Urteil
Bundessozialgericht hält an "Krankengeldfalle" fest
Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit müssen vom Arzt rechtzeitig erneuert werden - sonst können Patienten keinen Anspruch auf Krankengeld geltend machen. Der Gesetzgeber müsste die Regelungslücke schließen.
Veröffentlicht:KASSEL. Der ärztliche Bescheinigung für Krankengeld gilt immer erst für den Folgetag des Arztbesuchs. Das gilt nicht nur für die allererste, sondern auch für alle nachfolgenden Bescheinigungen, wie jetzt das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel bekräftigt hat.
Eine geschlossene Praxis oder eine falsche Auskunft des Arztes muss die Krankenkasse nicht als Ausrede akzeptieren.
Auch wenn es nach Überzeugung der obersten Sozialrichter nicht die Aufgabe der Ärzte ist, können sie ihren Patienten beim Umdenken helfen, wenn nach sechs Wochen die Lohnfortzahlung ausläuft.
Denn während für die Lohnfortzahlung eine nahtlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für alle Werktage ausreicht, gilt dies beim Krankengeld nicht mehr.
Laut Gesetz "entsteht" hier ein Anspruch erst für den Folgetag der ärztlichen Bescheinigung. Nach der Rechtsprechung des BSG gilt dies auch für die Folgebescheinigungen. Versicherte müssen daher den Arzt immer schon aufsuchen, noch bevor die aktuelle Bescheinigung ausgelaufen ist.
BSG contra LSG Nordrhein-Westfalen
Weil dies häufig übersehen wird, sprechen Kritiker von einer "Krankengeldfalle". Sie ist besonders gravierend für Versicherte, die - etwa wegen einer lang andauernden Krankheit - entlassen worden sind.
Das Bundessozialgericht bekräftigte, dass sie noch Anspruch auf Krankengeld haben, wenn dies spätestens am letzten Beschäftigungstag vom Arzt bescheinigt wird. Mit dem Krankengeldanspruch läuft dann auch das gesamte Krankenversicherungsverhältnis für bis zu 78 Wochen fort.
Wird aber eine Folgebescheinigung zu spät eingeholt, dann endet das "nachwirkende" Versicherungsverhältnis und damit auch der Anspruch auf Krankengeld.
In mehreren Fällen hatte das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen diese Rechtsprechung in Frage gestellt. Das Gesetz regele nur die Erstbescheinigung für das Krankengeld, auf die Folgebescheinigungen sei dies nicht anwendbar.
Das BSG hielt jedoch an seiner Auffassung fest. Was für die Erstbescheinigung gelte, müsse auch für die weiteren Bescheinigungen gelten. Änderungen könne nur der Gesetzgeber selbst vornehmen. Trotz der langjährigen Rechtsprechung des BSG habe er dies aber bislang nicht getan.
In einem weiteren Fall hatte die Praxis am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geschlossen. Der Versicherte rief seinen Arzt an und ging dann am nächsten Werktag in die Praxis.
Das BSG entschied, dass die Krankenkasse auch dann eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht akzeptieren muss.
Ausnahme, wenn Versicherte gehindert ist, Praxis aufzusuchen
Im letzten Fall war der Versicherte rechtzeitig zum Arzt gegangen, der schickte ihn aber wieder nach Hause, weil zwei Tage später ohnehin ein Untersuchungstermin anstand. Auch solch ein Fehlverhalten des Arztes muss sich die Krankenkasse nicht zurechnen lassen, urteilte das BSG.
Anderes gelte nur bei einer Fehlauskunft der Kasse selbst. Eine Ausnahme kann nach der BSG-Rechtsprechung bestehen, wenn der Versicherte gesundheitlich gehindert ist, eine Praxis aufzusuchen. Krankenhäuser sollten darauf achten, mit der Entlassung gegebenenfalls auch die Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen.
Für Arbeitnehmer, die trotz ihrer Krankheit weiter in einem Arbeitsverhältnis stehen, wirkt sich diese "Krankengeldfalle" allerdings weniger gravierend aus.
Sofern sie eine Folgebescheinigung zu spät einholen, kommt der Anspruch auf Krankengeld lediglich zum Ruhen. Am Folgetag der nächsten Bescheinigung lebt er aber wieder auf.
Az.: B 1 KR 31/14, B 1 KR 35/14< und B 1 KR 37/14 (beendetes Arbeitsverhältnis); Az.: B 1 KR 25/14 (geschlossene Praxis); Az.: B 1 KR 19/14 (falsche Arztauskunft)