Ex-Post-Triage verboten
Bundestag beschließt Gesetz zur Triage
Die Ampel-Koalition hat ihr Gesetzesvorhaben zur Triage bei begrenzten intensivmedizinischen Kapazitäten durch den Bundestag gebracht. Gesetz ist jetzt auch das Verbot der Ex-post-Triage.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Künftig soll allein die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit lebensbedrohlich erkrankter Menschen den Ausschlag geben, wer bei begrenzten Kapazitäten intensivmedizinisch behandelt wird. Der Bundestag beschloss am Donnerstagabend eine entsprechende Reform des Infektionsschutzgesetzes.
Alter oder Behinderung sollen demnach kein Kriterium für eine Negativauswahl sein. Bei der sogenannten Triage geht es um die Frage, wer überlebenswichtige Ressourcen wie etwa ein Atemgerät oder ein Intensivbett erhält, wenn nicht genügend für alle Patienten vorhanden sind.
Das Gesetz, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegt hatte, verbietet auch eine „Ex-post-Triage“. So wird verhindert, dass eine bereits laufende Behandlung zugunsten eines Patienten mit besseren Überlebenschancen abgebrochen würde.
Triage-Entscheidungen müssen gemeldet werden
Kirchliche Wohlfahrtsverbände wie Caritas und Diakonie hatten das Verbot im Vorfeld begrüßt. Von Ärzteverbänden hatte es dagegen heftige Kritik gegen das Verbot der Ex-post-Triage gegeben. Die Entscheidung über eine Triage soll nach dem Gesetz grundsätzlich kein Arzt allein treffen. Sind Personen mit Behinderungen betroffen, muss zudem ein weiterer Entscheider mit Fachexpertise hinzugezogen werden.
Beschlossen wurde auch, dass Krankenhäuser getroffene Triage-Entscheidungen an die zuständigen Landesbehörden melden müssen. Spätestens Ende 2025 soll eine Evaluierung des Gesetzes aus rechtlicher, medizinischer und ethischer Perspektive beauftragt werden.
CDU-Abgeordneter übt Kritik am Fraktionszwang
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte in der Debatte gesagt, auch in der Pandemie müssten alle, die ein Intensivbett benötigen, dieses auch erhalten. Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen könnten sich „darauf verlassen, dass sie auch in Zeiten knapper Kapazitäten nicht benachteiligt werden“. Ausschließlich medizinische Aspekte seien entscheidend.
Der Unionsabgeordnete Hubert Hüppe (CDU) kritisierte eine „mangelnde Beteiligung der Betroffenen“ aus Behinderten- und Ärzteverbänden. Er hätte sich gewünscht, so Hüppe, dass der Fraktionszwang der Ampel-Koalition aufgehoben worden wäre, „so dass jeder nach seinem Gewissen bei so einer hochethischen Entscheidung hätte entscheiden können“.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, begrüßte in einer Stellungnahme die Reform, warnte aber auch vor Problemen im Klinikalltag: Alte, mehrfach kranke und behinderte Patienten würden „in der Realität“ benachteiligt, so Brysch: „Denn praktisch sind ihre Erfolgsaussichten immer gemindert“. Nach den Worten Bryschs fehlten auch „Sanktionen für Ärzte, die gesetzliche Vorgaben ignorieren“ sowie eine entsprechende Regelung „für alle nationalen Groß-Notlagen“.
Opposition stimmt geschlossen gegen den Entwurf
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber im vergangenen Dezember aufgefordert, unverzüglich Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderung bei Triage-Entscheidungen in Pandemie-Situationen zu treffen.
Nach Unklarheiten über das Ergebnis der ersten Abstimmung hatte es eine namentliche Abstimmung gegeben. Von 656 abgegebenen Stimmen entfielen 367 auf Ja und 284 auf Nein. Dazu kamen 5 Enthaltungen. In der folgenden Schlussabstimmung stimmten SPD, Grüne und FDP überwiegend mit Ja, CDU/CSU, AfD und Linke geschlossen mit Nein. (KNA)