Heil- und Hilfsmittel

Barmer sagt Ausgabendynamik voraus

Der Heil- und Hilfsmittelreport der Barmer verweist für 2016 auf deutlich steigende Ausgaben. Diese Entwicklung dürfte sich 2017 fortgesetzt haben – ein Nachholeffekt, der vom Gesetzgeber gewollt ist.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Bei der zweitgrößten Kasse mit rund 9,3 Millionen Versicherten addierten sich die Ausgaben im Jahr 2016 auf 847 Millionen Euro für Heilmittel. Den dicksten Brocken macht hier die Physiotherapie aus.

Bei der zweitgrößten Kasse mit rund 9,3 Millionen Versicherten addierten sich die Ausgaben im Jahr 2016 auf 847 Millionen Euro für Heilmittel. Den dicksten Brocken macht hier die Physiotherapie aus.

© Robert Kneschke / stockadobe.com

BERLIN. Bei den Heil- und Hilfsmittelausgaben in der GKV ist mit dynamisch steigenden Ausgaben zu rechnen. Das geht aus dem Heil- und Hilfsmittelreport 2017 der Barmer hervor, der am Donnerstag vorgestellt worden ist. Bei der zweitgrößten Kasse mit rund 9,3 Millionen Versicherten addierten sich die Ausgaben im Jahr 2016 auf 847 Millionen Euro für Heilmittel und 1,02 Milliarden Euro für Hilfsmittel. Das entspricht einem Zuwachs von etwa fünf Prozent bei Heilmitteln. Bei Hilfsmitteln dagegen fällt der Kostenanstieg mit rund zehn Prozent doppel so hoch aus.

Aus Sicht der Barmer stehen diese Ausgaben "in deutlichem Kontrast zu der oft nur geringen öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion dieses Leistungsbereichs", heißt es im Report. Bei der Interpretation der Zahlen muss berücksichtigt werden, dass sich die Zahl der Versicherten, die Heil- oder Hilfsmittel erhalten haben, 2016 im Vergleich zum Vorjahr praktisch nicht verändert hat: 26 Prozent der Barmer-Versicherten wurde im Berichtsjahr ein Hilfsmittel verordnet, rund jeder Fünfte (22 Prozent) wurde mit einem Heilmittel versorgt.

"Kein Spielraum für Mehrausgaben"

Anders als 2016 hat sich über mehrere Jahre betrachtet der Heilmittelsektor als dynamisch in der Kostenentwicklung erwiesen. Gemessen an den Leistungsausgaben in der gesamten GKV sind diese von 2,7 Prozent (2007) auf 3,0 Prozent (2015) gestiegen. Im gleichen Zeitraum blieben die Hilfsmittel-Ausgaben in der GKV dagegen konstant bei 3,8 Prozent.

Für die Barmer folgt daraus, dass insbesondere bei Heilmitteln "kein Spielraum für Mehrausgaben" mehr erkennbar ist, "es sei denn, andere Leistungsausgaben würden beschnitten, um eine Umverteilung von Geldern zu ermöglichen". Tatsächlich weisen die Autoren darauf hin, dass Heil- und Hilfsmittel stärker evidenzbasiert eingesetzt wurden als in früheren Jahren. Zwei Beispiele: Die Ausgaben für Massagen sanken zwischen 2014 und 2016 um neun Prozent. Das sei "im Sinne einer Evidenzbasierung der Verordnungen zu begrüßen", kommentiert die Barmer.

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TENS-Verordnungen rückläufig

Ähnlich sieht es bei der Anwendung von TENS-Geräten (transkutane elektrische Nervenstimulation) bei Rückenschmerzen aus. In der nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz wird das Verfahren sehr kritisch beurteilt – die Therapie stehe zudem im Widerspruch zum Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren. Tatsächlich ist die Zahl der Verordnungen seit 2012 kontinuierlich um insgesamt 42 Prozent gesunken. Auch nehmen immer mehr Ärzte von einer Verordnung von TENS generell Abstand. Die insgesamt 82.000 Verordnungen im Jahr 2016 konzentrieren sich auf immer weniger Ärzte.

Doch bei TENS wie bei anderen Hilfs- und Heilmitteln zeigen sich erhebliche regionale Schwankungen, die aus Unterschieden der Morbidität in den Regionen nicht erklärt werden können. In neun Bundesländern erhielten weniger als 0,5 Prozent der Patienten eine solche Verordnung, in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen hingegen mehr als zwei Prozent. Ähnlich sind die regionalen Unterschiede in der Physiotherapie: In Bremen addieren sich die Ausgaben je Versichertem auf 50 Euro, in Berlin auf fast 82 Euro.

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Vier Kennzahlen der Ausgabenentwicklung in Teilbereichen:

  • Physiotherapie: Die Barmer hat 2016 über 537 Millionen Euro für physiotherapeutische Behandlung ausgegeben, ein Anstieg um 3,4 Prozent oder 17 Millionen Euro. 53 Prozent der Ausgaben entfallen auf die Krankengymnastik, auf manuelle Lymphdrainage 18 Prozent.
  • Ergotherapie: 104 Millionen Euro hat die ergotherapeutische Versorgung verursacht. Das entspricht einem Anstieg von 4,5 Prozent im Vergleich zu 2015. Mit Abstand größter Kostenblock ist mit 71 Prozent die Behandlung von Patienten mit Erkrankungen des Nervensystems.
  • Logopädie: Logopädische Behandlungen haben 2016 mit 69 Millionen Euro zu Buche geschlagen, ein Anstieg um fünf Prozent oder 3,5 Millionen Euro.
  • Podologie: Für die podologische Versorgung, fast ausschließlich bei diabetischem Fußsyndrom hat die Kasse 13,7 Millionen Euro aufgewendet, sieben Prozent mehr als 2015.

Ausgabeneffekte durch das HHVG

  • Das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz vom April 2017 hat mehrere ausgabensteigernde Effekte.
  • Für 2017 bis 2019 ist die Bindung der Vergütung an die Entwicklung der Grundlohnsumme aufgehoben. Dies soll dazu genutzt werden, insbesondere die Vergütung angestellter Therapeuten zu verbessern.
  • In Modellvorhaben können Bundesländer über drei Jahre die sogenannte Blanko-Verordnung erproben. Dabei stellt der verordnende Arzt nur noch Diagnose und Indikation. Art, Dauer und Häufigkeit der Heilmittelleistung legt der Therapeut fest. Die Kasse erwartet dadurch Mengenausweitungen.
  • Bereits 2015 hat der Gesetzgeber im Versorgungsstärkungsgesetz Preisuntergrenzen für Heilmittel auf Landesebene eingeführt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Erklärungsbedürftige Barmer-Daten

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