Schulung von medizinischen Fachkräften

Aurora: Wie BG Kliniken das Rehabilitationssystem in der Ukraine unterstützen

Das Aurora-Projektschließt Lücken im ukrainischen Rehabilitationssystem, indem es medizinische Fachkräfte aus der Ukraine in Deutschland ausbildet. In BG Kliniken werden sie befähigt, Kriegsverletzungen zu behandeln und Expertise im eigenen Land wiederaufzubauen.

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Unterrichtseinheit im Umgang mit dem Tyromotion-System zur Rehabilitation von Handverletzungen

Ein Therapeut der BG Klinikum Bergmannstrost Halle (im violetten Hemd) unterrichtet den Arzt für Physikalische und Rehabilitationsmedizin Taras Vorobkalo und die Ergotherapeutin Dariia Marusenko im Umgang mit dem Tyromotion-System zur Rehabilitation von Handverletzungen.

© Bergmannstrost

Berlin. Dank moderner Prothesen und intensiver Rehabilitation läuft der 26-jährige Roman Kashpur mittlerweile Marathon. Kashpur, ein ukrainischer Veteran, verlor 2019 durch eine Landmine seinen Fuß, lange vor Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Seitdem ist die Zahl der Veteranen, die eine Rehabilitation benötigen stark gestiegen – und auch die Notwendigkeit, das ukrainische Rehabilitationssystem zu verbessern, dass bisher unterentwickelt ist.

Das Aurora-Projekt hat sich genau das zum Ziel gesetzt. Sieben BG Kliniken und das Moldowa-Institut haben sich 2023 zusammengeschlossen, um die Ukraine beim Wiederaufbau ihrer Gesundheitsinfrastruktur zu unterstützen, mit einem besonderen Fokus auf die Rehabilitation.

Dafür werden ukrainische Fachkräfte in modernen Rehabilitationsmethoden ausgebildet. Diese sollen anschließend das erworbene Wissen in ukrainische Krankenhäuser integrieren.

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Ziel ist es, einen „nachhaltigen, systematischen Rehabilitationsprozess“ für ukrainische Zivilisten und Soldaten aufzubauen, der ihnen hilft, „ins zivile Leben oder sogar zurück an die Front zu finden“, so Dr. Daniel Kuhn, Therapiedirektor der BG Klinikum Bergmannstrost Halle.

„Vom Hubschrauber bis zurück ins Arbeitsleben“

Im Rahmen des Aurora-Projekts verbringen ukrainische Fachkräfte einen Monat in Deutschland, um den gesamten Rehabilitationsprozess kennenzulernen – „vom Hubschrauber über die Intensivstation bis zurück ins Arbeitsleben“, erklärt Daniel Kuhn.

Vor Ort erhalten sie Einblicke in fortschrittliche Rehabilitationstechniken in den Bereichen Wiederbelebung, Intensivmedizin, Traumatologie (z. B. bei Rückenmarks- und Hirnverletzungen), Verbrennungsbehandlung, Infektionsmanagement, Physiotherapie und mechanische Therapie. Zudem können sie zusätzliche Schulungen anfordern, die auf ihre persönlichen Interessen zugeschnitten sind.

Das Projekt wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) über das Förderprogramm „Klinikpartnerschaften“ und durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.

Dr. Mykhailo Pashaniuk

Dr. Mykhailo Pashaniuk vom Iwano-Frankiwsker Regionalen Klinischen Krankenhaus in der Ukraine.

© privat

Sichtbare Veränderungen in ukrainischen Krankenhäusern

Zu den 72 ukrainischen Fachkräften, die am Aurora-Projekt teilgenommen haben, zählen Dr. Marian Kos vom Dolyna Multidisziplinären Krankenhaus und Dr. Mykhailo Pashaniuk vom Iwano-Frankiwsker Regionalen Klinischen Krankenhaus. Beide mussten seit Kriegsbeginn neue Rehabilitationskompetenzen entwickeln, um Verletzungen wie Amputationen und Polytraumen, die zuvor selten waren, zu behandeln – Verletzungen, die nun zum Alltag gehören.

