Korruption

Bayern nimmt Kampf gegen Bestechung auf

Ab 1. Oktober gehen Bayerns Staatsanwälte gegen Bestechung im Gesundheitswesen vor. Auf Bundesebene lässt ein Gesetz zwar noch auf sich warten - doch die Bedenken sind jetzt schon groß. Denn ambulant-stationäre Kooperationen könnten schnell in Verdacht geraten.

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Ab Oktober gehen die Bayerischen Staatsanwaltschaften gegen Bestechung im Gesundheitswesen vor.

Ab Oktober gehen die Bayerischen Staatsanwaltschaften gegen Bestechung im Gesundheitswesen vor.

© Minerva Studio / fotolia.com

BERLIN. In München, Nürnberg und Hof nehmen ab kommenden Mittwoch, 1. Oktober, Schwerpunktstaatsanwaltschaften den Kampf gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen auf.

Der bayrische Justizminister Professor Winfried Bausback (CSU) erweist sich damit als schneller als die Koalition in Berlin.

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, einen Straftatbestand zur Korruption im Gesundheitswesen zu schaffen.

Das Vorhaben steht noch am Anfang. In einigen Monaten will Justizminister Heiko Maas (SPD) einen Referentenentwurf für eine Änderung des Strafgesetzbuches vorlegen, lautet die Sprachregelung im Justizministerium.

Ein "Lex Ärzte" soll es nicht geben, hat Maas Anfang September nach einem Fachforum im Justizministerium betont. Es soll alle Heilberufe betreffen.

Bayern prescht vor

Im vergangenen Jahr war der Versuch der schwarz-gelben Koalition, einen Korruptionsparagrafen im SGB V unterzubringen, gescheitert.

Eine Bundesratsinitiative der Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz fiel dem Ende der Legislaturperiode zum Opfer. Bayern ist nun vorgeprescht und stellt einen neuen Entwurf zur Diskussion.

Bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Ärztegenossenschaften am Freitag in Berlin warnte Dr. Tilmann Holzer, Mitarbeiter der Fraktion der Grünen, davor, gewollte Kooperationen im Gesundheitswesen zu kriminalisieren.

Genossenschaften und Ärztenetze sollten im Gesetzgebungsverfahren darauf dringen, dass der Gesetzestext präzise abgefasst werde und konkret auf die Verfolgung "schwarzer Schafe" ziele.

Holzer plädierte zudem für eine Evaluationsklausel im Gesetz.

Strukturierte Zuweisung noch möglich?

Der Bundesverband fürchtet, dass der geplante Paragraf 299a im Strafgesetzbuch Arztnetze, ambulant-stationäre Kooperationen, Apparategemeinschaften, Laborgemeinschaften und Ärztegenossenschaften kriminalisieren könnte.

Die bisherigen Anläufe auf einen Korruptionsparagrafen seien so formuliert gewesen, dass jede Form der strukturierten Zuweisung, also zum Beispiel auch die vom Gesetzgeber gewollte Zusammenarbeit in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, staatsanwaltliche Ermittlungen hätte auslösen müssen.

Einer Rechnung von Transparency International aus dem Jahr 2011 zufolge soll der durch Korruption angerichtete Schaden für die gesetzliche Krankenversicherung rund zehn Milliarden Euro im Jahr betragen.

Die Privatversicherer büßten demnach 1,5 Milliarden Euro im Jahr ein. (af)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 27.09.201423:50 Uhr

"Geschmäckle" von populistischer Gesinnungsjustiz?

Meine persönliche Meinung - Bayrische Anti-Korruptions-Aktivitäten sind populistisch und verfassungswidrig!

Der bayerischen Justizminister Prof. Winfried Bausback (CDU) hatte den Gesetzesentwurf eines § 299a StGB geplant, mit dem gezielt und ausschließlich gegen Korruption im Gesundheitswesen vorgegangen werden sollte. Da dies in den übrigen Fraktionen des Deutschen Bundestages umstritten ist und spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe scheitern wird, blieb bei geringer Frustrationstoleranz und bayrischer "Gschaftlhuberei" nur die strafrechtliche Verfolgung mittels e x t r a einzurichtenden Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften München I, Nürnberg-Fürth und Hof übrig.

Doch Ermittlungen und Strafverfolgungen von allgemeinen Korruptions- und Vermögensdelikten e x t r a gegen Angehörige der akademischen Heilberufe im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung einzurichten, hört sich verdächtig nach Gesinnungsjustiz und "konzentrierter Hatz" auf Ärztinnen und Ärzte an.
Denn es verstößt sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen die verfassungsmäßig gebotene Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Es pönalisiert einseitig und unverhältnismäßig eine extra definierte, somit stigmatisierte und diskriminierte Berufsgruppe und ihr zugehöriges Berufsfeld. Gleichzeitig werden damit andere Bereiche und Branchen der Freien Berufe über Handwerksmeister, Freie Gewerbetreibende, Firmeninhaber, Versicherungs-Agenturen, Architekten, Abgeordnete, Anwälte, Handels-Agenturen bis zu Profi-Fußballvereinen vom möglichen strafrechtlichen Vorwurf der Bestechlichkeit und Bestechung freigestellt. Sie dürften weiterhin für Provisionen, Transfers, Vermitteln, Organisieren und Ausführung von Aufträgen straffrei die Hand aufhalten.

Vor dem Gesetz müssen jedoch alle gleich sein: vom Landtags- und Bundestags-Abgeordneten über Ärzte, Angehörige der Heilberufe, GKV- und PKV-Mitarbeiter, Heilpraktiker, Hilfsmittelhersteller, Krankenhausträger, Medizinprodukte-Hersteller, Medizin- und EDV-Technik, Pharmafirmen-Mitarbeiter bis zum Bestattungsunternehmer, um nur einige zu nennen.

In allen Lebensbereichen, einschließlich Sport, wird es moralisch-ethisch verwerfliches bzw. kriminelles Handeln geben, sonst bräuchten wir kein allgemein verbindliches Strafgesetzbuch (StGB). Aber ausgerechnet auf Grund fiktiver Berechnungen und auf Geheiß von "Transparency International" einen Paragrafen 299a im StGB ("Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen") verankern zu wollen bzw. zugleich alle a n d e r e n Branchen privilegieren zu wollen, ist ein starkes Stück und offenbart eine rückwärts gerichtete Franz-Josef-Strauß-Kultur.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wolfgang P. Bayerl 27.09.201412:39 Uhr

na klar sind Politiker immer ausgenommen.

schon peinlich.

Dr. Helmut Müller 26.09.201417:41 Uhr

Ablenken von der eigenen Kaste

Der bausbäckige bayerische Justizminister macht das schon ganz raffiniert: Noch bevor die Öffentlichkeit nach den zahlreichen Fällen von Vorteilsnahmen, Günstlingswirtschaft und unverhohlener Bestechlichkeit in und um den Bayerischen Landtag Konsequenzen fordern könnte, wird flugs ein Ablenkungsmanöver gestartet. Da ja bekanntlich nahezu alle Mediziner und sonstige, sogenannte Leistungserbringer im Gesundheitswesen korrupt sind, benötigt man allein in Bayern drei Sonder-Staatsanwaltschaften, um endlich aufzuräumen. Ein Schelm, wer da insistiert, dass in den letzten Monaten bei dieser Problematik eigentlich nur unsere gewählten Volksvertreter im Rampenlicht standen.

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