Steigende Corona-Zahlen

Britische Ärzte befürchten bald „Land unter“

Wenige Tage nach der Aufhebung der Corona-Maßnahmen in Großbritannien, vermelden Ärzte ein deutlich höheres Patientenaufkommen. Die Versorgungslage spitzt sich zu. BÄK-Präsident Reinhardt warnt indes davor, es Britannien gleich zu tun.

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Arzt in Schutzausrüstung hinter einer verschlossenen Krankenhaustür.

„Kliniken wieder am Rande der Überbelegung“ – diverse große britische Tageszeitungen zitieren seit Tagen dutzende Ärzte und Pflegekräfte.

© Niall Carson / empics / picture alliance

London. „Britische Krankenhäuser stehen kurz vor dem Kollaps“ – mit diesen Worten fassen Fach- und Klinikärzte und Pflegepersonal in Großbritannien die derzeitige Situation im stationären Sektor angesichts dramatisch steigender COVID-19-Neuinfektionen zusammen. Auch der Hausarztsektor leidet.

Diverse große britische Tageszeitungen berichten seit Tagen über die sich weiterhin zuspitzende Versorgungslage. Dabei werden dutzende Fach- und Hausärzte, Klinikärzte und Pflegekräfte zitiert, wie schlimm die Lage bereits wenige Tage nach dem Freedom Day wirklich ist.

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„In unsere Notaufnahme kommen derzeit täglich so viele Patienten, wie normalerweise nur im tiefsten Winter kommen“, zitiert die Tageszeitung „Guardian“ einen Pädiater aus Nord-England. „Alles deutet darauf hin, dass die Zahl der COVID-19-Neuinfektionen nach dem Ende der Restriktionen weiter steigen wird. Dann wird hier bald Land unter herrschen.“

Andere Klinikärzte äußern sich ähnlich besorgt. „Unsere Klinik steht bereits im Juli wieder am Rande der Überbelegung“, so ein Kardiologe aus einem großen Londoner Universitätskrankenhaus. „Das sind Zustände, die wir sonst nur im Winter sehen.“

Viele Ärzte und Pfleger in Quarantäne

Eines der Probleme ist laut Berichten die große Zahl der sich in Quarantäne befindlichen Ärzte und Pfleger. Zwar hat die Londoner Regierung vor wenigen Tagen verfügt, dass für die Patientenversorgung sehr wichtige Ärztinnen und Ärzte und Pflegepersonal nicht länger zwangsläufig in häusliche Quarantäne müssen, auch wenn sie in engem Kontakt mit COVID-19-Infizierten standen. Trotzdem ist der Krankenstand im staatlichen Gesundheitswesen (National Health Service, NHS) derzeit auf Rekordhöhe.

Im primärärztlichen Bereich wächst angesichts der steigenden COVID-19-Zahlen ebenfalls der Druck. „Es gibt inzwischen immer öfter ganze Familien, die sich mit der Delta-Variante infizieren. Diese Patienten sind oftmals verunsichert und sie wenden sich dann an ihren Hausarzt, was für uns zusätzliche Arbeit bedeutet“, so eine Londoner Allgemeinärztin.

„Das ist kaum noch zu schaffen, zumal wir auch nebenbei noch weiterhin Reihenimpfungen anbieten und der normale Praxisalltag auch irgendwie bewältigt werden muss.“

Einziger Lichtblick scheint derzeit zu sein, dass auf den NHS-Intensivstationen derzeit keine Bettenknappheit herrscht. Premierminister Boris Johnson argumentiert weiter, dass das Gesundheitswesen dank Impfungen nicht länger durch COVID-19 überlastet sei. Das steht im Widerspruch zu dem, was Ärzte und Pfleger jetzt berichten.

Reinhardt: Fragwürdiger Zeitpunkt

Unterdessen rät der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, in Deutschland noch abzuwarten, bevor alle Corona-Beschränkungen aufgehoben werden. Mit Blick auf Großbritannien sagte Reinhardt der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag): „Das finde ich sehr, sehr gewagt. Ob der jetzige Zeitpunkt mit stark steigenden Infektionszahlen der richtige Moment dafür ist, halte ich für mehr als fragwürdig.“

Man müsse aber auch sehen, dass die Zahl schwer erkrankter Patienten, gemessen an den Fällen von Ansteckungen, deutlich niedriger sei als auf dem Höhepunkt der zweiten Welle.

Reinhardt sagte auf die Frage, ob Deutschland sich an England ein Beispiel nehmen solle, er würde noch abwarten. „Wir wissen noch nicht, wie sich vor dem Hintergrund der Impfkampagne die Zahl schwerer Verläufe entwickelt.“ (ast/dpa)

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