Bundestagswahl

Fachgesellschaften setzen im Kampf gegen Adipositas und Diabetes auch auf Zuckersteuer

Die Prävalenzen bei Adipositas und Diabetes steigen bedenklich an. Helfen Zuckersteuer oder eine Herstellerabgabe auf süße Limonaden, um sie zu senken? Ja, meint die Diabetes Gesellschaft – Industrievertreter widersprechen.

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Steuer auf Süßes!? Welche Wirkung sie entfalten kann, wird kontrovers diskutiert.

Steuer auf Süßes!? Welche Wirkung sie entfalten kann, wird kontrovers diskutiert.

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Berlin. Im Vorfeld der Bundestagswahl gewinnt die Debatte über eine Zuckersteuer erneut an Fahrt. „Die Zuckersteuer beziehungsweise eine Herstellerabgabe auf zuckergesüßte Getränke kann ein wesentlicher Baustein für mehr Verhältnisprävention in Deutschland sein“, sagte die Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Barbara Bitzer, der Ärzte Zeitung am Montag.

Es sei inzwischen bekannt, dass eine solche Steuer Wirkung entfalte, betonte Bitzer. So habe die gestaffelte Herstellerabgabe auf zuckergesüßte Getränke in Großbritannien „maßgeblich“ dazu beigetragen, dass der Zuckergehalt in den Getränken reduziert worden sei und Hersteller Rezepturen angepasst hätten.

„Die freiwillige Reduktionsstrategie in Deutschland ist dagegen gescheitert“, konstatierte Bitzer. Der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks habe in den Jahren 2015 bis 2021 hierzulande lediglich um zwei Prozent abgenommen.

„Freiwillige Reduktionsstrategie gescheitert“

In Großbritannien sei der Zuckergehalt in diesen Getränken im gleichen Zeitraum um gut 30 Prozent gesunken, so Bitzer. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hatte kürzlich kritisiert, dass in Deutschland seit Jahren ergebnislos über die Einführung einer Zuckersteuer oder Werbeverbote für Süßigkeiten oder andere ungesunde Lebensmittel diskutiert werde. Dagegen machten „die Briten Nägel mit Köpfen“.

Ein Sprecher der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) verwies mit Blick auf den Extra-Obolus auf Süßes auf ein aktuelles Positionspapier der Fachgesellschaft. „Wie wir in unseren politischen Forderungen zur Bundestagswahl ausführen, erwarten wir angesichts der Größe der Herausforderung ein ganzes Maßnahmenbündel von der neuen Regierung in der Präventionspolitik.“

Zu diesem Paket gehöre auch eine „gesunde Mehrwertsteuer“. Diese, so der Sprecher, gehe über eine reine Zuckersteuer hinaus – solle aber selbstverständlich auch eine Besteuerung zum Beispiel von Süßgetränken im Verhältnis zu ihrem Zuckergehalt beinhalten.

Plädoyer für so genannte gesunde Mehrwertsteuer

Laut DAG sind in Deutschland rund zwei Drittel (67 Prozent) der Männer und die Hälfte (53 Prozent) der Frauen übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen sind den Angaben zufolge stark übergewichtig. Die Fachgesellschaft rechnet überdies vor, dass rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder adipös sind.

Industrievertreter lehnen eine Zuckersteuer naturgemäß ab. Wer eine solche Steuer fordere, verkenne, dass es „viele und sehr unterschiedliche Ursachen“ für Übergewicht gebe, heißt es in einer Mitteilung der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker. Wer Zivilisationskrankheiten bekämpfen wolle, müsse daher das „Gesamtpaket aus Ernährung, Genuss und Bewegung im Blick haben und nicht einzelne Zutaten dämonisieren“.

Zuspruch für die Zuckersteuer kommt aus der Wissenschaft. Die steigende Prävalenz von Adipositas und Typ-2-Diabetes stelle die Gesellschaft vor wachsende Herausforderungen, schreiben die Autoren einer Ende 2024 erschienenen Publikation zur Einführung einer Zuckersteuer in der Zeitschrift „Aktuelle Ernährungsmedizin“ – unter ihnen Professor Oliver Schöffski, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsmanagement an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Zuspruch aus der Wissenschaft

Mit mehr als 18 Millionen stark übergewichtigen Erwachsenen und neun Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes befinde sich Deutschland in der „Spitzengruppe Europas“. Wesentlicher Grund der Entwicklung sei der zunehmende Konsum industriell gesüßter Getränke und gezuckerter Speisen.

Konkret schlagen die Autoren vor, als Bemessungsgrundlage einer Zuckersteuer den prozentualen Zuckergehalt eines Lebensmittels heranzuziehen und diesen drei Steuerklassen zuzuordnen. Die Steuersätze sollten so bemessen sein, dass sie „Lenkungswirkung“ entfalten. Um einkommensschwache Schichten zu entlasten, solle die Mehrwertsteuer auf frische und naturbelassene Grundnahrungsmittel wegfallen.

DDG-Geschäftsführerin Bitzer mahnte allerdings Realismus an. Die erforderliche politische Mehrheit für eine Zuckersteuer werde „wohl auch nach der Wahl schwer zu erreichen sein“. CDU/CSU hätten „Lenkungssteuern“ ausgeschlossen. Entmutigen lassen will sich die Diabetes-Gesellschaft nicht: „Wer auch immer im Bundesernährungsministerium auf dem Ministerstuhl Platz nehmen wird: Wir werden uns weiterhin für diese Maßnahmen einsetzen“, so Bitzer. (hom)

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