Vor der Bundestagswahl
Bundesärztekammer erstellt Wunschzettel für neue Bundesregierung
Rolle rückwärts bei Cannabis, Werbeverbote und Erhöhung der Tabaksteuer. Pünktlich zum 1. Advent präsentiert die Bundesärztekammer ihre Wünsche an eine neue Regierung. Auch der „Primärarzt“ kommt vor.
Veröffentlicht:Berlin. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat eine Reihe an Forderungen an die nächste Bundesregierung gestellt. Die teilweise Legalisierung von Cannabis müsse zurückgenommen, eine Zuckersteuer eingeführt und die Werbung für gesundheitsschädigende Produkte eingeschränkt werden, heißt es in einem Positionspapier, das die BÄK am Sonntag veröffentlicht hat.
Die Förderung gesunder Lebensführung und der Gesundheitskompetenz der Menschen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht ausschließlich im Gesundheitswesen verortet werden könne, hieß es.
„Die gesetzlichen Regelungen zur Legalisierung von Cannabis als Genussmittel sind vollständig zurück zunehmen“, empfiehlt die BÄK. Zudem sollten neben der Einführung einer Zuckersteuer die Abgaben auf Tabak- und Nikotinprodukte erhöht werden. Die Erlöse daraus sollten in das Gesundheitswesen fließen.
„Primärarzt“ soll kommen
Einweg-E-Zigaretten und Aromastoffe in E-Zigaretten sollten nach Empfehlung der Bundesärztekammer verboten werden. Kinder und Jugendliche müssten zudem wirksam vor übermäßigem Konsum zucker- und fetthaltiger Lebensmittel geschützt werden, unter anderem durch ein Verbot von Werbung für gesundheitsschädigende Produkte, die sich direkt an Kinder und Jugendliche richte.
Für das Gesundheitswesen fordert die BÄK unter anderem eine bessere Steuerung der Patientinnen und Patienten. Konkret schlägt sie vor, dass Patienten immer zuerst zu ihrem „Primärarzt“ gehen, der dann die Weiterbehandlung koordiniert und Überweisungen ausstellen solle. Als „Primärarzt“ komme der Hausarzt oder bei Chronikern auch ein entsprechender Facharzt in Frage.
Als Anreiz für die Versicherten schlägt die Ärztekammer unter anderem „attraktive Krankenkassen-Wahltarife “ vor. Die Ärzteorganisation verlangt zudem, den Einfluss von Finanzinvestoren bei Arztpraxen zu begrenzen. „Die unzulässige Einflussnahme von Dritten muss durch entsprechende gesetzliche Regulierungen verhindert werden“, heißt es in dem Positionspapier. (KNA/eb)
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In dem Positionspapier nennt die BÄK sieben prioritäre Handlungsfelder und äußert jeweils Regelungsvorschläge dazu. Wir dokumentieren sie im gekürzten Wortlaut.
Gesundes Leben und Gesundheitskompetenz fördern. Health in all Policies.
- Eine nationale Public Health-Strategie mit klaren Strukturen und Verfahren
- Gesunde Lebensführung als verpflichtender Bestandteil der Frühbildung in Kitas und Schulen
- Werbung für gesundheitsschädigende Produkte, die sich direkt an Kinder und Jugendliche richtet, soll untersagt werden
- Einweg-E-Zigaretten und Aromastoffe in E-Zigaretten verbieten
- Einführung einer Zuckersteuer und Erhöhung der Steuern auf Alkohol sowie Tabak- und Nikotinprodukte
- Legalisierung von Cannabis als Genussmittel vollständig zurücknehmen
- Gesundheitsfolgenabschätzung als Pflicht in der Gesetzgebung
- Interministerieller Koordinierungsstab „Gesundheitsförderung/Prävention“ im Bundeskanzleramt
- Pakt für den ÖGD über 2026 fortsetzen, sowie eine ärztlicher Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte im ÖGD
Kooperieren und koordinieren. Mehr Orientierung in der Versorgung.