Während seines Aufenthalts an der BG Klinikum Bergmannstrost Halle dokumentierte Marian Kos seine Beobachtungen sorgfältig mit Fotos und Videos und teilte diese wertvollen Erkenntnisse mit Kollegen in der Ukraine.

Dadurch konnten an seinem Krankenhaus spürbare Verbesserungen eingeführt werden, wie Balanceübungen für Schlaganfallpatienten und die Anwendung einer überarbeiteten Skala zur Schlaganfallmessung. Zudem implementierten seine Kollegen in der Ergotherapie-Abteilung neue Übungen zur Förderung feinmotorischer Fähigkeiten.

Dr. Marian Kos

Dr. Marian Kos vom Dolyna Multidisziplinären Krankenhaus in der Ukraine.

© privat

Ein besonderer Fall ist ein 37-jähriger, zweifacher Vater, der beide Beine und eine Hand im Kampf verlor. Dank Balanceübungen, die Marian Kos in Halle gelernt hatte, sowie weiterer Techniken, machte der Patient bemerkenswerte Fortschritte. Heute kann er mit einem Gehstock laufen und plant, wieder Kinder in Kampfsport zu unterrichten.

Dennoch, betont Kos, erschweren begrenzte Ressourcen in der Ukraine die Umsetzung mancher Techniken. So wünscht er sich dringend ein unterstütztes Laufband mit Schlingentherapie für die stationäre Rehabilitation – ein wichtiges Hilfsmittel, das in seiner Einrichtung fehlt.

Spezialisierte Rehabilitationsabteilungen: Ein Traum für die Ukraine

Daniel Kuhn hebt eine weitere Hürde hervor: Während einige ukrainische Kliniken hochwertige medizinische Geräte von internationalen Partnern erhalten, fehlt oft die nötige Schulung, um diese effektiv zu nutzen. Ein Beispiel ist das Tyromotion-System zur Handrehabilitation, das in manchen Einrichtungen verfügbar, jedoch aufgrund mangelnder Expertise untergenutzt ist. Hier setzt Aurora an und befähigt ukrainische Fachkräfte, solche Geräte optimal einzusetzen.

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Trotz aller Herausforderungen sind Marian Kos und Mykhailo Pashaniuk optimistisch. Ihr Traum ist es, spezialisierte Rehabilitationsabteilungen nach dem Vorbild der BG Klinikum Bergmannstrost Halle zu schaffen. Diese Abteilungen sollen Patienten bei der Rückkehr in den Alltag unterstützen, indem sie lebensnotwendige Fähigkeiten wieder erlernen und auf ein Leben nach dem Krankenhaus vorbereitet werden.

Beidseitiger Nutzen

Aktuell sind keine weiteren Praktika geplant. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen Spezialisten der BG Klinikum Bergmannstrost Halle und ihren ukrainischen Kollegen geht aber über das Programm hinaus. Bei Amputationen, Polytraumen und Schussverletzungen können deutsche Spezialisten bei Bedarf telefonisch konsultiert werden, erklärt Daniel Kuhn. Zudem entwickeln sie digitale Lerninhalte zur Rehabilitationsmedizin.

Diese Partnerschaft bietet beiden Seiten wertvolle Lernmöglichkeiten. Für deutsche Spezialisten, die wenig Erfahrung mit kriegsbedingten Verletzungen, wie Amputationen, Polytraumen und Schussverletzungen haben, liefert der Austausch auch für deutsche Ärztinnen und Ärzte wichtige Einblicke, sagt Kuhn.

Sein Fazit: Diese Zusammenarbeit sei ein Beispiel für Wissensaustausch „auf eine sehr freundliche und zivile Weise“, um ukrainische Spezialisten bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zu unterstützen. (oka)

Dr. Oleksandra Kalnytska hat an der Charité Berlin in Biologie promoviert und engagiert sich seit Beginn des Krieges in der Ukraine aktiv in der Freiwilligenarbeit am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin.

Zurzeit hospitiert sie im Rahmen des Open Door Programms bei Springer Medizin und der Ärzte Zeitung.

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