Studien-Ziel
Bessere Versorgung für geistig behinderte Menschen
Menschen mit geistiger Behinderung haben häufig Probleme, ihre gesundheitlichen Beschwerden klar zu benennen und eine Therapie einzufordern. Wie sich ihre Versorgung verbessern lässt, soll eine Studie der Uni Witten/Herdecke klären.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Wissenschaftler der Universität Witten/Herdecke (UWH) wollen herausfinden, wie sich durch strukturierte Gesundheitsuntersuchungen die medizinische Versorgung von Menschen mit einer geistigen Behinderung verbessern lässt.
In einer epidemiologischen Studie werden sie vergleichen, ob die Untersuchungen in das Regelsystem integriert werden sollten oder ob ein aufsuchendes System besser geeignet ist.
"Es geht darum, die Benachteiligung der Menschen mit einer geistigen Behinderung zu überwinden", erläuterte Professor Max Geraedts, Leiter des Instituts für Gesundheitssystemforschung an der UWH, beim "Dialog Versorgungsforschung NRW" in Düsseldorf. Studien zeigten, dass diese Gruppe eine erhöhte vermeidbare Morbidität und Mortalität habe, berichtete er.
Die Menschen litten oft unter nicht erkannten und nicht behandelten chronischen Erkrankungen und nicht erkannten Einschränkungen. "Dafür gibt es vielfältige Gründe", sagte Geraedts.
So hätten die Betroffenen häufig Schwierigkeiten, Symptome zu erkennen und zu benennen, sie würden die Abklärung nicht einfordern und könnten nicht aktiv an diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mitarbeiten. Auch die Betreuer würden Symptome nicht wahrnehmen und die Patienten deshalb nicht Diagnostik und Therapie zuführen.
"Bei den Ärzten fehlen oftmals die Erfahrung und die Fertigkeiten im Umgang mit Patienten mit geistiger Behinderung", nannte der Mediziner einen weiteren Grund.
In zwei Behindertenwerkstätten in Oberhausen und Witten wollen die Forscher herausfinden, wie sich die Situation verändern lässt.
Einbezogen in die Studie werden 300 Behinderte ab 18 Jahren und ihre Betreuer. Nach Aufklärung über die Studie und der Einwilligung werden sie zunächst zur Inanspruchnahme der medizinischen Versorgung und präventiver Angebote befragt.
Bedarf soll ermittelt werden
Dann werden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe wird zu einer standardisierten Gesundheitsuntersuchung an Hausärzte verwiesen, die andere in den Werkstätten von Hausärzten untersucht.
Bei Bedarf erhalten die Patienten Therapien durch Hausärzte oder eine weitere Diagnostik und Therapie durch Fachärzte. Die Untersuchung ist in angelsächsischen Ländern erprobt worden.
Die Studie, an der auch das Landeszentrum für Gesundheit NRW, die Ärztekammer Nordrhein und Krankenkassen beteiligt sind, soll Aufschluss über die Ist-Situation bei der gesundheitlichen Versorgung der Menschen mit geistiger Behinderung, den Barrieren der Inanspruchnahme und der Akzeptanz einer strukturierten Gesundheitsuntersuchung liefern.
Gleichzeitig erhoffen sich die Forscher Erkenntnisse über die Morbidität sowie den diagnostischen und therapeutischen Bedarf dieser Patientengruppe sowie die mit der Untersuchung verbundenen Kosten.
Die Analyse der Daten soll zeigen, wie sich Inanspruchnahme, Akzeptanz und Ergebnisse der Untersuchung durch den Hausarzt oder durch das aufsuchende Angebot in den Werkstätten unterscheiden.
Die Studie ist im Juni dieses Jahres angelaufen, Anfang 2016 wollen die Wissenschaftler mit der Rekrutierung der Teilnehmer beginnen.
Das Projekt soll im Januar 2017 abgeschlossen sein. "Wir hoffen, dass wir auf die medizinische und präventive Versorgung Einfluss nehmen können", sagte Geraedts.