- Validierte und standardisierte Ersteinschätzung von Akut- und Notfallpatientinnen und -patienten
- Verbindliche Wahl einer Arztpraxis für die primärärztliche Versorgung und Koordination einer Weiterbehandlung
- Die primärärztliche Versorgung erfolgt durch eine Hausärztin/einen Hausarzt
- Die HZV ist weiter auszubauen
- Bei Menschen mit chronischer Erkrankung kann die Behandlungskoordination durch die behandelnde Fachärztin erfolgen
- Digitale Unterstützung für schnellen und sicheren Datenaustausch aller Versorgungsbereiche
- Förderung der Gesundheitskompetenz
- Attraktive Versorgungsangebote, kurze Wartezeiten, ggf. monetäre Incentives wie attraktive Kassenwahltarife
Nachwuchs fördern. Fachkräfte sichern.
- Reform des Medizinstudiums endlich umsetzen und zusätzliche Ausbildungskapazitäten schaffen
- Weiterbildung in Verantwortung der Kammern angemessen finanzieren
- Attraktive und familienfreundliche berufliche Rahmenbedingungen
- Schutz vor körperlicher und verbaler Gewalt
- Steuergesetzliche Regelungen für Ärztinnen und Ärzte im Ruhestandsalter, wenn sie weiterarbeiten wollen
- Effiziente und transparente Verfahren, um Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland so schnell wie möglich in das Berufsleben zu integrieren
Bürokratie begrenzen. Mehr Zeit für Zuwendung.
- Einbindung der Leistungserbringer (Red.) für einen wirksamen Bürokratieabbau
- Einrichtung einer „Taskforce Entbürokratisierung“ beim Bundesgesundheitsministerium mit Vertretern der Ärzteschaft und weiterer Gesundheitsberufe
- Erarbeitung eines praxisnahmen Entbürokratisierungsgesetzes
- Harmonisierung von PVS- und KIS-Software sowie sektorenverbindende digitale Kommunikationskanäle
- Kosten-Nutzen-Prinzip für Prüfverfahren der Medizinischen Dienste (MD); Stichproben- statt Einzelfallprüfungen
- Valide Bürokratiefolgenabschätzung bei allen gesundheitspolitischen Reformgesetzen
Auf den Krisenfall vorbereiten. Resilienzstrategie für das Gesundheitswesen.
- Vorbereitung, Vorhaltung, klare Zuständigkeiten und trainierte Abläufe für Krisenfälle
- Resilienzstrategie inkl. sicherer Lieferketten für Arzneien und Medizinprodukte, Kommunikationsstrukturen, stabile Fachkräfteverfügbarkeit und deren Refinanzierung
- Regelmäßige, verpflichtende staatlich finanzierte Notfallübungen in allen Krankenhäusern
- Bei jeder Gesetzgebung beachten, dass u.a. notwendige Reservekapazitäten nicht abgebaut werden
Den Fokus nicht verlieren. Klimawandel bleibt die langfristig größte Bedrohung für die Gesundheit.
- Hitzeschutz als Pflichtaufgabe verankern und in Bund, Ländern und Kommunen verbindlich etablieren
- Reduktion von Treibhausgasemissionen in der Arzneiproduktion; Ausbau entsprechender Produktion in Europa
- Solides Finanzierungsmodell für Investitionen in Klimaschutz und -anpassung
Freiberuflichkeit sichern. Selbstverwaltung stärken.
- Politisches Bekenntnis zu Erhalt und Stärkung des freiheitlichen Gesundheitswesens
- Unzulässige Einflussnahme von Dritten (bspw. rein gewinnorientierte Fremdinvestoren) auf die ärztliche Tätigkeit durch gesetzliche Regelungen verhindern
- Selbstverwaltung stärken und ausbauen (statt die Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung durch staatsdirigistische und wachsende europäische Einflussnahme zu beschneiden)
- Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bundesärztekammer in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)