Bevölkerung

Bei Antibiotika oft auf der falschen Fährte

Viele Bundesbürger schätzen einer Umfrage zufolge falsch ein, wogegen Antibiotika helfen und wie man sie richtig einnimmt. Ärzte, Kassen und Industrie fordern mehr Aufklärung.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Zum Thema Antibiotika gibt es viele falsche Vorstellungen in der Bevölkerung, warnt der BAH.

Zum Thema Antibiotika gibt es viele falsche Vorstellungen in der Bevölkerung, warnt der BAH.

© Africa Studio / stock.adobe.com

Berlin. Arzneimittel-Experten machen im Umgang mit Antibiotika noch große Wissenslücken in der Bevölkerung aus.

So gehe mehr als ein Drittel der Bundesbürger fälschlicherweise davon aus, dass sich Antibiotika auch gegen virale Infektionen eignen würden, sagte der Geschäftsführer Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Dr. Elmar Kroth, anlässlich des Europäischen Antibiotikatages am Montag.

Kroth verwies auf Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des „Gesundheitsmonitors“ des Verbandes. Im Rahmen der Studie wurden über 1000 Bundesbürger befragt, was sie über Antibiotika wissen. Dabei zeigen sich auch Unkenntnisse hinsichtlich des richtigen Gebrauchs der Präparate.

Fehlgebrauch triggert Resistenzen

So gibt laut Studie jeder vierte Bundesbürger an, ein Antibiotikum könne „jederzeit“ abgesetzt werden, sobald sich der Gesundheitszustand verbessert habe. „Genau darin liegt aber der Fehler“, betonte Kroth.

Antibiotika seien strikt nach Anweisung des Arztes und entsprechend den Vorgaben der Packungsbeilage einzunehmen. Andernfalls drohe die Gefahr, dass sich Resistenzen ausbreiteten. „Der falsche Gebrauch ist ein wesentlicher Trigger für Resistenzen.“ Nötig seien daher mehr Informationen – auch durch Ärzte und Apotheker.

Um Resistenzen entgegenzusteuern, müssten aber auch neue Antibiotika erforscht und bereits zugelassene Antibiotika weiter verfügbar gehalten werden, betonte Kroth. Weltweit seien zuletzt insgesamt nur wenige Antibiotika aus neuen Wirkstoffklassen entwickelt und zugelassen worden. Das sei auch hohen Entwicklungskosten bei „zu geringen Erträgen“ geschuldet.

Innovative Antibiotika kämen meist nur als Reserve zum Einsatz, sagte BAH-Experte Kroth. Die Hersteller bräuchten deshalb mehr Anreize, um neue antibiotische Wirkstoffe zu entwickeln. Dafür sei bei den Preisen etwa die Sonderstellung dieser Arzneimittel als Reservetherapeutika zu berücksichtigen.

Auch sollte ihnen bei der Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) automatisch ein Zusatznutzen zugewiesen werden.

Kassen: „Antibiotika in den meisten Fällen unnötig“

Die Krankenkassen nahmen den Aktionstag ebenfalls zum Anlass, um für einen bewussteren Gebrauch von Antibiotika zu werben. „Die Einnahme eines Antibiotikums ist in den meisten Fällen unnötig“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Ulrike Elsner, am Montag.

Rund 90 Prozent der Atemwegsinfekte würden durch Viren ausgelöst, so Elsner. Antibiotika wirkten aber nur gegen Bakterien. Eine zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gestartete Informationskampagne wolle daher Ärzte und Patienten zum „rationalen“ Antibiotika-Einsatz bei grippalen Infekten und Erkältungen anhalten.

Die Kampagne beinhaltet außer Patientenflyern auch konkrete Verordnungsempfehlungen und unterstützende Online-Fortbildungen für Ärzte. Hervorgegangen sind die Empfehlungen aus dem Projekt „RESITenzvermeidung durch adäquaten Antibiotikaeinsatz bei akuten Atemwegsinfektionen“.

Das vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses mit rund 14 Millionen Euro geförderte Projekt wird von der Universität Rostock wissenschaftlich begleitet. Ziel ist es, unnötige Antibiotikaverordnungen bei akuten Atemwegsinfekten zu vermeiden und die Verschreibung von Breitspektrumantibiotika zu verringern.

„Aufklärung bleibt ein Thema“

KBV-Vizechef Dr. Stephan Hofmeister betonte, die Zahl der Antibiotikaverordnungen sei in Deutschland in den vergangenen Jahren „deutlich“ zurückgegangen. Während im Jahr 2010 noch 562 Verordnungen durch niedergelassene Ärzte pro 1000 Versicherte ausgestellt wurden, seien es 2018 nur noch 446 gewesen (siehe nachfolgende Tabelle).

Hofmeister sprach von einer „erfreulichen“ Entwicklung. Gleichwohl: Aufklärungsarbeit über den Einsatz von Antibiotika bleibe „ein wichtiges Thema“ in den Praxen.

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