeten Pflegefachkräfte gaben in den Interviews dagegen an, dass die zugewanderten Kollegen schon wegen mangelnder Sprachkenntnisse im verantwortungsvollen und eng getakteten, stressigen Arbeitsalltag nicht voll einsetzbar seien. Die akademische Ausbildung werde oft als „praxisfern“ angesehen.

Sie kritisieren fehlende Kompetenzen etwa bei der Körperpflege und im „Sozialverhalten“. Aus der Sicht der hier ausgebildeten, können die ausländischen Kollegen häufig für einen längeren Einarbeitungszeitraum höchstens als „Schüler“ beschäftigt werden.

Bei anhaltender Unzufriedenheit reagierten die zum Teil extra aus dem Ausland angeworbenen Kräfte häufig mit einem Wechsel der Stationen, der Klinik, mit einem Ausstieg aus dem Pflegeberuf oder einer Rückkehr in die Heimat. Angesichts des anhaltenden Mangels an Pflegekräften empfehlen die Studienautoren Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen dringend, gegenzusteuern.

Sie raten, den Pflegekräften genug Zeit für fachlichen Austausch und Konfliktlösung einzuräumen. Eine besondere Rolle könnten dabei Pflegekräfte übernehmen, die schon lange in Deutschland arbeiten, aber selbst einen Migrationshintergrund haben. So könnten sie auch als Mentoren bei Konflikten vermitteln, vor allem wenn sie die gleiche Muttersprache hätten.

Im besten Fall könnten die Erfahrungen, die ausländische Kräfte mitbringen, bei notwendigen Reformen in Arbeitsorganisation und Aufgabenteilung helfen, heißt es. „Hier bestehen nicht nur grundsätzlich andere Formen zwischen Deutschland und den anderen Ländern, sondern es handelt es sich um jene Bereiche, an welchen sich der Innovationsstau in der Pflege in Deutschland festmacht“, so die Wissenschaftler.

In den vergangenen Jahrzehnten hätten Kliniken und Pflegeeinrichtungen auf ökonomischen Druck mit Rationalisierung und Arbeitsverdichtung reagiert, aber nicht mit grundlegenden Reformen bei Zuständigkeiten oder der Delegation von Tätigkeiten.

Die Zahl der Pflegekräfte, die jährlich aus dem Ausland nach Deutschland kommen, ist in den vergangenen Jahren nach Angaben der Böckler-Stiftung stark gestiegen. Seien es im Jahr 2012 noch 1500 gewesen, waren es 2017 bereits 8800.

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